Rheinmetall, der zweitgrößte deutsche Rüstungskonzern, wird Sponsor beim Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund. Das wurde Ende Mai bekannt. Das Millionen-Sponsoring ist ein wichtiger Schritt beim Bemühen der herrschenden Klasse, Krieg und Militarismus wieder in die Mitte der deutschen Gesellschaft zu tragen.
Dem Verein zufolge umfasst der Vertrag „die Nutzung reichweitenstarker Werbeflächen, Vermarktungsrechte sowie Event- und Hospitality-Angebote im Stadion sowie auf dem Vereinsgelände“. Ausgenommen ist nur die Trikotwerbung, die weiter beim bisherigen Sponsor, dem Chemiekonzern Evonik liegt. Sie hätte dem Verein freilich auch eine große Angriffsfläche geboten, etwa durch mögliche Boykott-Aktionen beim Kauf von Fan-Trikots.
Der BVB wird mit dem über drei Jahre laufenden Sponsorenvertrag laut Handelsblatt satte 20 Millionen Euro einnehmen. Doch in politischer Hinsicht sind die finanziellen Fragen eher zweitrangig. Der Einstieg eines Rüstungskonzerns in die öffentliche Wahrnehmung eines der größten und populärsten Sportvereine des Landes dient ganz gezielt dazu, die deutsche Öffentlichkeit an die Allgegenwärtigkeit von Aufrüstung, Nationalismus, Krieg, Töten und Sterben zu gewöhnen.
Daran lassen die Äußerungen des Vereins, seiner Offiziellen und führender deutscher Politiker keinerlei Zweifel. Schon die offizielle Pressemitteilung von Borussia Dortmund stand unter der Überschrift: „Taking Responsibility: Rheinmetall wird ,Champion Partner‘ des BVB.“
Dortmunds Präsident Hans-Joachim Watzke wird mit den Worten zitiert: „Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen. Gerade heute, da wir jeden Tag erleben, wie Freiheit in Europa verteidigt werden muss. Mit dieser neuen Normalität sollten wir uns auseinandersetzen. Wir freuen uns auf die Partnerschaft mit Rheinmetall und öffnen uns als Borussia Dortmund ganz bewusst für einen Diskurs.“
Dass dieser „Diskurs“ aber auch gar nichts mit „Demokratie“ zu tun hat, in deren Namen er geführt wird, zeigt schon ein Blick auf die Aktivitäten Rheinmetalls in den vergangenen Jahren: der Konzern verdient gegenwärtig Milliarden daran, Waffen und Munition an das Selenskyj-Regime in Kiew zu liefern, das sich zur Tradition von Nazi-Kollaborateuren aus dem Zweiten Weltkrieg bekennt. Sie dienen dazu, den Stellvertreter-Krieg der Nato gegen Russland zu befeuern.
Dementsprechend offen unterstützt auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Einstieg von Rheinmetall als Werbepartner. „Die ja eingeübte und auch verständliche Zurückhaltung“ im Umgang mit der Rüstungsbranche sei nicht mehr haltbar und richtig. „Insofern spiegelt dieses Sponsorship sicherlich auch ein Stück weit die Realität der Zeitenwende wider.“
Im vergangenen Jahr erzielte Rheinmetall einen Umsatz in Höhe von 7,2 Milliarden Euro, der operative Gewinn lag im selben Jahr bei 897 Millionen Euro. Seit 2023 ist der Konzern im größten deutschen Aktienindex DAX gelistet. Der Aktienkurs des Unternehmens ist seit Beginn des Ukrainekriegs um das Fünffache gestiegen.
„Mit umfangreichen Lieferungen und Unterstützungsleistungen für die Ukraine ist Rheinmetall inzwischen der wichtigste rüstungsindustrielle Partner des Landes bei seinem Abwehrkampf gegen die russische Aggression“, rühmt sich der Konzern auf seiner Website.
Damit nicht genug: Gemeinsam mit dem ukrainischen Staatskonzern Ukrainian Defense Industry JSC (früher: Ukroboronprom) wurde im Oktober 2023 ein Gemeinschaftsunternehmen für eine Fabrik im Westen des Landes gegründet: die Rheinmetall Ukrainian Defense Industry LLC. Während hier zunächst Einsatzfahrzeuge gewartet und instandgesetzt werden sollten, steht als nächster Schritt auch die Fertigung von Transport-, Schützen- oder Kampfpanzern an. Inzwischen gilt Rheinmetall auch dank milliardenschwerer Zukäufe als größter Munitionsproduzent der Welt.
Wie der TV-Sender Sport1 auf seiner Website schreibt, soll sich der BVB vor der Zustimmung zu dem finanziell lukrativen Deal mit dem Waffenhersteller „Einschätzungen von verschiedensten Spitzenpolitikern eingeholt haben“. Es war daher wohl auch kein Zufall, dass am Samstagabend beim Champions-League-Finale im Londoner Wembley-Stadion direkt neben BVB-Boss Watzke CDU-Parteichef Friedrich Merz auf der VIP-Tribüne saß.
Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesliga, dass ein Rüstungskonzern offen im Rahmen des Profifußballs wirbt. Bemerkenswert – und geradezu perfide – ist vor allem, dass der millionenschwere Deal ausgerechnet mit Borussia Dortmund abgeschlossen wurde.
Der BVB ist einer der beliebtesten Fußballvereine überhaupt, er hat unter sämtlichen Profivereinen Europas den höchsten Zuschauerschnitt. Auf der Südtribüne, der größten Stehplatztribüne Europas, sind seit Jahren keine Tageskarten mehr erhältlich, weil die 25.000 Dauerkarten von Generation zu Generation weitergegeben werden.
1909 von Arbeitern gegründet, galt der BVB neben dem Lokalrivalen FC Schalke 04 aus Gelsenkirchen jahrzehntelang als sportliches Aushängeschild des Ruhrgebiets. Am letzten Samstag waren allein im Londoner Wembley-Stadion mindestens 25.000 BVB-Anhänger vor Ort, um ihre Mannschaft im Finale der Champions League gegen Real Madrid zu unterstützen.
Anders als der FC Bayern, dessen führende Ultra-Gruppe sich bezeichnenderweise selbstironisch „Schickeria“ nennt, oder RB Leipzig, das unter der Mehrheit der Fußballfans als Retortenprodukt des österreichischen Getränkeherstellers Red Bull verschrien ist, galt der BVB trotz aller Millionengeschäfte stets als Verein, mit dem sich viele Fußballfans positiv identifizieren konnten.
Man darf annehmen, dass gerade dies einer der Gründe war, weshalb hier, offenbar von langer Hand geplant, ein solch weitreichender Deal eingefädelt wurde.
Natürlich ist der deutsche Profifußball mit seinen sechs Millionen aktiven Mitgliedern im DFB ein komplexes Phänomen und keineswegs frei von rechten Fans oder nationalistischen Auswüchsen. Doch anders als noch in den 1980er oder 90er Jahren, als auch in Dortmund während des Spiels Nazi-Gesänge wie das berüchtigte U-Bahn-Lied zu hören waren, gestaltet sich die Fußball- und Fankultur heute oft wesentlich kritischer und differenzierter.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Bestes Beispiel nach Beginn des Ukraine-Kriegs ist wohl die spontane Aktion des Platzwarts von Bundesligist VfL Wolfsburg, der dem vielgeteilten Wunsch nach Frieden sichtbaren Ausdruck gab, indem er den Mittelkreis im Stadion mit weißer Farbe zu einem Peace-Zeichen erweiterte – ein Akt, der bald darauf zahlreiche Nachahmer fand und noch heute weltweit in Fußballstadien zu sehen ist.
Es ist diese weit verbreitete Anti-Kriegs-Haltung, gegen die sich der Sponsorenvertrag von Rheinmetall und Borussia Dortmund richtet. Er ist Teil der Bemühungen der herrschenden Klasse, die gesamte Gesellschaft wieder dem Diktat des Militarismus und der Großmachtpläne des deutschen Imperialismus zu unterwerfen.
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs vor zwei Jahren vergeht kaum ein Tag, an dem nicht führende Politiker eine Eskalation hin zu einem dritten Weltkrieg fordern. Stellvertretend dafür steht die Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht und der Ruf nach Beseitigung der Zivilklausel an den Unis. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will Krieg zum Bestandteil des Lehrplans machen, fordert ein „unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr“ und beabsichtigt, Jugendoffiziere in die Schulen zu schicken.
Entsprechend heftig waren seitens der Fans die Reaktionen im Netz.
„Eigentlich müssten alle BVB-Fans auf die Barrikaden gehen & Aktionen starten. Ein Sponsoren-Deal, in den heutigen Zeiten, mit einem der größten Waffenhersteller Deutschlands, ist ein Skandal. Wer Geld von Waffenherstellern nimmt, die für Blut & Leid verantwortlich sind, kann nichts Gutes im Sinne haben“, schrieb der Journalist Manaf Hassan.
Philipp Köster, Redakteur beim Fußball-Kulturmagazin 11Freunde, schrieb auf X mit Verweis auf die BVB-Homepage: „Kann man Gedenkstättenfahrten nach Lublin und Auschwitz anbieten und dann stolz einen Sponsor präsentieren, der die Waffen für Hitlers Vernichtungskrieg lieferte und sich bis heute um eine substantielle Aufarbeitung seiner Rolle in der Nazizeit herumdrückt?“
Tatsächlich hatte Rheinmetall bereits in den 1930er und 40er Jahren massiv von Hitlers Aufrüstung profitiert. Der Konzern beschäftigte Tausende von Zwangsarbeitern und musste sich nach dem Krieg nie seiner Verantwortung stellen.
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Es mag sein, dass es das Kalkül der beteiligten Akteure war, den Deal erst nach Ende der laufenden Saison zu verkünden. Doch spätestens mit dem Auftakt zur neuen Bundesliga-Saison Ende August ist seitens der Fanszenen mit massiven Protesten zu rechnen.