Beim Besuch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Washington hatte die Biden-Harris-Regierung der israelischen Regierung ihre weitere Unterstützung zugesichert. Direkt nach Netanjahus Rückkehr nahm das israelischen Regime den angeblichen Raketenangriff auf die von Israel besetzten Golanhöhen, bei dem zwölf arabisch-drusische Kinder getötet wurden, zum Anlass, mit einer Offensive im Libanon zu drohen, die sich zu einem von den USA unterstützten Krieg gegen den Iran ausweiten könnte.
Die Umstände der Explosion, bei dem ein winziges Fußballfeld in der besetzten Enklave getroffen wurde, sind weiterhin unklar. Zwölf Jungen und Mädchen von zehn bis sechzehn Jahren wurden am Samstag bei der Explosion in dem drusischen Dorf Majdal Shams getötet, und Dutzende weitere mussten mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden.
Einige Bewohner machten das israelische Regime für die Bluttat verantwortlich. Sie bezweifelten, dass das israelische Frühwarnsystem richtig funktioniert hat, denn der Angriff erfolgte weniger als fünf Sekunden nach dem Ertönen der Sirenen, sodass die Kinder keine Chance hatten, in Schutzräume zu fliehen.
Einige Einwohner protestierten gegen den Besuch des rechtsextremen israelischen Finanzminister Bezalel Smotrich, der anreiste, um die Todesfälle auszuschlachten. In den Stunden nach dem Angriff hatte er erklärt: „Der gesamte Libanon muss dafür bezahlen.“ Die Bewohner warfen dem nationalen Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir und Smotrich vor, weiter Spannungen zu schüren und riefen: „Ben-Gvir und Smotrich sind hier die Schuldigen.“
Während die israelische Führung ihren völkermörderischen Angriff auf die Bevölkerung von Gaza eskalierte, machte sie die vom Iran unterstützte libanesische Miliz Hisbollah für den Angriff auf den Golanhöhen verantwortlich, obwohl die Hisbollah „kategorisch“ bestritt, hinter dem Angriff zu stecken.
Die Hisbollah erklärte, ein abgestürztes Raketenabwehrprojektil des israelischen Raketenabwehrsystems Iron Dome sei für die Todesfälle verantwortlich. Zuvor hatte die Hisbollah mehrere Angriffe auf militärische Ziele in Israel durchgeführt.
Dennoch brach Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seinen US-Besuch in einer dramatischen Geste vorzeitig ab und reiste zurück zum Hauptquartier der Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) nach Tel Aviv. Anschließend berief er ein Treffen mit Verteidigungsminister Yoav Gallant und der Militär- und Geheimdienstführung ein und schwor, die Hisbollah werde „einen hohen Preis dafür zahlen, einen Preis wie sie ihn noch nie zuvor gezahlt hat“.
Nach dem Treffen erklärte Netanjahus Büro, das Sicherheitskabinett habe den Ministerpräsidenten und den Verteidigungsminister ermächtigt, die „Art“ und das „Timing“ von Israels Reaktion zu bestimmen.
Bei einem ersten Angriff vor diesem Treffen flogen israelische Kampfflugzeuge laut einer Stellungnahme der IDF von Sonntagmorgen Angriffe auf Ziele der Hisbollah „tief in libanesischem Staatsgebiet“ und entlang der Grenze.
Der Kriegsverbrecher Netanjahu, der für den Tod von zehntausenden Kindern in Gaza verantwortlich ist, gab sich „schockiert“ über den „mörderischen Angriff“ auf den Golanhöhen. Die Heuchelei erreichte ein obszönes Ausmaß: Netanjahu ist laut einer Schätzung der renommierten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet verantwortlich für den Tod von bis zu 186.000 Palästinensern innerhalb der letzten neun Monate.
Am gleichen Tag, an dem sich die Explosion auf den Golanhöhen ereignete, setzte sich das Blutbad in Gaza in einer weiteren früheren „Schutzzone“ fort. Die IDF attackierten eine Schule und ein Feldlazarett in Deir al-Balah Gazaer, im Zentrum des Gazastreifens, und töteten etwa 30 Menschen. Wobei sie wie immer behaupteten, die Hamas habe von diesem Gebiet aus Raketen abgefeuert.
US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, machte die Hisbollah genauso schnell verantwortlich wie Netanjahu. Ihr folgten der Nationale Sicherheitsrat des Weißen Hauses und US-Außenminister Antony Blinken, der sich gerade in Tokio aufhielt.
Harris' nationaler Sicherheitsberater, Phil Gordon, erklärte: „Israel ist weiterhin mit schweren Bedrohungen seiner Sicherheit konfrontiert, und [Harris'] Unterstützung für Israels Sicherheit ist unanfechtbar.“ Er betonte weiter, die USA würden an einer „diplomatischen Lösung“ für den Konflikt in Gaza arbeiten. Das wird jedoch schon seit Monaten behauptet, während sich der Völkermord immer weiter intensiviert hat.
Gordons Äußerungen ähneln denjenigen von Harris nach ihrem privaten Treffen mit Netanjahu im Weißen Haus in der letzten Woche, als sie ihre lebenslange Unterstützung für den zionistischen Staat und dessen anhaltende ethnische Säuberungskampagne in Gaza bekräftigte. Sie verband diese Unterstützung ausdrücklich mit einem umfassenderen Kurs gegen den Iran.
Harris erklärte: „Ich hatte gerade ein offenes und konstruktives Gespräch mit Ministerpräsident Netanjahu. Ich habe ihm versichert, dass ich immer dafür sorgen werde, dass Israel in der Lage ist, sich zu verteidigen, auch gegen den Iran und die vom Iran unterstützten Milizen wie Hamas und Hisbollah.“
Harris verurteilte zudem Tausende von Demonstranten als „unpatriotisch“, die dagegen protestiert hatten, dass Netanjahu bejubelt wurde, als er eine Rede vor einer gemeinsamen Sitzung des US-Kongresses hielt. Ihre Äußerungen konnten vom israelischen Regime nur als politisches grünes Licht für eine Ausweitung des Konflikts interpretiert werden.
Smotrich war mit seiner kriegerischen Erklärung nach der Explosion auf den Golanhöhen nicht allein. Außenminister Israel Katz erklärte gegenüber der Times of Israel, die Hisbollah habe „alle roten Linien überschritten“.
Katz erklärte, Israel nähere sich „dem Moment eines offenen Kriegs gegen die Hisbollah und den Libanon“ und kündigte an, Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah werde samt seiner Organisation vernichtet und der Libanon schwer beschädigt.
Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanani, warnte, jedes neue militärische „Abenteuer“ Israels im Libanon könnte „unvorhersehbare Konsequenzen“ haben, darunter „eine Ausweitung der Instabilität, Unsicherheit und des Kriegs in der Region“.
Auf den Golanhöhen, die Israel 1967 während des Sechstagekriegs von Syrien erobert und 1981 annektiert hat, leben etwa 20.000 drusische Araber. Nach dem Völkerrecht und den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats gilt das Gebiet als besetzt und wird zusätzlich von etwa 25.000 jüdischen Siedlern aus Israel bewohnt.
Die meisten Drusen in dem Gebiet betrachten sich als Syrer und haben die ihnen angebotene israelische Staatsbürgerschaft abgelehnt. Der Regionalrat von Majdal Shams erklärte am Sonntag, keins der zwölf getöteten Kinder habe die israelische Staatsbürgerschaft besessen.
Bezeichnenderweise widmete Netanjahu die zweite Hälfte seiner faschistoider Rede im US-Kongress der Darstellung des Völkermords in Gaza als Teil eines umfassenderen, von den USA geführten Kriegs im gesamten Nahen Osten.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Netanjahu erklärte Amerika zum „Wächter der westlichen Zivilisation und zur stärksten Macht der Welt“ und stellte feste: „Der Iran versteht, dass er zuerst den Nahen Osten erobern muss, wenn er Amerika wirklich herausfordern will... doch im Herzen des Nahen Ostens steht dem Iran ... der Staat Israel im Weg.“
Damit wird die Realität auf den Kopf gestellt. Der amerikanische Imperialismus betrachtet die „Endlösung des Palästinenserproblems“ als ersten Schritt in einem Krieg gegen den Iran, der selbst Teil des eskalierenden Kriegs gegen Russland und der Konfrontation mit China ist.
Eine israelische Großoffensive gegen die Hisbollah würde mit dem strategischen Ziel der Biden/Harris-Regierung im Nahen Osten übereinstimmen, das iranische Regime zu stürzen, das schon lange als Hindernis für die Vorherrschaft der USA über die Region gilt. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Unterwerfung Russlands und Chinas und die Kontrolle über die gesamte eurasische Landmasse.
Seit Israel letzten Oktober seinen Völkermord in Gaza begonnen hat, befindet es sich in einem Konflikt niedriger Intensität mit der Hisbollah, der mehrfach an einen offenen Krieg herangekommen ist. Laut Angaben der Vereinten Nationen wurden bei wiederholten israelischen Angriffen auf den Libanon mehr als 350 Menschen getötet, darunter 100 Zivilisten.
Mehr als 90.000 Menschen wurden vertrieben und waren gezwungen, etwa 100 von Bombardierungen bedrohte Städte und Dörfer im Südlibanon zu verlassen.
Eine von den USA unterstützte uneingeschränkte israelische Offensive im Libanon wäre nicht einfach eine Wiederholung von Israels früheren illegalen und brutalen Invasionen des Landes, die bis in die 1980er-Jahre zurückreichen. Genau wie im Gazastreifen würde Israel nicht nur versuchen, den militärischen Arm der Hisbollah zu zerstören, sondern auch seine soziale Basis unter der verarmten schiitischen Bevölkerung des Libanon und dabei ganze Teile des Landes verwüsten.
Harris' öffentliche Äußerungen sind nur die jüngste Bestätigung dafür, dass eine Regierung unter ihrer Führung beim Völkermord in Gaza oder beim imperialistischen Krieg gegen den Iran im Nahen Osten, gegen Russland in der Ukraine oder gegen China im asiatischen Pazifik genauso aggressiv vorgehen würde wie unter Biden.
Während Netanjahu unter begeistertem Beifall im US-Kongress seine Hetzrede hielt, veranstalteten die World Socialist Web Site und die Socialist Equality Party eine Kundgebung vor dem Kapitol, auf der sie ein Programm und eine Perspektive zum Widerstand gegen Völkermord und Imperialismus vorstellten.
David North zog in seiner Rede bei der Kundgebung die notwendigen Schlussfolgerungen aus Netanjahus Rede, dem Völkermord in Gaza und der Unterstützung des gesamten politischen Establishments dafür:
„Der Aufbau einer Antikriegsbewegung erfordert die Mobilisierung der Arbeiterklasse als internationale Kraft. Sie erfordert, dass die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse hergestellt wird. Und sie erfordert eine Perspektive, die nicht darauf abzielt, in Richtung der Kapitalisten zu protestieren und sie zu einer friedlichen Politik aufzufordern, sondern der Arbeiterklasse zu erklären, dass sie die Macht erobern muss, wenn sie diesen Schrecken ein Ende setzen will, wenn sie die Zukunft sichern will.“