Wer sind die „Sächsischen Separatisten“?

In der letzten Woche drang ein Großaufgebot von 450 Beamten des deutschen Bundeskriminalamts, des Verfassungsschutzes und der Bundespolizei sowie von polnischen und österreichischen Behörden in zwanzig verschiedene Objekte ein. Acht Mitglieder der rechtsextremen Vereinigung „Sächsische Separatisten” wurden dabei wegen des dringenden Tatverdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festgenommen. Nicht zufällig ist das SS-Kürzel der Gruppe identisch mit dem der Schutzstaffel der Nazis.

Demonstration der neonazistischen Partei "Der III Weg" [Photo by Superikonoskop / Wikimedia / CC BY-SA 3.0]

Die Festnahmen fanden in und um Leipzig, in Dresden, im Landkreis Meißen und im polnischen Teil von Görlitz (Zgorzelec) statt. Dort wurde der mutmaßliche Anführer der Gruppe, Jörg Schimanek, vom polnischen ABW festgenommen. Er wartet derzeit in Haft auf seine Auslieferung nach Deutschland. In Österreich erfolgten Durchsuchungen im Raum Wien und im Bezirk Krems-Land. Einer der Festgenommen wurde bei der Verhaftung durch einen Schuss am Kiefer verletzt, ist jedoch nicht in Lebensgefahr. Ob die Verletzung durch eigene oder durch Polizeischüsse verursacht wurde, ist zum Zeitpunkt noch unklar.

Laut Mitteilung der Bundesanwaltschaft hat die Gruppe paramilitärische Strukturen geschaffen und entsprechende Übungen u.a. auf einem verlassenen Flugplatzgelände bei Brandis abgehalten. Ziel war es, an einem „Tag X“ mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und anderen Regionen zu erobern, „um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu errichten“. Anschließend sollten „unerwünschte Menschengruppen notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend entfernt werden“.

Orientiert an der rechtsextremen Szene in den USA bezeichneten sie intern diese Phase auch als „Boogaloo“. Die sogenannten „Boogaloo Boys” stellten einen wichtigen Teil des rechtsextremen Mobs, der 2021 das US-Kapitol stürmte, um unter Trump eine Diktatur zu errichten. Auch die Rechtsextremen, die 2020 die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, entführen und ermorden wollten, betrachtete sich als Teil der „Boogaloo Boys”.

Im Unterschied zu anderen rechten Terrorgruppen, wie dem Reichsbürger-Netzwerk um Prinz Reuss, wird den Sächsischen Separatisten nicht die aktive Planung eines Umsturzes vorgeworfen, sondern die kontinuierliche Vorbereitung auf den „aus ihrer Sicht unausweichlichen” Bürgerkrieg. „Dabei wurden insbesondere der Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen, Nacht- und Gewaltmärsche sowie Patrouillengänge eingeübt“, heißt es weiter in der Mitteilung des Staatsanwalts.

Von der Polizei wurden registrierte und nicht registrierte Schusswaffen, Munition, Schalldämpfer, Patronen für Kalaschnikow-Sturmgewehre und die Hülse einer Mörsergranate beschlagnahmt. Zudem habe sich die Gruppierung militärische Ausrüstungsgegenstände wie Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten besorgt. Für Schiesstrainings fuhren sie ins benachbarte Polen oder Tschechien.

Ein Blick auf die Hintergründe der Festgenommen, die alle zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, zeigt, dass sie kein isoliertes Phänomen sind, sondern aus neofaschistischen Strukturen hervorgegangen und über lange Zeit gewachsen sind.

So ist der in Grimma festgenommene, 25-jährige Kurt Hättasch Fraktionschef der AfD im örtlichen Stadtrat, Vorstandsmitglied des Kreisverbands sowie Schatzmeister der sächsischen Jungen Alternative. Zwei weitere Festgenommene, Kevin Richter und Hans-Georg Pförtsch, waren ebenso Teil des AfD-Kreisverbands. Wie die taz dokumentiert, posierten mehrere Mitglieder der SS-Gruppe im Wahlkampf 2022 mit dem thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke.

Hättasch arbeitete für den AfD-Landtagsabgeordneten Alexander Wiesner und war auch mit dem rechtsextremen „Institut für Staatspolitik“ von Götz Kubitschek in Schnellroda verbunden. Seine Frau ist die Tochter von Thomas Sattelberg, des Anführers der 2001 verbotenen Organisation „Skinheads Sächsische Schweiz”.

Sattelberg und seine Tochter reisten 2019 persönlich in die Ukraine, um sich mit dem rechtsextremen Asow-Batallion zu vernetzen. Seit 2017 betreibt er im sächsischen Pirna zusammen mit dem norwegischen Neonazi Eirik Ragnar Solheim das Projekt „Kraftquell“. Es dient als Treffpunkt für Neonazis, und seine Unterkünfte sollen nach eigenen Angaben auch ukrainischen Asow-Kämpfern und ihren Familien einen Erholungsurlaub in Deutschland ermöglichen. 2019 hielt dort laut der ZEIT auch die internationale Sekretärin des rechtsextremen Nationalkorps, Olena Semenyaka, einen Vortrag.

Doch die internationalen Verbindungen reichen noch weiter. So ist für den Anführer Jörg Schimanek und sein Bruder Jörn Schimanek paramilitärischer Rechtsextremismus quasi Familientradition. Bereits ihr Vater Hans Jörg Schimanek jun. war in der österreichischen Wehrsportgruppe VAPO um Gottfried Küssel und, wie ihr Großvater Hans Jörg Schimanek senior, im Umfeld der FPÖ aktiv. Auch der einstige FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache gehörte eine Zeitlang der Wehrsportgruppe VAPO an. Unmittelbar nach der Deutschen Einheit war Schimanek Junior nach Ostdeutschland ausgewandert, wo seine Söhne geboren wurden.

Jörg Schimanek, der noch in Polen in Haft sitzt, wird vom rechtsextremen Szeneanwalt Martin Kohlmann vertreten. Kohlmann ist zugleich Chef der rechtsextremen Regionalpartei „Freie Sachsen“. Jörn Schimanek war noch in diesem Jahr nach Budapest zum „Tag der Ehre“ gereist, der der rechtsextremen Szene seit Jahren als europaweites Vernetzungstreffen dient.

Andere SS-Mitglieder, wie Norman T. und Hans-Georg Pförtsch, haben Verbindungen zum neonazistischen Dritten Weg, dem skandinavischen Nordic Resistance Movement und der thüringischen Schlägertruppe Knockout 51. Karl K. steht in Verbindung mit der Jugendorganisation der einstigen NPD, den Jungen Nationalisten.

Wie andere rechtsextreme Netzwerke waren auch die Sächsischen Separatisten von verschiedensten Geheimdiensten und Polizeibehörden infiltriert. Laut Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung soll zuerst eine Vertrauensperson (VP) des amerikanischen FBI im Online-Austausch mit Jörg Schimanek gestanden haben. Spätestens seit Anfang des Jahres soll dann auch das Bundesamt für Verfassungsschutz eine eigene VP in der Telegram-Gruppe des Netzwerks gehabt haben und konnte deren Nachrichten mitlesen.

Angesichts der weitreichenden, grenzüberschreitenden Verbindungen der Gruppe ist es völlig unglaubhaft, dass die deutschen Behörden vor dem Hinweis des FBI nichts von ihr wussten. Dies umso mehr, als allein schon der Dresdner Hans-Georg Pförtsch ein polizeibekannter Rechtsextremer ist. Er stand in Leipzig bereits 2020 und 2021 wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und 2022 wegen Volksverhetzung vor Gericht. Beim ersten Verfahren wurde er freigesprochen, das zweite wurde eingestellt.

Wenn es um rechtsextreme Terroristen geht, sind Strafverfolgungsbehörden und Justiz auf dem rechten Auge notorisch blind. Das zeigt u.a. der Fall von Franco A.. Obwohl seine rechtsterroristischen Verbindungen und Aktivitäten öffentlich bekannt waren, machte ihm das Oberlandesgericht Frankfurt erst 2019, auf Anweisung des Bundesgerichtshofs den Prozess und verurteilte ihn 2022 schließlich zu fünfeinhalb Jahren Haft. Auch bei dem acht Jahre dauernden Verfahren gegen den NSU achtete das Gericht in München penibel darauf, das wahre Ausmaß der rechtsextremen Strukturen nicht zu thematisieren.

Rechtsextreme Netzwerke haben sich seit den 1990er Jahren gerade im Osten Deutschlands gehäuft. Ob Skindheads Sächsische Schweiz, NSU, Revolution Chemnitz, Gruppe Freital oder Sächsische Separatisten – Personen wie die aus Österreich zugewanderten Schimaneks waren kein Einzelfall.

Viele Neonazis hatten erkannt, dass sich im Osten Deutschlands nach der Restauration des Kapitalismus eine günstige Gelegenheit bot. Die Lobpreisung des sozialen Kahlschlags als notwendiges Übel, die Revision der Geschichte nach einem nationalen, antikommunistischen Narrativ und die damit einhergehenden Blüte einer reaktionären Kultur boten ideale Möglichkeiten, unter den wohlwollenden Augen rechter Beamter in Polizei und Geheimdiensten rechtsextreme Organisationen aufzubauen. Dass diese nun immer offener auftreten ist die Verantwortung der herrschenden Klasse insgesamt. Sie rückt selbst immer weiter nach rechts und schafft mit ihrer Politik von Krieg, Flüchtlingshetze und Sozialkahlschlag die politischen und ideologischen Grundlagen für den rechten Terror.

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