USA: Zehntausende Hafenarbeiter streiken und schließen sich den Boeing-Arbeitern an

Am frühen Dienstagmorgen traten in den USA die Hafenarbeiter der gesamten Ostküste in den Streik. Kurz nach Mitternacht legten zehntausende Hafenarbeiter von Maine bis Houston (Texas) im ersten Streik seit 1977 die Arbeit nieder. Ihr Streik ist Teil einer wachsenden Bewegung der Arbeiterklasse gegen Ausbeutung und miserable Arbeitsbedingungen.

Hafenarbeiter an fünf Ship-to-Shore-Kränen beladen das Containerschiff YM Witness im Hafen von Savannah (Georgia, USA) [AP Photo/Stephen B. Morton]

Die wichtigsten Probleme in den Häfen sind die gleichen wie auf der ganzen Welt. Die Arbeiter kämpfen gegen niedrige und stagnierende Löhne, und sie fordern eine Lohnerhöhung von 70 Prozent, über sechs Jahre verteilt. Daneben fordern sie Schutz gegen Automatisierung und andere neue Technologien, mit denen die Konzerne weltweit Millionen von Arbeitsplätzen abbauen. Außerdem kämpfen sie für bessere Arbeitsbedingungen, darunter weniger belastende Dienstpläne und mehr Sicherheit.

Die Hafenarbeiter schließen sich 33.000 Boeing-Arbeitern an, die vor allem im Raum Seattle (Washington) an der Westküste arbeiten und einen Ausverkaufsvertrag abgelehnt hatten, um einen Streik zu erzwingen, der bereits seit mehr als zwei Wochen andauert. Weitere bedeutende Streiks der letzten Wochen waren der von 5.000 Mechanikern bei Textron Aviation in Kansas und von 525 Arbeitern des Luft- und Raumfahrtkonzerns Eaton in Michigan.

Am Montag traten Lagerhausarbeiter der Lebensmittelkette Smart & Final in Kalifornien, die in der Gewerkschaft Teamsters organisiert sind, in den Streik. Ein Video vom Streikbeginn auf X wurde schnell mehr als 3,5 Millionen Mal angesehen.

Dass die Hafenarbeiter im kanadischen Montreal am Montag ebenfalls einen 72-stündigen Streik aufnahmen, erhöht das Potenzial für einen globalen Kampf.

Damit entstehen die Bedingungen für eine breitere Bewegung der Arbeiterklasse gegen den amerikanischen und globalen Kapitalismus. Die Häfen an der Ostküste nehmen eine Schlüsselposition in den US-amerikanischen und globalen Versorgungsketten ein, da zu ihnen die Hälfte der zehn größten Häfen Nordamerikas gehört. Die Kosten eines Streiks werden auf eine bis fünf Milliarden Dollar pro Tag geschätzt. Ein längerer Streik könnte die Lieferketten bis ins Jahr 2025 beeinträchtigen.

Die Hafenarbeiter der Ostküste demonstrieren ihre immense soziale Macht, und ihr Streik wird von Arbeitern im ganzen Land und sogar der Welt als Aufruf verstanden werden, energisch auf ihre eigenen Forderungen zu bestehen. Im Verlauf der Geschichte haben sich Streiks der Hafenarbeiter oft zu Generalstreiks entwickelt, so 1892 in New Orleans, 1919 in Seattle und 1934 in San Francisco.

Zehntausende Eisenbahner kämpfen derzeit gegen neue Ausverkaufsverträge, die ihnen die Gewerkschaftsbürokratie vorlegt, u.a. ein Abkommen bei BNSF, das den Abbau von Zugbegleiterstellen ermöglicht. In der Autoindustrie, bei UPS, der Post und in weiteren Unternehmen kämpfen die Arbeiter gegen massiven Stellenabbau, der sowohl durch die Automatisierung als auch durch den Ausverkauf der Bürokratie vorangetrieben wird.

Zehntausende von US-Lehrkräften in Schulbezirken im ganzen Land, u.a. in Seattle, Chicago und Detroit, wehren sich gegen massive Schulschließungen, weil die Regierung Mittel von der Bildung in den Krieg umleitet.

Die Rolle des Weißen Hauses und des kapitalistischen Staats

Objektiv ist die Streikbewegung auch ein Konflikt mit dem gesamten politischen Establishment, vom Weißen Haus unter Biden – das jahrelang mit seinen Verbündeten in der Gewerkschaftsbürokratie zusammengearbeitet hat, um das Lohnwachstum zu begrenzen – bis hin zu Trump und den Republikanern, die eine faschistische Bewegung aufbauen, um die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse zu zerstören.

Bislang hat sich das Weiße Haus zurückgehalten, um die Situation nicht weiter anzuheizen. Doch die US-Konzerne haben Biden den Marschbefehl gegeben: Sie haben die Regierung in einem neuen Schreiben der US-Handelskammer aufgefordert, mit einer einstweiligen Verfügung zu intervenieren, um einen Streik zu verhindern. Als Grundlage dient das berüchtigte Taft-Hartley-Gesetz (auch bekannt als das „Sklavenarbeitsgesetz“), das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verabschiedet wurde. Zusätzlich veröffentlichten sie eine eigennützige Umfrage, laut der eine knappe Mehrheit der Wähler eine Intervention der Regierung befürwortet.

Das Weiße Haus hat bisher öffentlich erklärt, es werde das Taft-Hartley-Gesetz nicht anwenden. Pressesprecherin Karine Jean-Pierre erklärte am Montag: „Wir haben noch nie das Taft-Hartley-Gesetz angewandt, um einen Streik zu brechen, und erwägen auch jetzt nicht, das zu tun.“

Diese Behauptung ist völlig unaufrichtig. Das Weiße Haus hat Ende 2022 unter Anwendung eines anderen Gesetzes interveniert, um einen Streik der Eisenbahner zu verhindern. Erst vor wenigen Wochen hatte Verkehrsminister Pete Buttigieg interveniert, um die kanadische Regierung dazu zu drängen, einen Bahnstreik durch ein verbindliches Schlichtungsverfahren zu beenden. Das Weiße Haus hat außerdem enorme Mittel ausgegeben, um die „Sicherheit der Lieferketten“ zu gewährleisten, die ein wichtiges Element bei der Ausweitung seiner Kriege sind, und dabei die Hilfe von wirtschaftsfreundlichen Gewerkschaftsbürokraten in Anspruch genommen.

Die von der Biden-Regierung bevorzugte Methode bestand jedoch darin, mit Hilfe der Gewerkschaftsbürokratie de facto Streikverbote durchzusetzen, ohne auf offenere Methoden zurückgreifen zu müssen. An der Westküste hat die International Longshore and Warehouse Union (ILWU) die Arbeiter mehr als ein Jahr lang nach Ablauf ihres Tarifvertrags weiterarbeiten lassen, während die amtierende Arbeitsministerin Julie Su half, einen Ausverkauf auszuhandeln.

Diese Erfahrungen zeigen, dass die Regierung und das gesamte politische System der Unternehmer nicht untätig zusehen werden, wenn der Streik Auswirkungen auf ihre Profite hat. Die Arbeiter müssen vorbereitet sein, darauf zu reagieren, indem sie ihre immense soziale Kraft, die Quelle des weltweiten Reichtums, hinter den streikenden Hafenarbeitern mobilisieren.

Während die kapitalistische „Demokratie“ im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen den Bach runtergeht und die USA kurz davor stehen, in Russland und im Nahen Osten den Dritten Weltkrieg anzuzetteln, entwickelt sich die Arbeiterklasse zur Gegenmacht, die die Lage grundlegend ändern kann, wenn sie unabhängig mobilisiert wird.

Um ihren Kampf auf eine ernsthafte Grundlage zu stellen, müssen sich die Hafenarbeiter von der ILA-Bürokratie unabhängig organisieren. Obwohl der ILA-Präsident Harold Daggett seit Monaten mit Streik drohte und im Sommer die Verhandlungen abbrach, ist es höchst wahrscheinlich, dass die ILA vorhatte, in letzter Minute eine Einigung anzukündigen, wie es die International Association of Machinists (IAM) bei Boeing versucht hat. Dieser entsprach wiederum dem Ausverkauf der Teamsters im letzten Jahr. Doch die unerwartete Rebellion der Boeing-Arbeiter, die die Einigung mit einer überwältigenden Mehrheit von 95 Prozent ablehnten, erzwang nicht nur einen Streik, sondern gefährdete auch ernsthaft ähnliche Manöver von Bürokraten anderswo.

Tatsächlich berichtete die New York Times am Montag, am Tag zuvor habe es bei den Verhandlungen Bewegung gegeben. Die ILA und die United States Maritime Alliance (USMX) sollen Vorschläge zu Lohnerhöhungen ausgetauscht haben.

Baut Streikkomitees der Hafenarbeiter auf! Vereint den Kampf für die Interessen der Arbeiter mit dem Kampf gegen Krieg!

Die korrupte ILA-Bürokratie, die seit mehr als einem Jahrhundert Beziehungen zu den Demokraten und sogar zum organisierten Verbrechen unterhält, musste zwar zum Streik aufrufen, wird aber versuchen, ihn bei erster Gelegenheit zu beenden.

Die wichtigste Aufgabe der Hafenarbeiter ist es, Aktions-Streikkomitees als neue Strukturen zu schaffen und die demokratische Kontrolle über den Streik zu erlangen, damit sie sich Entscheidungen widersetzen können, die gegen den Willen der Mitglieder verstoßen. Jeder Versuch der ILA-Funktionäre, den Streik zu beenden, bevor alle Forderungen der Arbeiter erfüllt sind, muss verhindert werden.

Die Boeing-Arbeiter haben ein eigenes Aktionskomitee gegründet, nachdem sie einen Streik erzwungen haben, und ähnliche Komitees wurden schon überall auf der Welt gegründet. Diese Organisationen sind in der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees zusammengeschlossen und öffnen Kommunikationskanäle zwischen den Arbeitern in verschiedenen Branchen, um gemeinsame Aktionen vorzubereiten.

Eine zentrale Forderung muss die Kontrolle der Arbeiter über die Vertragsverhandlungen sein, und alle künftigen Verhandlungen mit der USMX müssen per Livestream öffentlich übertragen werden. Auch die gesamte Korrespondenz zwischen Gewerkschaftsfunktionären und der Biden-Regierung muss öffentlich gemacht werden.

Die Hafenarbeiter müssen außerdem das Versprechen der ILA-Bürokratie zurückweisen, während des Streiks weiterhin Kriegsmaterial zu verladen. Die ILA veröffentlichte auf ihrer Website eine Erklärung, in der sie salopp erklärte: „Ich liebe Amerika.“ Darin verweist sie ausdrücklich auf ihre Durchsetzung eines Streikverbots im Zweiten Weltkrieg und stellte es als Vorbild für ihre heutige Politik dar.

Trotz Daggetts Getöne, er „fordere“ von Biden, sich aus den Tarifverhandlungen herauszuhalten, zeigt seine Unterstützung für den imperialistischen Krieg die Verbundenheit der ILA mit dem amerikanischen Kapitalismus. Selbst die Rhetorik über den Zweiten Weltkrieg erinnert an Bidens Äußerungen über das „Arsenal der Demokratie“, mit denen er sein korporatistisches Bündnis mit dem Gewerkschaftsapparat rechtfertigte, das er als entscheidend zur Vorbereitung der Heimatfront auf den Krieg erachtet.

Doch die US-Regierung kämpft heute nicht gegen die Nazis. Sie wiederholt vielmehr deren Verbrechen. In der Ukraine unterstützt sie Neonazis im Rahmen ihres Stellvertreterkriegs zur Aufteilung Russlands und zur Aneignung seiner Rohstoffe. Diese Politik hat die Welt näher als je zuvor an den Rand eines Atomkriegs gebracht.

Daneben unterstützt die Regierung Israels Völkermord in Gaza und ist voll und ganz daran beteiligt, einen Krieg in der gesamten Region anzuzetteln.

Die Verpflichtung der ILA, Kriegsgerät umzuschlagen, ist ein Verrat an der palästinensischen Arbeiterklasse. Letztes Jahr hatten die palästinensischen Gewerkschaften die Arbeiter auf der ganzen Welt aufgerufen, die Lieferung von Militärgütern an Israel zu verweigern.

Eine Weigerung, Kriegsmaterial umzuschlagen, ist zudem von entscheidender Bedeutung, weil es unmöglich ist, die Rechte der Arbeiter zu Hause zu verteidigen und gleichzeitig den Imperialismus zu unterstützen. Den Arbeitern werden Billionen Dollar aus den Taschen gezogen, um Kriege zu finanzieren und die Profite der US-Konzerne zu verteidigen.

Der Streik der Hafenarbeiter ist nicht nur wegen ihrer Forderungen nach Schutz der Arbeitsplätze und nach Lohnerhöhungen so ein wichtiges Ereignis, sondern weil er Teil eines breiten Kampfs ist, der die Arbeiterklasse objektiv in Konfrontation mit dem Kapitalismus bringt.

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