Der Kulturetat 2025 – ein Angriff auf die Freiheit der Kunst

Der Bundeshaushaltsentwurf für das Jahr 2025 sieht für den Bundesfond für Kultur und Medien (BKM) eine leichte Steigerung von 2,15 auf 2,2 Milliarden Euro vor. Doch der Eindruck täuscht.

Während ausgesuchte Bereiche – darunter die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der deutsche Film, der Sender Deutsche Welle – mehr Geld erhalten sollen, werden die sechs Bundeskulturfonds, die die freie Kulturszene unterstützen, rund die Hälfte ihres Etats verlieren: 14 Millionen Euro.

Die sechs Fonds fördern vor allem nicht kommerziell ausgerichtete Projekte. Die Bandbreite reicht vom künstlerischen Experiment mit Laborcharakter bis zur Jugendarbeit. Sie vergeben Stipendien, organisieren Literatur-, Theater-, Jazz- und Tanzfestivals, loben Preise aus, z.B. für hochwertige Literaturübersetzungen.

Der Fonds Soziokultur zeichnete im letzten Jahr Projekte aus, die die Auseinandersetzung von Jugendlichen mit anderen Kulturen, Solidarität mit Flüchtlingen und Sensibilität für sozial benachteiligte Mitmenschen fördern sollen. Schon 2023 hätten nur 7,2% der förderungswürdigen Musik-Projekte berücksichtigt werden können, so Reiner Pöll vom erst 2016 gegründeten Musikfonds. „Das Geld reicht hinten und vorne nicht für die Vielzahl an Antragstellungen.“

Eine Petition von Künstlern der Freien Szene, die in kurzer Zeit über 36.000 Unterschriften erhielt, verweist darauf, dass dem „Bündnis internationaler Produktionshäuser, ein seit Jahren äußerst erfolgreiches Kulturmodell und Zusammenschluss der größten freien internationalen Produktionshäuser, ... im 10. Jahr seines Bestehens sämtliche Bundesmittel gestrichen werden“. Besonders betroffen seien die Darstellenden Künste, „da mit dem Wegfall des Bündnisses internationaler Produktionshäuser und der Kürzung beim Fonds Darstellende Künste insgesamt 10 Mio. weniger für die Szene zur Verfügung stehen“.

Die Kürzungen beträfen gerade kulturelle Bereiche, die mit ihren „Arbeiten ein millionenstarkes und vielfältiges Publikum“ erreichen, heißt es in der Petition. Und weiter: „In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung und anwachsenden antidemokratischen Kräften braucht es gestärkte Freie Künste, die ästhetisch und kulturell für die Freiheit der Künste und gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stehen.“

Ein Beispiel für akut gefährdete Projekte ist „HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden“. Es gehört dem „Bündnis internationaler Produktionshäuser“ an, blickt auf eine lange Geschichte seit seiner Gründung 1911 als Zentrum künstlerischer Moderne zurück und ist heute bekannt für vielfältige internationale Kooperationen und Verbindungen von Theater, Musik und Tanz. Zu den derzeitigen Gästen gehört das japanische EIZO-Theater. Die angekündigte Streichung der finanziellen Bundeszuschüsse falle „in Zeiten“, so Intendantin Carena Schlewitt gegenüber dem Online-Magazin VAN, „in denen internationale Begegnungen und Verständigung wichtiger denn je sind“.

Hellerau: Audiovisuelles Konzertprojekt „SHIRO“ des japanisch-französischen Duos NONOTAK [Photo: Tony Trichanh]

Die Kürzung des Etats kam für die Verbände überraschend. Erst seit Juli waren nach jahrelanger Diskussion Mindesthonorare für freie Kulturschaffende zumindest bei Projekten festgelegt worden, die aus den Mitteln des Bundeskulturministeriums finanziert oder teilfinanziert werden. Doch die Umsetzung würde eine Erhöhung des Etats erfordern. Dass stattdessen bis zu 50 Prozent der Gelder gekürzt werden, kann nur bedeuten, dass zahlreiche Projekte schließen müssen. Verschärft wird die Lage durch die Ankündigung der Länder, darunter Berlin, ebenfalls drastische Einsparungen in ihren Kulturetats vorzunehmen.

Kultur als Staatspropaganda

Die Haushaltsentscheidung der Bundesregierung muss als gezielte politische Einflussnahme im kulturellen Leben bewertet werden. Die Tatsache, dass parallel zur drastischen Kürzung bei den freien Kulturprojekten einige hervorgehobene Bereiche finanziell gestärkt werden sollen, dient der stärkeren Einbindung von Kunst und Kultur in die Außenpolitik und Regierungspropaganda.

Was die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit zahlreichen renommierten Museen in Berlin angeht, so gehört sie zu den kulturellen Leuchttürmen, mit denen der deutsche Staat international zu glänzen versucht. Die Erhöhung des Etats wird vom Präsidenten der Stiftung Hermann Parzinger überschwänglich begrüßt. Museumsbesucher und Beschäftigte sollten jedoch gewarnt sein. Angesichts von Krieg und sozialer Krise wird die Regierung ihren politischen Druck erhöhen.

Schon jetzt werden Museen angehalten, pro-ukrainische Veranstaltungen zu organisieren und pro-palästinensische Proteste zu unterbinden. Am Museum Hamburger Bahnhof, das zu den Staatlichen Museen und damit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehört, wurde im Februar eine Hannah-Arendt-Lesung von Teilnehmern unterbrochen, die gegen den Gaza-Krieg protestierten. Die Medien tobten danach über ihren angeblichen „Antisemitismus“, verlangten künftig mehr Polizeischutz und kritisierten die Museumsleitung, die der Gruppe die Teilnahme genehmigt habe.

Hand in Hand mit dem neuen Kulturetat plant die Bundesregierung eine „Antisemitismus“-Klausel für Kultur und Wissenschaft, die der Einführung von Zensur gleichkommt. Zuvor hatte Berlin versucht, eine solche Klausel zu verankern.

Der Deutsche Kulturrat warnte am 1. Juli, dass damit „Kulturinstitutionen nicht mehr als grundsätzlich offene Orte wahrgenommen würden“ und die „grundgesetzlich verankerte Kunstfreiheit“ eingeschränkt wird. „Bestrebungen, in der Bundeshaushaltsordnung oder in Haushaltsordnungen der Länder Klauseln einzuführen“, könnten „zu einer regulären Überprüfung von Antragstellern durch den Verfassungsschutz führen“.

Auch der erhöhte Etat für den Film dient nicht wirklich der Förderung der Filmkunst. Er gilt vor allem der Rendite der Filmwirtschaft. Der deutsche Filmstandort soll gefördert werden, um ihn, wie Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Die Grünen) erklärt, als Bereich der Kreativwirtschaft „wieder konkurrenzfähiger zu machen. Damit können Filmproduktionen nach Deutschland geholt und Produktionen hier gehalten werden.“

Sie folgt damit den Forderungen der deutschen Filmwirtschaft. Deren vier größten Filmstudios „Bavaria“, „Babelsberg“, „MMC“ und „Penzing Studios“ riefen die Bundesregierung in einem Brandbrief dazu auf, noch vor der Sommerpause Maßnahmen einzuleiten, da Deutschland, wie es in „Blickpunkt:Film“ heißt, „sonst immer mehr abgehängt würde“.

Das internationale Interesse am Filmproduktionsstandort Deutschland ist in den letzten Jahren gesunken. Produktionen, darunter auch aus Hollywood, werden zunehmend wegen der niedrigeren Kosten nach Osteuropa verlagert. In Tschechien wurde der deutsche Oskar-prämierte Film von 2023 „Im Westen nichts Neues“ produziert. In den letzten fünf Jahren seien mindestens dreißig internationale Film- und Serienprojekte statt in Deutschland in Osteuropa gedreht worden, beklagt der Vorstandsvorsitzende von Studio Babelsberg Andy Weltman die Situation.

„Moderne Filmförderung“ solle den „kulturellen Film“ stärken, so die beschönigenden Worte von Roth für ihre Haushaltsentscheidung. Dies wird von einigen Produzenten und Regisseuren insofern begrüßt, als die chaotisch zersplitterte Filmförderung zentralisiert werden soll. Auf Kritik stoßen zugleich die geplanten automatisierten Förderabläufe. „Hohe Umsätze und große Zuschauerzahlen können aber nicht der alleinige Anspruch an die deutsche Filmwirtschaft sein, Film ist auch Kulturgut“ fasst Helmut Hartung, Chefredakteur von medienpolitik.net, die Filmreform als Ganzes kritisch zusammen.

Am deutlichsten wird der Charakter des Kulturetats 2025 am Förderbeschluss für die „Deutsche Welle“. Während in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsendern Mitarbeiter entlassen, Kultursendungen gestrichen oder auf Privatsender-Niveau gesenkt werden, will die Regierung den mehrsprachigen Auslandssender stärken. Er soll „Desinformation“ entgegentreten, begründet Roth diese Entscheidung – genauer ausgedrückt, Regierungspropaganda verbreiten.

Die Deutsche Welle spielte seit 1953 eine wichtige Rolle im Kalten Krieg. Nach Auflösung der Sowjetunion verbreitete der Radiosender, der seit 1992 auch einen TV-Kanal hat, in den Nachfolgestaaten demokratische Illusionen in Marktwirtschaft, EU-Osterweiterung und NATO.

Anders als die öffentlich-rechtlichen ARD-Landesrundfunkanstalten, das Deutschlandradio und das ZDF untersteht die Deutsche Welle, die aus Steuermitteln und nicht Rundfunk-Beiträgen finanziert wird, direkt der Bundeskulturbeauftragten und damit der Regierung.

Wie sehr dieser Sender – offiziell als „mediale Stimme Deutschlands“ beworben – heute als Regierungs- und Nato-Propagandaorgan dient, unterstreicht die Verleihung seines diesjährigen „Freedom of Speech Award“ an Julia Nawalnaja, die Witwe des jüngst verstorbenen, rechtsextremen russischen Politikers Alexey Nawalny.

Im „Ukraine-Faktencheck“ trommelt die Deutsche Welle für die Unterstützung des rechten Ukraine-Regimes und argumentiert unermüdlich gegen jeden, der auch nur leise Kritik an Regierungschef Selenskyi für seine Ablehnung eines Friedensabkommens aufbringt.

Die rigorose Beschneidung der freien Kulturszene durch die Grünen-Politikerin Roth ist ein staatlicher Angriff auf die Freiheit der Kunst. Wie sich in der ungleichen Verteilung der Gelder erweist, sollen Kunst und Kultur den Interessen der deutschen Wirtschaft und Großmachtpolitik angepasst werden.

Schon im vergangenen Jahr mischte sich die Bundesregierung massiv in die Berliner Filmfestspiele ein und missbrauchte sie, um für ihre aggressive Ukraine-Politik zu werben. Der ukrainische Regierungschef Selenskyi wurde gleich zu Beginn per Video zugeschaltet, und die Rede von Claudia Roth war ebenfalls davon geprägt.

In diesem Jahr kritisierte Roth die Proteste gegen die Teilnahme von Berliner AfD-Abgeordneten an der Eröffnung der Berlinale als Missachtung des „Wählerwillens“ und erinnerte mahnend daran, dass das Festival auch mit staatlichen Geldern gefördert werde.

Am Ende tobte ein politischer Entrüstungssturm in den Medien gegen die Berlinale-Leitung, weil sie Solidaritätserklärungen mit den Palästinensern anlässlich der Preisverleihung für den Film „No Other Land“ zugelassen habe.

Die jetzt geplante Kürzung des ohnehin kleinen Etats für die freie Kunst ist ein rechtes kulturpolitisches Signal und Wasser auf die Mühlen der AfD. Diese betreibt seit langem nationalistische Kulturhetze, attackiert moderne Kunst in einer Weise, die an die Nazi-Beschimpfung für „entartete Kunst“ erinnert, und will alles zusammenstreichen, was nicht einem „positiven Deutschlandbild“ dient.

Wie in der dunklen jüngeren Vergangenheit dieses Landes versucht die herrschende Politik, einer international orientierten, gesellschaftskritischen und zukunftsorientierten Kunst einen Riegel vorzuschieben. Der soziale Rückschritt, der derzeit in allen Bereichen zunimmt, wird mit kulturellem Rückschritt verbunden.

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