Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat den Bundeswehroffizier Franco A. am Freitag zu fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 33-Jährige aus einer völkisch-nationalistischen Gesinnung heraus Anschläge auf ranghohe Politiker und Personen des öffentlichen Lebens geplant und gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz verstoßen hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Es ist zum ersten Mal, dass ein deutsches Gericht einen Bundeswehroffizier wegen Rechtsterrorismus verurteilt. Doch wie bei früheren Prozessen gegen rechtsextreme Terroristen – wie Beate Zschäpe vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) oder den Lübcke-Mörder Stefan Ernst – war das Gericht vor allem um Schadensbegrenzung bemüht.
Obwohl Franco A. Schlüsselfigur eines umfassenden rechtsextremen Netzwerkes ist, das tief in die Bundeswehr und die Sicherheitsbehörden hineinreicht, konzentrierte sich der Prozess ausschließlich auf seine Person. Führende Mitglieder des Netzwerks blieben unbehelligt. Sie wurden nicht angeklagt, kamen in anderen Prozessen mit einer Bagatellstrafe davon und befinden sich auf freiem Fuß.
Noch im Juni 2018 hatte das OLG Frankfurt es abgelehnt, den Prozess gegen Franco A. überhaupt zu eröffnen. Obwohl schon damals alle wesentlichen Erkenntnisse vorlagen, die jetzt zu seiner Verurteilung führten, begründete es dies mit dem Fehlen eines hinreichenden Tatverdachts für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.
Erst als ein Jahr später der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke von einem Neonazi ermordet wurde und die öffentliche Empörung über die rechte Verschwörung im Staatsapparat wuchs, wies der Bundesgerichtshof das OLG an, den Prozess gegen Franco A. zu führen.
Er begann am 20. Mai 2021 und erstreckte sich über 40 Verhandlungstage. Franco A., der 2017 vorübergehend festgenommen worden war, befand sich die meiste Zeit auf freiem Fuß. Erst im Februar dieses Jahres wurde er wieder inhaftiert, weil er Beweismittel beseitigen wollte. Bei der Festnahme fand man bei ihm zahlreiche Hakenkreuzabzeichen, Hieb- und Stichwaffen, Macheten sowie 21 Mobiltelefone mit 50 Prepaid-Karten.
Die ursprüngliche Verhaftung Franco A.s im Februar 2017 hatte das Augenmerk der Öffentlichkeit auf das Ausmaß der rechtsextremen Umtriebe in der Bundeswehr gelenkt. Die Verhaftung erfolgte bezeichnenderweise nicht durch die deutschen Behörden, sondern durch die österreichische Polizei. Diese nahm A. fest, als er auf dem Flughafen Wien eine Pistole abholte, die er vorher dort versteckt hatte.
Die Überprüfung seiner Fingerabdrücke ergab, dass er eine Doppelexistenz führte. Er war Oberleutnant im Jägerbataillon 291 der Deutsch-Französischen Brigade im Elsass und hatte sich, obwohl er kein Wort arabisch sprach, als angeblich syrischer Asylbewerber „David Benjamin“ registrieren lassen. Offenbar wollte er die falsche Identität nutzen, um Flüchtlinge für einen Terroranschlag verantwortlich zu machen.
Nun begannen Journalisten zu recherchieren. Es wurde schnell deutlich, dass A. Teil einer umfangreichen rechten Verschwörung war. Er hatte, unterstützt von Komplizen, mehrere Waffen und Munition gehortet und Listen möglicher Anschlagsziele erstellt, darunter die Grünen-Politikerin Claudia Roth, der damalige Justizminister Heiko Maas (SPD) und die Gründerin der antirassistischen Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane.
Die Anschlagspläne auf Kahane waren am weitesten fortgeschritten. A. hatte die Räume der Stiftung in Berlin aufgesucht und Fotos der Tiefgarage, Lageskizzen der Räumlichkeiten sowie Pläne für eine Waffenübergabe und eine mutmaßliche Fluchtroute erstellt.
In seiner Einheit, dem Jägerbataillon 291, verfügte A. über Mitwisser und Helfer. Rechtsextremismus wurde dort offenbar toleriert. Immer wieder wurden Hitlergrüße und Hakenkreuze beobachtet. Die Vorgesetzten wussten über A.s rechtsextreme Gesinnung Bescheid. Bereits 2013 hatte er auf der französischen Militärakademie Saint-Cyr eine rassistische und antisemitische Masterarbeit geschrieben. Sie wurde von den verantwortlichen Bundeswehroffizieren vertuscht, damit A. seine Offizierslaufbahn fortsetzen konnte.
A. war außerdem Mitglied eines Netzwerks von Elitesoldaten, Einsatzpolizisten und Staatsbeamten, das einen bewaffneten Umsturz an einem „Tag X“ vorbereitet, Waffen hortet und die Verhaftung und Ermordung von Politikern, Bürgerrechtlern und Flüchtlingshelfern plant. Kopf dieses Netzwerks ist das ehemalige Mitglied der Bundeswehrelitetruppe KSK André S. (alias „Hannibal“), zu dem Franco A. persönlich in Kontakt stand.
Das Bekanntwerden des Hannibal-Netzwerks nach der Enttarnung von Franco A. löste in Staat und Politik hektische Aktivitäten aus. 2020 sah sich die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) gezwungen, eine von vier Kompanien des KSK aufzulösen, nachdem immer neue Einzelheiten über rechtsextreme Aktivitäten an die Öffentlichkeit gelangt waren. Das KSK habe „sich in Teilen verselbständigt“, es habe „eine toxische Führungskultur“ gegeben und es seien große Mengen an Waffen und Munition abhandengekommen, begründete sie den Schritt.
Razzien gegen die Gruppe „Nordkreuz“, den nördlichen Ableger des Hannibal-Netzwerks mit engen Verbindungen zur AfD, brachten große Mengen von Waffen, Munition, Sprengstoff und Todeslisten ans Licht. Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), musste wegen seinen Verbindungen zu „Nordkreuz“ zurücktreten. Doch den Verantwortlichen geschah nichts.
André S. („Hannibal“) wurde 2019 vom Amtsgericht Böblingen wegen Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt, gegen die er Berufung eingelegt hat. Er wurde aus dem KSK versetzt, aber nicht aus der Bundeswehr entlassen.
Im Fall „Nordkreuz“ hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen gegen zwei führende Mitglieder, den Anwalt Jan-Hendrik H. und den Kriminalpolizisten Haik J., ein AfD-Mitglied, eingestellt. Als einziger der Gruppe wurde Marko G. – ehemaliger Fallschirmspringer, SEK-Polizist und Mitglied der AfD – zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Bundeswehroffizier Maximilian T., der 2017 zusammen mit Franco A. verhaftet wurde, weil er ihm geholfen hatte, seine Doppelidentität zu verschleiern, Waffen zu verstecken und eine Anschlagsliste zu führen, wurde bald wieder freigelassen und erhielt als Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte sogar freien Zugang zum Bundestag, wo viele der anvisierten Opfer verkehren. Maximilian T. ist der Bruder von Franco A.s Verlobten Sophia T., mit der er drei gemeinsame Kinder hat.
In den fünfeinhalb Jahren seit der ersten Verhaftung von Franco A. haben zahlreiche Artikel und Bücher das Ausmaß der rechtsextremen Netzwerke in Militär und Staatsapparat aufgedeckt. Das OLG Frankfurt sah sich aufgrund der überwältigenden Beweislast gezwungen, Franco A. zu verurteilen. Doch es gibt kein Bemühen, den rechten Sumpf auszutrocknen, im Gegenteil. Geht es nach dem Willen der herrschenden Kreise, soll das Urteil einen Schlussstrich unter die Kritik von Militarismus und Rechtsextremismus ziehen.
Die Bundeswehr wird mit hunderten Milliarden aufgerüstet und soll wieder in die Mitte der Gesellschaft rücken. Jede Kritik am Militarismus wird zum Verbrechen erklärt. Der Pazifismus führe nicht zum Guten, sondern zementiere „die Dominanz der Bösen, der Verbrecher und der Unmenschlichen“, erklärte Ex-Bundespräsident Joachim Gauck kürzlich bei Markus Lanz. Die Verehrung von Nazi-Kollaborateuren, wie des ukrainischen Faschisten Stepan Bandera, gilt als „verständlich“ und begrüßenswert.
Das darf nicht zugelassen werden.