SEP-Kandidat Tom Scripps spricht auf einer Wahlveranstaltung der Palestine Solidarity Campaign

Der Kandidat der Socialist Equality Party (SEP) Tom Scripps für die gestrigen Wahlen im Vereinigten Königreich sprach am Montag auf einer Wahlveranstaltung im Londoner Stadtteil Camden, die vom dortigen Ortsverband der Palestine Solidarity Campaign organisiert wurde. Neben dem unabhängigen Kandidaten Andrew Feinstein nahmen auch Vertreter der Grünen und, als Provokateure, auch der ausländerfeindlichen UK Independence Party teil.

Die Kandidaten hatten vier Minuten Zeit, eine Eröffnungsrede zu halten; danach mussten sie innerhalb von zwei Minuten auf eine Reihe von Fragen aus dem Publikum antworten.

Tom Scripps (zweiter von links) bei der Wahlveranstaltung; rechts Andrew Feinstein

Scripps erklärte, er werde das Programm seiner Partei darlegen – „nicht nur für Holborn und St. Pancras, oder nur für diese Wahl, sondern für die internationale Arbeiterklasse und die Unterdrückten der ganzen Welt in dieser Periode der Geschichte, die vom Abgleiten in Krieg, Völkermord, Armut und Diktatur geprägt ist.“

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Mit Bezugnahme auf die erste Erklärung der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site zu Israels Krieg im Gazastreifen erklärte er: „Die reaktionäre Perspektive, einen ausschließlich jüdischen Staat durch die zwangsweise Vertreibung der Palästinenser zu sichern, kann nur durch Massenmord und ethnische Säuberung umgesetzt werden.“

Die SEP stellt den Völkermord im Gazastreifen in einen internationalen Kontext. Die imperialistischen Mächte unterstützen Israels Verbrechen als „Lösung dessen, was sie als das Palästinenserproblem bezeichnen“, weil „die Palästinenser für die Menschen im Nahen Osten und der Welt ein historisches Symbol für Widerstand gegen imperialistische Unterdrückung sind. Und weil die USA entschlossen sind, sich ihre unangefochtene Hegemonie über die Region zu sichern.“

Weiter erklärte Scripps: „Einzig die SEP hat dafür gekämpft, diesen Völkermord und den drohenden regionalen Krieg im Rahmen einer imperialistischen Neuaufteilung der Welt zu verstehen. Er findet zeitgleich mit dem Krieg in der Ukraine statt, in dem bereits hunderttausende Menschen getötet wurden,und der sich zwangsläufig zu einer direkten Konfrontation zwischen der Nato und dem russischen Militär entwickelt.“ Dies werde „Sozialkürzungen und autoritäre Politik verschärfen“.

Scripps betonte: „Man kann gegen diese Kriege und Verbrechen nicht mit moralischen Appellen, Protestkandidaturen, Interessengruppen im Parlament oder den Institutionen der Vereinten Nationen kämpfen.“ Für diese Art der Politik stehe Jeremy Corbyn, „dessen fünfjährige Führung der Labour Party wir als Warnung davor ansehen, was passiert, wenn eine linke Bewegung der Arbeiter und Jugendlichen der Beschwichtigung der Rechten, der Diskussion mit der herrschenden Klasse und der Zusammenarbeit mit dem Kapitalismus untergeordnet wird.“

Als Reaktion auf die Frage, wie die „Anerkennung und Wiederherstellung des Staates Palästina“ erreicht werden solle, argumentierte Scripps: „Das ist nur in einem internationalen Kontext und mit einer grundlegend antiimperialistischen und antikapitalistischen Politik möglich.“ Israel wird nicht einfach nur unterstützt, weil „der israelische Staat eine starke Lobby hat“, sondern weil „die imperialistischen Mächte in dieser geostrategisch äußerst wichtigen Region der Welt ihre eigenen Interessen verfolgen.“

Die Beendigung des Völkermords und der Unterdrückung der Palästinenser erfordert die Mobilisierung „einer ausreichend großen und starken Kraft, und das sicherlich nicht, um Israel zu überreden, sondern um Israel und den Weltimperialismus zu besiegen.“

Dies erfordere die Wiederbelebung „marxistischer Traditionen auf der Grundlage des Wiederaufbaus der sozialistischen Bewegung und einer vereinten Bewegung der Arbeiter des Nahen Ostens – arabischer, israelischer, jüdischer und muslimischer – für ein sozialistisches Palästina, in dem allen volle demokratische und religiöse Rechte garantiert werden.“

Andrew Feinstein antwortete auf eine Frage nach der Verteidigung des National Health Service gegen Privatisierung, seiner Meinung nach sollten „gewisse Bereiche der menschlichen Aktivitäten nicht für Profit betrieben werden, und die Gesundheitsversorgung ist vielleicht die offensichtlichste“, beeilte sich aber hinzuzufügen: „Ich habe kein Problem mit der Existenz der Privatwirtschaft.“

Das Geld könne aus dem Verteidigungshaushalt genommen werden, sagte er, und führte diesen und die Existenz des britischen Atomwaffenprogramms auf „das Ausmaß der Korruption innerhalb des globalen Waffenhandels zurück, die in unsere Politik einfließt'.

Darauf antwortete Scripps unter Beifall: „Wie verteidigen wir den NHS? Unter anderem, indem wir die Labour Party so schnell wie möglich demolieren, da sie momentan die größte Bedrohung für ihn ist.“ Dass Milliarden für den Krieg statt für öffentliche Dienstleistungen bereitgestellt werden, ist „kein Fehler und nicht das Ergebnis irgendeines Größenwahns, sondern liegt daran, dass die herrschende Klasse in diesem Land sehr ernsthaft vom ‚Ende der Friedensdividende‘ spricht, dass sie Krieg in einem schrecklichen Ausmaß plant.“

Auf die Frage nach seiner Haltung zum Ukrainekrieg antwortete Scripps: „Der Ukrainekrieg, der von den USA, Großbritannien und den Nato-Mächten unterstützt wird, ist genauso wenig ein Krieg für Demokratie und Souveränität wie es Israel darum geht, die Geiseln zu retten und sich zu verteidigen.

Die Nato-Mächte haben den brutalen und verbrecherischen Überfall der Putin-Regierung auf die Ukraine – den sie durch die Nato-Osterweiterung und den Putsch von 2014, der eine radikal antirussische Regierung an die Macht gebracht hat, wissentlich provoziert haben – als Vorwand für die Finanzierung eines Stellvertreterkriegs ausgenutzt, um jetzt einen direkten Krieg zu beginnen.“

Sie benutzen Ukrainer „als Kanonenfutter, um die Putin-Regierung zu schwächen und unter Druck zu setzen, um sie zu Fall zu bringen und ein Marionettenregime an die Macht zu bringen, das ihren Interessen dient, wie sie es in so vielen anderen Ländern der Welt getan haben, deren Rohstoffe oder Territorien sie für sich beanspruchen.“

Den Krieg zu beenden, erfordere „einen Kampf für eine gemeinsame Antikriegsbewegung, wie wir ihn mit unseren Genossen in Russland und der Ukraine führen, gegen Putin, Selenskyj und die Nato-Mächte.“ Scripps wies auf die Inhaftierung des Genossen Bogdan Syrotjuk durch das Selenskyj-Regime hin und appellierte an die Anwesenden, die Kampagne zu seiner Freilassung zu unterstützen.

Feinstein, dessen Wahlprogramm weder die Ukraine noch die Nato erwähnt, machte deutlich, dass es sich dabei um eine politisch opportunistische Entscheidung handelt. Er akzeptierte zwar, dass der Ukrainekrieg „durch das Vorgehen der Nato provoziert wurde“ und dass das ukrainische Regime „unglaublich korrupt“ ist und über einen „harten Kern von Neonazis verfügt“. Dann betonte er aber unter Berufung auf „ein in einigen Punkten recht problematisches internationales Recht“, dass der „russische Überfall auf die Ukraine zweifellos illegal war und daher verurteilt werden sollte“. Das Vorgehen des Westens in Gaza lasse die Verurteilung Russlands allerdings als „heuchlerisch und bedeutungslos“ erscheinen. Den Krieg zu beenden, erfordere es, so Feinstein, „auf das tatsächliche Wesen der Nato, des Militarismus und der globalen nationalen Sicherheitseliten“ einzugehen, die vom Krieg profitierten.

Auf die Frage nach der Voreingenommenheit der Medien erklärte Scripps: „Man wird immer auf Widerstand der Mainstreammedien stoßen. Wenn man versucht, etwas Richtiges zu tun, stößt man auf ihren Widerstand. Das erste Prinzip der Politik muss für Euch sein: Man kann überzeugte Gegner nicht für sich gewinnen.“

Dies habe das Beispiel Corbyns „eindrücklich gezeigt“. Er hat „keine Gelegenheit verpasst, um zu betonen, dass wir alle miteinander zurechtkommen sollten und dass wir Dinge durch vernünftige Debatten klären können.“ Gleichzeitig haben führende Persönlichkeiten der Labour Party „behauptet, er sei ein Antisemit, und wollten seine Wahl verhindern. Teile des Militärs planten offen eine Meuterei und benutzten Bilder seines Gesichts als Zielscheiben.“

Heute „sind die Klassenspannungen viel weiter fortgeschritten. Die herrschende Klasse weiß das und stellt sich darauf ein. Deshalb gibt es beunruhigend viele Gesetze gegen Streiks und Proteste, weil sie weiß, dass eine Massenbewegung der Bevölkerung entstehen könnte. Und sie bereiten sich darauf vor.“

Die Arbeiterklasse müsse sich ebenfalls vorbereiten, indem sie eine eigene Partei gründet, die sich auf die „Perspektive des Sozialismus stützt, eine Perspektive, die im gesamten 20. und bis ins 21. Jahrhundert hinein erkämpft und erarbeitet wurde“.

Auf die Frage, wie er die Probleme, die er im Verlauf des Abends benannt habe, darunter „Korruption“, vom Kapitalismus und dem Profitsystem trennen wolle, und warum er das Profitsystem immer ausdrücklich verteidigt habe, antwortete Feinstein: „Grundlegende Änderungen im gesamten politischen und wirtschaftlichen System sind notwendig, aber ich werde völlig ehrlich zu Ihnen sein, ich weiß nicht, was die Lösung ist... Ich wünschte, ich könnte sagen, es gibt ein Wirtschaftssystem, das funktioniert hat, und dass es offensichtlich funktionieren würde, aber das ist meiner Meinung nach nicht der Fall... Wenn wir jetzt das ganze Modell abschaffen, möchte ich sehen, welches Modell wir als Ersatz nehmen.“

Antworten sollten „von der Gemeinschaft“ gefunden werden und Elemente dessen beinhalten, „was wir wirtschaftlich als Sozialismus verstehen würden. Aber hier haben viele Leute sehr unterschiedliche Ansichten davon, was Sozialismus ist.“

Auf die Frage, ob die SEP eine „realistische Option für die Absetzung von Keir Starmer“ sei, antwortete Scripps: „Ja, weil wir die einzige Partei sind, die eine konsequente Kampagne gegen die Labour-Partei und alle ihre Fraktionen geführt hat, einschließlich der Labour-Linken, die so lange die Rolle gespielt hat, diejenigen zusammenzutrommeln, die mit dieser rechten, kriegstreiberischen Partei unzufrieden und von ihr entfremdet waren. Sie haben andauernd behauptet, dass Labour irgendwie ein Vehikel für etwas anderes werden könnte.

Wir haben das immer abgelehnt und werden es weiterhin ablehnen., Unser Programm ist das einzige, mit dem das politische Monster besiegt werden kann, das nicht nur aus Starmer, sondern der ganzen Labour Party besteht.“

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