Zum Nato-Gipfel verschärft sich der Konflikt innerhalb der Demokratischen Partei über Bidens Nominierung

Die Krise innerhalb der Demokratischen Partei nach der desaströsen Debatte zwischen Präsident Joe Biden und Donald Trump hat mit dem Nato-Gipfel in Washington nicht nachgelassen. Gedacht als Feier zum 75-jährigen Bestehen des imperialistischen Bündnisses und der anhaltenden Bemühungen zur Unterwerfung Russlands wird der Nato-Gipfel stattdessen von Intrigen und Geflüster über die nachlassenden geistigen Fähigkeiten des Oberbefehlshabers des US-Militärs beherrscht.

US-Präsident Joe Biden verlässt die Bühne während der Pause einer von CNN veranstalteten Präsidentschaftsdebatte mit dem Republikanischen Präsidentschaftskandidaten und ehemaligen Präsidenten Donald Trump, 27. Juni 2024 [AP Photo/Gerald Herbert]

Unabhängig davon, ob Biden seine Kandidatur aufrechterhalten kann oder aus dem Amt gedrängt wird: Die Demokratische Partei und ihr Spitzenpersonal werden die Kriegs-, Völkermord- und Sparpolitik des derzeitigen Präsidenten fortsetzen. Es gibt keine „fortschrittliche“ Lösung für die gegenwärtige Krise, außer die unabhängigen Intervention der Arbeiterklasse gegen beide politischen Parteien und das von ihnen verteidigte kapitalistische System.

Am Montagmorgen erschien ein Offener Brief von Biden, in dem er verspricht und daran festhält, als Kandidat der Demokraten bei der Präsidentschaftswahl anzutreten. Am selben Vormittag erschien Biden zu einem ausführlichen Interview in seiner bevorzugten Fernsehsendung Morning Joe auf MSNBC. In seinen Kommentaren betonte Biden seine Rolle bei der Organisation des globalen Kriegs auf dem Nato-Gipfel.

„Ich werde all diese ausländischen Führer hier haben“, sagte er. „Ich habe mit dem neuen britischen Premierminister Kontakt aufgenommen, mit… egal. Sehen Sie, das Land, der Rest der Welt, unsere Verbündeten, suchen nach einer amerikanischen Führung. Was glauben Sie, wer sonst kann hier einspringen und das tun? Ich habe die Nato erweitert! Ich habe die Nato gefestigt.“

Die Co-Moderatorin von Morning Joe ist Mika Brzezinski, deren Vater Zbigniew Brzezinski während des Kalten Krieges ein führender geopolitischer Stratege des US-Imperialismus war und deren Bruder Mark heute US-Botschafter in Polen ist. Biden sagte zu ihr: „Fragen Sie Ihren Bruder in Polen danach. Ich habe dafür gesorgt, dass wir in einer Position sind, in der wir eine Koalition von Menschen, von Nationen auf der ganzen Welt haben, um mit China, mit Russland, mit allem, was in der Welt vor sich geht, fertig zu werden.“

Der Präsident behauptete, es gebe „echte Fortschritte“ mit dem „Biden-Plan in Israel, der für den Gaza-Streifen vorgeschlagen wurde. Etwas, das vom UN-Sicherheitsrat angenommen wurde“.

Biden begründet seine Kandidatur damit, ein fähigerer Verfechter der imperialistischen Ziele der USA zu sein. Damit unterstreicht er, dass der Hauptkonflikt in der Demokratischen Partei über seine Nominierung ein taktischer Kampf darüber ist, welcher kapitalistische Politiker effektiver das Kriegsprogramm verfolgen kann, dem sie alle verpflichtet sind.

In einem Versuch, von dieser Realität abzulenken, versuchte Biden in seinem Beitrag einen trotzig-populistischen Ton anzuschlagen. Er beklagte: „Ich bin frustriert von den Eliten – nein, ich spreche nicht von euch, sondern den Eliten in der Partei. Oh, die wissen so viel besser.“

Er behauptete, dass einige sorgfältig geplante Wahlkampfveranstaltungen am Wochenende gezeigt hätten, dass der „Durchschnittswähler“ ihn unterstütze.

„Ich wollte sichergehen, dass ich Recht habe, dass der Durchschnittswähler da draußen immer noch Joe Biden will. Und ich bin zuversichtlich, dass dies so ist“, sagte Biden.

In Trump-ähnlicher Manier behauptete Biden fälschlich: „Wir hatten große Menschenmengen, wir hatten begeisterte Menschenmengen“, und dass er sich nur um den „Durchschnittswähler“ kümmere. Er sagte: „Es ist mir egal, was die Millionäre denken.“

Weniger als zwei Minuten später revidierte Biden seine Aussage: „Ich will die Unterstützung der Millionäre, aber das ist nicht der Grund, warum ich kandidiere. Ich kandidiere nicht, um zu erfahren, was sie denken und was ihnen wichtig ist. Und nebenbei bemerkt, man sieht nicht viele von ihnen zu Trump strömen. Es gibt nicht viele CEOs, die zu Trump strömen.“

In einem Artikel, der nur wenige Stunden nach Bidens Interview bei Morning Joe veröffentlicht wurde, berichtete die New York Times unter der Überschrift „Biden Tries to Soothe His Top Fund-Raisers on a Private Call“ (Biden versucht, seine wichtigsten Geldgeber in persönlichen Telefonaten zu beruhigen), dass Biden nach seinem Auftritt bei MSNBC ein fast 20-minütiges privates Telefongespräch „mit einigen seiner größten Geldgeber und Spender“ führte, in dem er sie um Unterstützung bat und Trump ins „Visier“ nahm.

Unter Berufung auf Äußerungen, die der Zeitung „von fast einem Dutzend Gesprächsteilnehmern“ geschildert wurden, berichtete die Times, dass Biden nur vier vorab geprüfte Fragen beantwortete. Am vergangenen Montag organisierte Wahlkampfleiterin Jennifer O'Malley Dillon einen ähnlichen Call mit etwa 500 von Bidens Top-Spendern.

Während Biden fälschlich behauptet, er wolle oder brauche die Unterstützung der Finanzoligarchie nicht, ist die Meinung der „Spender“ in der Tat ein entscheidender Faktor in dieser Situation. Mehrere Milliardäre haben bereits öffentlich erklärt, dass sie ihre Spenden an die Partei aussetzen werden, bis ein anderer Kandidat aufgestellt wird.

Am Montag brachte NPR ein Interview mit dem CEO der Weyco Group Inc. Tom Florsheim, eines von 400 Mitgliedern des „Leadership Now Project“, einer Gruppe von Führungskräften und Spendern der Demokratischen Partei, die sich nach der Debatte gegen Bidens Nominierung organisiert hat. Die Gruppe fordert Biden auf, „die Fackel“ an eine neue Gruppe von Demokraten weiterzugeben.

Der Washingtoner Abgeordnete Adam Smith wurde am Montag zum sechsten Demokraten im Repräsentantenhaus, der Biden öffentlich zum Rückzug auffordert. „Ich persönlich denke, dass Kamala Harris eine viel bessere und stärkere Kandidatin wäre“, sagte er gegenüber CNN. Smith ist das ranghöchste Mitglied im Militärausschuss des Repräsentantenhauses.

Der Demokratische Abgeordnete Adam Schiff, ehemaliger Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, forderte zwar nicht direkt den Rückzug Bidens, meinte aber in seiner Sendung „Meet the Press“ am Sonntag, dass Biden „den Boden mit Donald Trump wischen sollte“.

„Es gibt nur einen Grund, warum es so knapp ist“, behauptete Schiff, „und das ist das Alter des Präsidenten.“ Dieser Kommentar von einer der finstersten Gestalten im nationalen Sicherheitsestablishment der Demokratischen Partei ist ein absichtliches Ablenkungsmanöver. Krieg, Völkermord, Angriffe auf die demokratischen Rechte – all das ist für die Wähler, die auf den dreijährigen Altersunterschied zwischen dem 81-jährigen Biden und seinem 78-jährigen faschistischen Gegner Donald Trump fixiert sind, angeblich irrelevant.

Egal, ob sie Biden als Kandidaten unterstützen oder ablehnen: Die Politiker der Demokratischen Partei befürworten und schätzen Bidens tatsächliche Bilanz: Seine uneingeschränkte politischen und militärische Unterstützung für den Völkermord in Gaza, den Krieg gegen Russland in der Ukraine sowie auch seine Politik im Zuge der Corona Pandemie. Die vorzeitige Beendigung der Covid-19-Maßnahmen bedeutete eine zusätzliche Bereicherung der Finanzoligarchie.

Während die CIA und die rechten Demokraten Biden zum Rücktritt auffordern, stellen sich die Linken in der Partei im Bündnis mit den wichtigsten Gewerkschaftsspitzen weiterhin hinter den umkämpften Präsidenten.

In einem Interview mit Ryan Nobles von NBC am Montag bekräftigte die New Yorker Abgeordnete und Mitglied der Democratic Socialists of America, Alexandria Ocasio-Cortez, ihre Unterstützung für „Genocide Joe“. Sie sagte, sie habe am Wochenende mit Biden gesprochen und dass es „Zeit“ sei, „die Spekulationen über seine Zukunft zu beenden“.

Sie sagte: „Joe Biden ist unser Kandidat. Er wird das Rennen nicht verlassen. Er ist in diesem Rennen, und ich unterstütze ihn.“

In einer Videowerbung, die am Montag in Minnesota ausgestrahlt wurde, zeigte sich die Abgeordnete Ilhan Omarin einer Szene, in der sie von Biden gelobt wird.

„Kongressabgeordnete Omar“, sagt Biden in einer Aufnahme zu Beginn des Spots, „ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie hier sind.“

Am Montag veröffentlichte die Vorsitzende des Congressional Progressive Caucus, die Abgeordnete Pramila Jayapal aus dem Bundesstaat Washington, eine Erklärung, in der es unter anderem heißt: „Präsident Biden und Vizepräsident Harris wurden von den Wählern gewählt und haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren bemerkenswerte Leistungen erbracht, die zeigen, was wir gemeinsam für die Menschen erreichen können.“ (Hervorhebung im Original)

In einem Kommentar an den Boston Globe erklärte Senatorin Elizabeth Warren: „Präsident Biden ist unser Kandidat. Er ist ein ausgezeichneter Präsident. Er arbeitet jeden Tag hart für die Arbeiterfamilien.“

Am 3. Juli gaben der Vorsitzende der Elektrogewerkschaft International Brotherhood of Electrical Workers (IBEW) Kenneth Cooper und die Vorsitzende des Gesewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO Liz Schuler Erklärungen zur Unterstützung der Biden-Harris-Kandidatur ab. Die Gewerkschaftsvorsitzenden entlarvten damit sich selbst und die Organisationen, denen sie vorstehen, als Erfüllungsgehilfen der herrschenden Klasse und der Konzerne.

Beide sparten nicht mit Lobeshymnen, die völlig an der Realität vorbeigehen. Cooper meinte: „Die IBEW arbeitet nur mit Führungspersönlichkeiten zusammen, die es ernst meinen mit der Verteidigung der Arbeiter und dem Schutz ihrer Familien. ... Deshalb ist die IBEW stolz darauf, Präsident Joe Biden im Jahr 2024 zu unterstützen.“ Schuler behauptete: „Kein Weißes Haus hat die Arbeiter so unterstützt wie die Biden-Harris-Regierung.“

Loading