In der Hauptstadt Georgiens kam es in der vergangenen Woche zu gewaltsamen Protesten. Die Demonstrierenden versuchen, die regierende Partei Georgischer Traum (GD) von der Macht zu vertreiben, und sie werden dabei von der EU und den Vereinigten Staaten unterstützt.
Auslöser der Straßenkämpfe vor dem Parlamentsgebäude in Tiflis war die Ankündigung von Premierminister Irakli Kobachidse, die Gespräche mit der Europäischen Union über eine EU–Mitgliedschaft seines Landes auszusetzen. Kobachidse, dessen Partei kürzlich die Parlamentswahlen gewonnen hat – die der Westen jedoch ohne Beweise als gefälscht bezeichnet – erklärte, er breche die Gespräche aufgrund der „ständigen Erpressung und Manipulation“ durch Brüssel ab.
Anfang des Jahres hatte die EU den Beitrittsprozess Georgiens eingefroren und die finanzielle Unterstützung gekürzt, nachdem Tiflis ein „Gesetz über ausländische Agenten“ verabschiedet hatte. Brüssel bestand darauf, dass das Gesetz aufgehoben werde. Dies war jedoch noch ihre geringste Forderung.
Die Nato-Mächte wollen, dass Georgien alle Verbindungen zu Moskau kappt; sie wollen dieses Land zur nächsten Front im Krieg gegen Russland machen. Die Partei Georgischer Traum, die wiederholt betont hat, dass sie das Land in die EU bringen wolle, wird von den imperialistischen Mächten als „pro-russisch“ bezeichnet, weil sie sich dagegen wehrt, Georgien auf einen Nato-Satellitenstaat zu reduzieren. Damit würde Georgien vollständig von den für seine Wirtschaft wichtigen russischen Märkten abgeschnitten. Der Georgische Traum, der seine Gegner als „globale Kriegspartei“ bezeichnet, hat die Wahl gewonnen, weil er an die Antikriegsstimmung in der Bevölkerung appellierte.
Die Schätzungen über die Größe der regierungsfeindlichen Demonstrationen in Tiflis schwanken von Tag zu Tag. Einige Nachrichtenberichte sprechen von „Hunderttausenden“ oder „Zehntausenden“; in den letzten Tagen wurde von „Tausenden“ gesprochen. Die Demonstrierenden tragen EU- und georgische Flaggen und Schilder mit der Aufschrift „Russische Sklaven“. Auf einem Banner steht: „Ihr seid scheiße“. Es fehlen jedoch Forderungen, die sich auf Anliegen der Arbeiterklasse beziehen würden, z.B. nach Arbeitsplätzen, höheren Löhnen, besseren Arbeitsbedingungen oder einer angemessenen Gesundheitsversorgung.
Die Regierung reagiert mit Gewalt. Bei den anhaltenden Zusammenstößen mit der Bereitschaftspolizei kommen Tränengas, Wasserwerfer und Schlagstöcke zum Einsatz, und mehrere hundert Menschen sind festgenommen und Dutzende verletzt worden. Die Demonstrierenden haben Feuerwerkskörper in Mini-Raketen verwandelt und greifen damit und mit Molotow-Cocktails die Sicherheitskräfte an. Derweil werden die Häuser und Büros von Oppositionellen durchsucht. Mehrere von ihnen wurden festgenommen, und offenbar sind auch einige zusammengeschlagen worden.
Ministerpräsident Kobachidse hat die Proteste zu einem Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Landes erklärt. Schuld daran seien „EU-Politiker und ihre Agenten“. Er betonte, dass seine Regierung sich einem Umsturzversuch im Stil des Maidan widerstehen werde. Kobachidse drohte den Oppositionellen mit der „vollen Härte des Gesetzes“.
Am Dienstag sagte der Exekutivsekretär der Partei „Georgischer Traum“, Mamuka Mdinaradse, dass 30 Prozent der in Tiflis Verhafteten Ausländer seien, darunter Personen aus Russland, Großbritannien, den USA und den Niederlanden.
Im Zentrum der Bemühungen, die Regierung zu stürzen, steht die ehemalige französische Diplomatin und jetzige georgische Präsidentin Salome Surabischwili. Sie beharrt darauf, dass die Parlamentswahl im Oktober, die dem Georgischen Traum einen Sieg bescherte, „illegitim“ gewesen sei. Surabischwili, die 30 Jahre lang im diplomatischen Dienst in Paris tätig war (unter anderem als Botschafterin in Georgien), kündigte an, dass sie das Präsidentenamt nicht räumen werde, wenn ihre verfassungsmäßige Amtszeit am 29. Dezember endet. Sie behauptet, dass das Parlament, das den neuen Präsidenten wählen wird, kein Mandat des Volkes habe.
Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten sind bestrebt, die georgische Regierung zu isolieren und zu erdrosseln. Die US-Regierung hat am 30. November gedroht, sie werde die strategische Partnerschaft zwischen den USA und Georgien aufkündigen, die Auslandshilfe einstellen und Sanktionen verhängen. Die EU, Kanada, Deutschland und die baltischen Staaten folgen diesem Beispiel.
In einer von Heuchelei triefenden Erklärung hat das Europäische Parlament am 28. November „die systematische Einmischung Russlands in die demokratischen Prozesse Georgiens aufs Schärfste verurteilt“ und Tiflis aufgefordert, die jüngste Wahl für ungültig zu erklären. „Die Europaabgeordneten wollen, dass die Wahlen innerhalb eines Jahres unter sorgfältiger internationaler Aufsicht und durch eine unabhängige Wahlbehörde wiederholt werden.“
Eine Wahl ist nur dann gültig, wenn sie das gewünschte Ergebnis erbringt.
Unabhängig davon, ob tatsächlich Wahlbetrug vorlag oder nicht, sind die EU und die mit den USA verbündeten Kräfte bemüht, die Regierung von Georgien zu stürzen. Im benachbarten Moldawien haben Washington und Brüssel gerade das Ergebnis einer höchst undemokratischen und zweifelhaften Wahl begrüßt, die den pro-europäischen Kräften den Wahlsieg mit einem Vorsprung von nur einem Prozent bescherte.
Als Georgiens Regierungspartei Ende Oktober die Parlamentswahlen gewann und 54 Prozent der Stimmen auf sich vereinte, während sich die Stimmen der verschiedenen Oppositionsparteien auf 38 Prozent summierten, behaupteten der Westen und seine Verbündeten in Tiflis sofort, es gebe Beweise für Wahlmanipulation, Wahlbetrug, Einschüchterung bei den Wahlen und so weiter. Grundlage ihrer Anschuldigungen waren Berichte von nicht besonders neutralen Wahlbeobachtern aus dem In- und Ausland, die den Georgischen Traum ablehnen.
Damals leitete die Staatsanwaltschaft Georgiens eine Untersuchung der Angelegenheit ein und forderte Präsidentin Surabischwili, die diese Vorwürfe hauptsächlich erhob, auf, Beweise dafür vorzulegen. Sie antwortete: „Es ist nicht Aufgabe des Präsidenten, Beweise für Wahlbetrug vorzulegen“, und fügte hinzu: „Ich möchte nur sagen, dass meine Antwort auf die Aufforderung des Staatsanwalts, Beweise vorzulegen, um meine Aussagen zum Wahlergebnis zu untermauern, gar nicht relevant ist, da der Staatsanwalt seine eigenen Ermittlungen durchführen sollte.“
Dies war offensichtlich ein Bluff. Surabischwili hat keine Beweise und weiß, dass die Ermittler, die von einer Regierung bestellt sind, welche sie für illegitim hält, wenig bis gar nichts finden werden. Anfangs hielten sich die USA und die EU noch zurück, als es um die Behauptung ging, der Georgische Traum habe die Wahl regelrecht gestohlen. Nach der Wahl von Donald Trump in den USA sind sie jedoch entschlossen, noch vor Bidens Ausscheiden aus dem Amt weitere Fronten im Krieg gegen Russland zu eröffnen. Dazu gehört neben Syrien auch der Südkaukasus, der einst zusammen mit Russland und anderen Staaten Teil des vereinten Landes Sowjetunion war.
Im Jahr 1991, als die Bürokraten der Kommunistischen Partei an der Spitze der Sowjetunion beschlossen, sie aufzulösen und sich in kapitalistische Oligarchen zu verwandeln, wurde der Appetit des amerikanischen und europäischen Imperialismus geweckt. Der Südkaukasus liegt an einer Handelsroute, die für den Kampf der USA gegen Russland, China und den Iran von zentraler Bedeutung ist.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie stellte das Institute of War fest, dass Georgien für die Sicherung des „Mittleren Korridors“, einer Handelsroute von Zentralasien nach Europa, von entscheidender Bedeutung sei. Diese Handelsroute umgeht Russland und verkürzt erheblich die Transitzeiten. „Das Frachtaufkommen durch diesen Korridor stieg Anfang 2023 um fast 65 Prozent und überschritt eine Million Tonnen“, stellte das Institut fest. „Georgien hat sich zu einem zentralen Knotenpunkt in diesem Netzwerk entwickelt. Es spielt eine entscheidende Rolle beim Transport von Öl, Gas und Gütern entlang des Mittleren Korridors.“
Für die imperialistischen Mächte ist es an der Zeit, Georgien in die Knie zu zwingen. Der Georgische Traum ist trotz jahrelanger Absprachen mit der EU, den Vereinigten Staaten und der Nato nicht das, was sie brauchen. Daher wurde die „Opposition“ im Land aktiviert. Ihre Anführer, von denen mehrere an Eliteuniversitäten in den USA ausgebildet wurden, blicken auf eine lange Bilanz in den früheren gewalttätigen, antidemokratischen, rechtsgerichteten Regierungen des Landes zurück, die die Sozialausgaben kappten und Dienstleistungen privatisierten. Laut Weltbank hatte Georgien sich dadurch im Jahr 2008 „in den führenden Wirtschaftsreformer der Welt“ verwandelt.
Die Anführer der Proteste rennen herum und brüllen, es gehe um den „europäischen Weg“ und „Demokratie“, und sie appellieren an die „Geiz-ist-geil“-Mentalität der bessergestellten Schichten in den Städten, die oft über Konzerne, Bildungseinrichtungen oder eine der zahlreichen „zivilgesellschaftlichen“ Organisationen in Georgien persönliche und finanzielle Verbindungen zu EU- und amerikanischen Institutionen haben. Eine weitere Unterstützerbasis finden sie unter einigen Teilen der Jugend. Viele der teuren privaten Universitäten Georgiens haben ihre Pforten geschlossen, um die Demonstrationen zu unterstützen.
Zwei Artikel auf der Website von Civil.ge, die vom US-amerikanischen National Endowment for Democracy finanziert wird, beleuchten die politische Einstellung dieser Schichten. Der erste Artikel hofiert „Georgias libertäre Jugend“, die sich für die Legalisierung von Drogen einsetzt und gleichzeitig „rechtsgerichtete Wirtschaftspolitik und minimale staatliche Eingriffe“ befürwortet. Sie bilden Gruppen wie das Ayn Rand Center, das Institute for Individual Liberty und „Georgiens rechtsgerichtete Jugendpartei“ Girchi, und sie lehnen, wie ein Vertreter es ausdrückte, die Vorstellung des „Nanny State“ (des bevormundenden Staates) ab.
Der zweite Artikel auf dieser von der US-Regierung gesponserten Website wirbt für die „neue Generation linker Jugendlicher“, die laut einem Aktivisten behauptet, dass „der einzige Weg vorwärts in der Verschmelzung von Klassen- und nationalen Interessen“ bestehe. Hinter einem Wust von Verweisen auf Feminismus, Arbeitsrechte, Umweltschutz, Antiautoritarismus, soziale Gerechtigkeit usw. verbirgt sich das Ziel, dem georgischen Nationalismus eine linke Färbung zu verleihen. Letztendlich besteht das Ziel darin, jede echte sozialistische Stimmung, die unter jungen Menschen aufkommt, in einem Sumpf politischer Reaktion zu ertränken. Die Gruppe Khma, die in dem Artikel hochgelobt wird, steht in Verbindung mit dem pablistischen Vereinigten Sekretariat, dessen politisches Leben genau diesem Zweck gewidmet ist.
Wenn die georgische Arbeiterklasse sich den regierungsfeindlichen Demonstrationen anschließt, dann ist die sowohl auf ihre Illusionen und Wahnvorstellungen darüber, was eine „europäische Zukunft“ bedeutet, als auch auf fehlgeleitete, wenn auch durchaus begründete Wut über die nicht so traumhafte Realität zurückzuführen, die der Georgische Traum ihr bietet. Sollte sich die Arbeiterklasse von der US- und EU-gesteuerten Operation zum Regimewechsel in Tiflis mitreißen lassen, wird sie die Folgen des „europäischen Weges“ zu spüren bekommen: Er wird den letzten Rest des Lebensstandards zerstören und das Land in zerbombtes Gelände verwandeln.
Die Partei Georgischer Traum ist keine Alternative. Sie repräsentiert eine Schicht der herrschenden Klasse Georgiens, die ihre Interessen am besten durch eine Art Gleichgewicht zwischen Russland und dem Westen gewahrt sieht. Da sie nicht in der Lage ist, sich auf die Bevölkerung zu stützen und die Arbeiterklasse gegen die Manöver der Imperialisten zu mobilisieren, greift sie auf Polizeibrutalität zurück, um ihre Macht zu sichern. Die staatliche Gewalt, die heute in Tiflis gegen die Opposition entfesselt wird, wird sich morgen gegen die Arbeiter richten, sobald diese ihre eigenen Forderungen erheben.
Die Arbeiterklasse Georgiens und der gesamten ehemaligen Sowjetunion steht jetzt vor der Herausforderung, den gesamten stalinistischen und postsowjetischen politischen Ballast, der auf ihnen lastet, abzuschütteln. Weder Washington, der Kreml, die imperialistischen Handlanger in Tiflis noch die Politiker der Partei Georgischer Traum können den drohenden globalen Krieg abwenden oder die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Rechte durchsetzen, auf die die arbeitenden Massen absolut Anspruch haben. Diese Ziele können nur auf der Grundlage eines politisch unabhängigen Kampfes für den sozialistischen Internationalismus erreicht werden. Die Arbeiterklasse muss ihre eigene Partei aufbauen, um diesen Kampf zu führen.