Während auf der ganzen Welt weiterhin Empörung über das anhaltende Massaker des israelischen Militärs an den Palästinensern in Gaza herrscht, inszeniert sich die Biden-Regierung als Vermittler in den langwierigen Waffenstillstands-Verhandlungen und behauptet fälschlicherweise, diese stünden kurz vor dem Abschluss. Auch der nationale Parteitag der Demokraten endete in diesem Tenor: leeres Gerede über einen Waffenstillstand, während die US-Regierung das zionistische Regime und dessen barbarischen Krieg gleichzeitig uneingeschränkt politisch, finanziell und militärisch unterstützt.
In Wirklichkeit waren die monatelangen Gespräche von vorne bis hinten Betrug. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat wiederholt jede Vereinbarung sabotiert. Der bisher provokanteste Akt dieser Sabotage war Netanjahus Anordnung der Ermordung von Hamas-Führer Ismail Haniyeh am 31. Juli. Zudem sehen die Rahmenbedingungen des von den USA unterstützten Abkommens nur einen vorübergehenden Waffenstillstand vor, lassen aber dem israelischen Militär gleichzeitig freie Hand, seinen Völkermord fortzusetzen.
Außenminister Antony Blinken, der letzte Woche Israel besuchte, verkündete am Montag nach Gesprächen mit Netanjahu, dass Israel einem Vorschlag der USA zugestimmt habe, der eine sechswöchige Waffenruhe, die Freilassung israelischer Geiseln und palästinensischer Gefangener sowie den Rückzug israelischer Truppen aus Teilen des Gazastreifens vorsehe.
Doch kaum hatte Blinken Israel verlassen, als Netanjahu ihm auch schon öffentlich widersprach und insbesondere erklärte, dass die israelische Militärpräsenz im Philadelphi-Korridor, einer Pufferzone entlang der Grenze zwischen Gaza und Ägypten, bestehen bleiben werde. Israel behauptet, diese Truppenpräsenz sei notwendig, um Waffenschmuggel zu unterbinden. Doch Israel hat seine Kontrolle über die Grenzübergänge in den Gazastreifen dazu benutzt, lebenswichtige humanitäre Hilfslieferungen von Nahrung, Medizin und medizinisches Gerät in den Gazastreifen einzuschränken.
Am Dienstag erklärte Netanjahu unumwunden: „Ich bin nicht bereit, mich aufgrund von innerem und äußerem Druck aus dem Philadelphi-Korridor zurückzuziehen. Wenn wir dort abziehen, wird es enormen politischen Druck auf uns geben, damit wir nicht zurückkehren – doch wenn wir dort bleiben, wird es diesen Druck nicht geben.“
Das israelische Regime ist fest entschlossen, die Pufferzone zu militarisieren. Es weiß sehr genau, dass weder die Hamas noch Ägypten solche Bedingungen akzeptieren werden. Israel hat den Bau von acht Wachtürmen entlang des Philadelphi-Korridors vorgeschlagen, die USA wollten sie auf zwei herunterhandeln. Ägypten lehnt jedoch den Bau von Wachtürmen oder irgendeiner dauerhaften israelischen Präsenz an der Grenze strikt ab.
Dennoch erklärte die US-amerikanische Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, am Donnerstag vor dem UN-Sicherheitsrat, eine Einigung sei „jetzt in Sicht“, obwohl es offensichtlich in wichtigen Streitpunkten, darunter dem Philadelphi-Korridor, keine Einigung gab. Die Vorstellung, dass solche Fragen im Vorfeld eines möglichen Gipfeltreffens am Sonntag gelöst werden, ist unrealistisch.
Ein neuer israelischer Vorschlag über die Anzahl der israelischen Soldaten und Militärposten entlang des Philadelphi-Korridors an der ägyptischen Grenze wird für Ägypten und die Hamas wahrscheinlich nicht akzeptabler sein als der vorherige Plan zur Militarisierung der Grenze.
Netanjahu hat von Anfang an deutlich gemacht, dass er nur an einer vorübergehenden Unterbrechung des militärischen Angriffs auf Gaza interessiert ist, und zwar zu seinen eigenen Bedingungen. Rechtsextreme Mitglieder seiner Regierung und seines Kabinetts haben jeden Waffenstillstand rundweg abgelehnt.
Der von Biden am 31. Mai verkündete Rahmen für ein Drei-Phasen-Abkommen sollte die unüberbrückbare Kluft zwischen der Entschlossenheit des zionistischen Regimes, seinen völkermörderischen Krieg fortzusetzen, und den Forderungen der Hamas nach einem dauerhaften Waffenstillstand und dem Wiederaufbau von Gaza überbrücken. Auf einen ersten sechswöchigen Waffenstillstand sollte theoretisch eine zweite Phase folgen – ein Ende des militärischen Konflikts, der Rückzug aller israelischen Truppen aus dem Gazastreifen und die Freilassung aller verbleibenden Geiseln. Die dritte Phase sollte den Wiederaufbau und die abschließende Rückgabe von sterblichen Überresten beinhalten.
Nur wenige Stunden nach Bidens Ankündigung postete Netanjahu auf X/Twitter: „Israels Bedingungen für die Beendigung des Kriegs haben sich nicht geändert... Die Zerstörung der militärischen Fähigkeiten und der Regierungsfähigkeit der Hamas, die Freilassung aller Geiseln und die Gewähr, dass vom Gazastreifen keine Gefahr mehr für Israel ausgeht.“ In den vergangenen Monaten hat sich an Netanjahus Entschlossenheit, eine dauerhafte militärische Besetzung des Gazastreifens durch Israel sicherzustellen, nichts geändert – die Wachtürme an der ägyptischen Grenze sind nur ein Aspekt davon.
Frank Lowenstein, Unterhändler der Obama-Regierung für israelisch-palästinensische Angelegenheiten, erklärte am Freitag gegenüber der Washington Post: „Netanjahu hat seit Monaten unmissverständlich deutlich gemacht, dass er kein Interesse an der Umsetzung des vollständigen Drei-Phasen-Abkommens hat, das den Krieg tatsächlich beenden würde... Unabhängig davon, was er Außenminister Blinken [am Montag] erzählt hat, wird immer deutlicher, dass er nicht einmal einen vorübergehenden Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln wirklich will.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Tatsächlich würde der Waffenstillstand, wenn er jemals angenommen werden sollte, es Israel erlauben, die letzten beiden Phasen zu ignorieren und seine Offensive der verbrannten Erde in Gaza wieder aufzunehmen – sofern es den Völkermord nicht bereits früher unter einem Vorwand wieder aufnimmt. Die Biden-Regierung hat unmissverständlich klargestellt, dass sie Israel weiterhin mit allem, was möglich ist, unterstützen wird, auch durch die Lieferung riesiger Mengen an Waffen und Munition, um den Gazastreifen in Ödland zu verwandeln.
Al Jazeera berichtete auf der Grundlage von Quellen aus dem Gesundheitswesen, israelische Truppen hätten am Freitag im Zentrum und im Süden von Gaza weitere 18 Palästinenser getötet, womit sich die offizielle Zahl der Toten seit dem 7. Oktober auf mindestens 40.265 erhöht hat. Hinzu kommen mehr als 93.000 Verwundete. Israel hat erneut weitere Evakuierungen angeordnet, die praktisch die gesamte Bevölkerung von Gaza zu Binnenvertriebenen ohne angemessene Unterkunft, Nahrung, sauberes Wasser und medizinische Versorgung gemacht haben.
Die Australian Broadcasting Corporation (ABC) veröffentlichte am Samstag einen Bericht mit dem Titel: „Ärzte berichten: Als im Gazastreifen das Morphium ausging, wurden Amputationen zu einem ,endlosen Albtraum‘.“ Der Bericht vermittelte einen Einblick in die zahlreichen sozialen Grauen, die mittlerweile zur Norm geworden sind. Die schrecklichen Verletzungen, die Kindern durch die wahllosen Bombardierungen des israelischen Militärs in Gaza zugefügt wurden, haben zu einer großen Zahl von Amputationen geführt, von denen einige ohne Betäubung durchgeführt werden mussten.
Die Brutalität der israelischen Militäroperationen hat eine „neue Generation von Kindern mit Amputationen in einem Ausmaß geschaffen, das für Hilfs- und Gesundheitsorganisationen schwer zu begreifen ist“, heißt es in dem Artikel. Laut dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF mussten in den ersten beiden Monaten des Kriegs mehr als 1.000 Kindern Beine amputiert werden. Demnach haben täglich mehr als 13 Kinder eins oder beide Beine verloren.
Die US-amerikanische Kinderärztin Seema Jilani, die letzten Dezember im Al-Aqsa-Krankenhaus arbeitete, beschrieb die traumatischen Bedingungen, unter denen sie und andere Ärzte gearbeitet haben. Sie wurden überwältigt von der Zahl der verletzten Kinder, und es fehlten die notwendige Ausrüstung und Versorgungsgüter. Sie bezeichnete die Situation als „endlosen Albtraum“. Einige der am schwersten Verletzten, darunter auch Kinder, mussten sterben, weil man nichts für sie tun konnte.
Der Zustand der Krankenhäuser und medizinischen Einrichtungen in Gaza hat sich seither weiter verschlechtert. Wie ABC berichtete, gibt es keine präzisen Zahlen, wie viele Einwohner von Gaza Gliedmaßen verloren haben, doch Mediziner und Hilfsorganisationen rechnen mit mehreren Tausenden. Diese tragisch hohe Zahl wird mit der Fortsetzung des von den USA unterstützten israelischen Völkermords mit Sicherheit ebenso steigen wie die Zahl der Toten und sonstigen Verletzten, egal ob ein vorübergehender Waffenstillstand zustande kommt oder nicht.