In diesem Jahr jährte sich zum 50. Mal die Nelkenrevolution in Portugal. Ein Militärputsch am 25. April 1974, der den „Estado Novo“ (Neuen Staat) des faschistischen Diktators António Salazar zu Fall brachte, wurde zum Auslöser einer Massenbewegung der Arbeiterklasse, die zu einer Doppelherrschaft führte und eine Revolution in greifbare Nähe rückte. Die Arbeiter forderten nicht nur das Ende des Faschismus, sondern auch das Ende des Kapitalismus und den Übergang zum Sozialismus.
Ein Sieg dieser Revolution hätte dem internationalen Kapital einen mächtigen Schlag versetzt und revolutionäre Bewegungen in ganz Europa und der Welt inspiriert.
Doch der Verrat der Sozialdemokratie (Partido Socialista Português, PS) und des Stalinismus (Partido Comunista Português, PCP) sicherten dem Kapitalismus das Überleben. Unterstützt wurden diese Parteien von diversen pseudolinken Organisationen, die als sekundäre Agenturen des Imperialismus fungierten. Viele dieser Organisationen schlossen sich später zum Linken Block (Bloco de Esquerda, BE) zusammen.
Die Revolution in Portugal war ein besonders ausgeprägter Bestandteil der internationalen Klassenkämpfe, die im Mai-Juni 1968 mit militanten Studentenprotesten und einem zweiwöchigen Generalstreik in Frankreich begannen und sieben Jahre lang andauerten. In dieser Zeit wurden die faschistischen Regime in Spanien und Griechenland gestürzt, und in Großbritannien wurde die konservative Regierung Heath durch einen Bergarbeiterstreik zu Fall gebracht. In den USA führten der massive Widerstand gegen den Vietnamkrieg, große Arbeitskämpfe und die Zuspitzung der politische Krise 1974 zum Rücktritt von Präsident Richard Nixon.
Der folgende Artikel wurde erstmals anlässlich des 30. Jahrestags der Nelkenrevolution veröffentlicht. Er zeigt auf, wie die Sozialistische Partei (PS) und die Portugiesische Kommunistische Partei (PCP) diese Revolution in eine Niederlage führten und wie sie dabei von pseudolinken Gruppen unterstützt wurden, die an den Rockschößen der großen Gewerkschaftsbürokratien hingen.
Die Arbeiterklasse hat für die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Herrschaft in Portugal und international einen hohen Preis gezahlt. Sie musste jahrzehntelange Angriffe auf ihren Lebensstandard und ihre sozialen Rechte erdulden.
Keines der grundlegenden Probleme, die mit der kapitalistischen Ausbeutung und der sich vertiefenden sozialen Ungleichheit verbunden sind, wurde gelöst. Mit dem Stellvertreterkrieg gegen Russland, der Unterstützung für den Völkermord Israels an den Palästinensern und der Vorbereitung eines regionalen Kriegs gegen den Iran und eines Kriegs gegen China machen die Nato-Mächte Weltkrieg, Völkermord und den Einsatz von Atomwaffen zur neuen Normalität. Die Schrecken des 20. Jahrhunderts kehren zurück.
Faschistische und autoritäre Bewegungen sind rund um den Globus wieder Teil des politischen Spektrums und werden von den herrschenden Eliten aktiv gefördert. In Portugal wurde die erst vor fünf Jahren gegründete rechtspopulistische Chega-Partei, die politische Erbin des Diktators Salazar, bei den Wahlen im März zur drittgrößten Partei des Landes.
Die Tatsache, dass ausgerechnet die extreme Rechte von der Wirtschaftskrise und dem rapiden Verfall des Lebensstandard profitiert, ist das Ergebnis der politischen Unterdrückung der Arbeiterklasse durch die Sozialdemokratie, den Stalinismus und die Pseudolinke, die den revolutionären Sturz des Kapitalismus rundheraus ablehnen.
Seit 1975 sind all diese Tendenzen immer weiter nach rechts gerückt. Die Sozialdemokratie hat ihre letzten Verbindungen zum Reformismus gekappt und rigorose Sparmaßnahmen durchgesetzt. Nach der konterrevolutionären Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion sind die politischen Überbleibsel des Stalinismus zu offenen Verteidigern des Kapitalismus geworden. Die Pseudolinken haben darauf mit der Gründung verschiedener „linkspopulistischer“ Parteien im Bündnis mit stalinistischen und sozialdemokratischen Strömungen, wie dem Linksblock, reagiert.
Während sie sowohl in der Opposition als auch in der Regierung eine antikapitalistische Rhetorik verbreiten, haben der Linksblock (Bloco de Esquerda) in Portugal, Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien die Interessen der herrschenden Klasse mit aller Brutalität durchgesetzt.
Wie bereits während der Nelkenrevolution spricht die Pseudolinke heute nicht für die Arbeiterklasse, sondern für die wohlhabende Mittelschicht in der akademischen Welt, bei den Besserverdienern in freien Berufen und in der Gewerkschaftsbürokratie, die vor allem damit beschäftigt sind, ihre eigene privilegierte Existenz als Verteidiger des Profitsystems zu bewahren.
Die Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen Krieg, Völkermord und rechtsextremen Autoritarismus erfordert den Aufbau einer neuen, marxistischen, revolutionären internationalistischen Führung in der Arbeiterklasse. Dazu ist es notwendig, die Arbeiter, insbesondere die jüngere Generation, mit den wesentlichen Lehren aus den historischen Kämpfen der Arbeiterklasse zu bewaffnen. Die politische Grundlage für einen solchen Kampf ist die ungebrochene Kontinuität der Verteidigung des Trotzkismus durch das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI).
Diese überarbeitete Fassung der dreiteiligen Serie über die Nelkenrevolution von Paul Mitchell, die ursprünglich im Juli 2004 auf der World Socialist Web Site veröffentlicht wurde, ist ein wesentliches Element der politischen Bildung für revolutionäre Kader, die sich die Aufgabe stellen, der imperialistischen Barbarei endlich ein Ende zu setzen.
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In diesem Jahr [2004] findet der 30. Jahrestag der portugiesischen Nelkenrevolution statt. Nach einem Militärputsch am 25. April 1974 war eine Massenbewegung der Arbeiterklasse ausgebrochen. Doch der herrschenden Elite gelang es, die Revolution zu verhindern, indem sie sich der Sozialistischen Partei (PS – Partido Socialista Português), der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP – Partido Comunista Português) und pseudolinker Gruppen bediente.
Eine Schlüsselrolle bei diesen Ereignissen spielte Mário Soares, Führer der PS während der Revolution und Präsident von Portugal von 1986 bis 1996. In einer Rede zu Beginn des Jahres 2004 warnte Soares, dass Portugal heute ein Land sei, das „ein sehr ungleiches System der Verteilung des Reichtums“ aufweise und „einer Atmosphäre des offenen Protests und sogar sozialer und politischer Spannungen“ ausgesetzt sei.
Portugal ist nach wie vor eines der ärmsten Länder Europas.
Soares fuhr fort: „Erneut befindet sich Portugal in einer tiefen Krise, in der bestimmte Eliten nicht wissen, was der richtige Weg ist. Die überwältigende Mehrheit der Portugiesen spürt deutlich die Ungleichheit und die Tragödie der steigenden Arbeitslosigkeit in einer Gesellschaft, deren Horizont sich verfinstert.“
Angesichts der Aufforderung von José Manuel Durao Barroso, dem Ministerpräsidenten der Sozialdemokratischen Partei (PSD), das portugiesische Volk solle die Revolution vergessen und die „Entwicklung“ Portugals feiern, ermahnte Soares die herrschende Elite, sich an die Lehren aus 1974 zu erinnern. Er warnte davor, dass die brachialen Privatisierungen, die Arbeitsreformen und die Kürzungen von Sozialleistungen (die unter seiner eigenen Präsidentschaft eingeleitet worden waren) sowie die Bekräftigung der imperialen Vergangenheit Portugals und die Auswirkungen der Unterstützung des Irakkriegs eine neue soziale Explosion auslösen könnten.
Die Wurzeln der Revolution
Die Revolution von 1974 wurde davon geprägt, dass Portugal mit Verspätung in die internationale Entwicklung des Kapitalismus und Imperialismus eintrat.
Seit dem 15. Jahrhundert hatte Portugal ein Kolonialreich aufgebaut, das eine privilegierte Elite hervorbrachte, die kaum produktiv tätig war. Mit dem Aufstieg von Konkurrenten auf der Weltbühne, insbesondere Großbritanniens, wurden Portugals koloniale Besitztümer bedroht. Die Kriege auf der Iberischen Halbinsel (1807-1814), in denen Napoleon Spanien und Portugal angriff und das Land sich bei Großbritannien verschuldete, führten zu einer weiteren Schwächung des portugiesischen Kolonialismus. Brasilien wurde 1822 unabhängig, und es wurden Truppen benötigt, um Portugals verbleibende Kolonien vor seinen Rivalen zu schützen.
Mit der „anglo-portugiesischen Allianz“ übernahm Großbritannien die Vorherrschaft im portugiesischen Handel. Teile des Kleinbürgertums wurden ruiniert, und die Industrialisierung schritt nur langsam voran. Die Unzufriedenheit im Kleinbürgertum löste von 1810 bis 1836 große Freiheitskämpfe aus, deren Ergebnis sich jedoch auf die Aufteilung einiger großer Landgüter beschränkte. Die portugiesische Monarchie wurde erst in der Revolution von 1910 gestürzt.
In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) geriet der globale Kapitalismus in eine enorme Krise. Diese Instabilität spiegelte sich auch in Portugal wider, das von 1910 und 1926 – der Zeit der Ersten Republik – acht Präsidenten und 45 Regierungen verschliss.
Bei Kriegsende arbeiteten von den 6 Millionen Einwohnern Portugals nur 130.000 in der Industrie, hauptsächlich in kleinen Betrieben. Wie in Russland war die Arbeiterklasse äußerst militant und trat 1917 in einen Generalstreik. Zwei Mal verhängte die Regierung den Ausnahmezustand. Im Jahr 1921 wurde die Portugiesische Kommunistische Partei gegründet.
Die Instabilität und die Bedrohung der bürgerlichen Herrschaft durch eine revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse führten am 28. Mai 1926 zu einem Rechtsputsch. Zwei Jahre später wurde António de Oliveira Salazar, ein Dozent für Wirtschaftswissenschaften, zunächst zum Finanzminister und dann zum Premierminister ernannt. Als direkte Reaktion auf die anhaltenden Kämpfe der Arbeiterklasse, die 1934 in einem fünftägigen Aufstand gipfelten, rief Salazar seinen „Estado Novo“ (Neuer Staat) aus.
Nur die offizielle faschistische Partei war legal – die Nationale Union (UN-União Nacional), später umbenannt in Nationale Volksaktionspartei (ANP-Acção Nacional Popular).
Unabhängige Gewerkschaften und Streiks wurden verboten, und die Arbeiter wurden in staatliche Betriebsgewerkschaften (Sindicatos) gezwungen. Salazar führte eine strenge Zensur ein und schuf eine Geheimpolizei, die PIDE (Polícia Internacional de Defesa do Estado), die Regimegegner verhaften oder töten sollte.
Die wichtigste Funktion des Salazar-Regimes für die herrschende Elite Portugals bestand darin, zu verhindern, dass sich im eigenen Land ein Kampf der Arbeiterklasse entwickelte und in den Kolonien eine Opposition heranbildete. Der begrenzte nationale Charakter von Salazars Zwangsherrschaft konnte das Land allerdings nicht von der Weltwirtschaft isolieren. Ein großer Teil der Produktion hing von der Nachfrage auf dem Weltmarkt ab, und ein Großteil der Fertigwaren musste importiert werden. In den 1960er Jahren verdreifachten sich die ausländischen Investitionen in Portugal, hauptsächlich aus den Vereinigten Staaten. Das Ergebnis war eine extreme Konzentration des Reichtums.
1973 gab es in Portugal etwa 42.000 Unternehmen – ein Drittel von ihnen hatte weniger als 10 Beschäftigte –, aber etwa 150 Unternehmen beherrschten die gesamte Volkswirtschaft. Die meisten waren mit ausländischem Kapital verbunden, wurden aber von einigen sehr wohlhabenden portugiesischen Familien geführt (Espirito Santo, de Melo, de Brito, Champalimaud). Das Monopolunternehmen Companhia União Fabril (CUF) der Familie de Melos beispielsweise besaß große Teile von Guinea-Bissau und produzierte 10 Prozent des Bruttosozialprodukts.
Trotz dieser Industrialisierung arbeitete ein Drittel der Bevölkerung immer noch als Landarbeiter, viele davon auf großen Ländereien oder Latifundien. Schätzungsweise 150.000 Menschen lebten in Barackensiedlungen rund um die Hauptstadt Lissabon. Nahrungsmittelknappheit und wirtschaftliche Not – die Löhne waren mit 10 US-Dollar pro Woche in den 1960er Jahren die niedrigsten in Europa – führten zu einer Massenauswanderung von fast 1 Million Menschen in andere europäische Länder, nach Brasilien oder in die Kolonien.
Außerdem entstanden in den 1960er Jahren Befreiungsbewegungen in den portugiesischen afrikanischen Kolonien Angola, Mosambik und Guinea-Bissau. Der Kampf gegen drei Guerillabewegungen, der mehr als zehn Jahre dauerte, zehrte an der portugiesischen Wirtschaft und den Arbeitskräften. Fast die Hälfte des Staatshaushalts wurde für den Unterhalt von mehr als 150.000 Soldaten in Afrika ausgegeben. Die vierjährige Wehrpflicht in Verbindung mit dem geringen Sold und den schlechten Bedingungen für das Militär führte zu Unzufriedenheit und zur Entwicklung oppositioneller Bewegungen unter den Soldaten. Diese Wehrpflichtigen bildeten die Grundlage für das Entstehen einer Untergrundbewegung, die als „Bewegung der Hauptleute“ (Movimento dos Capitães) bekannt wurde.
Die anhaltende wirtschaftliche Auszehrung durch das militärische Eingreifen in Afrika wurde durch die Weltwirtschaftskrise Ende der 1960er Jahre noch verschärft.
Mit dem Bretton-Woods-Abkommen von 1944 hatte der US-Imperialismus seine europäischen und japanischen Konkurrenten gezwungenermaßen vor dem Zusammenbruch bewahrt, weil er befürchtete, dass ansonsten eine soziale Revolution ausbrechen würde.
Unter amerikanischer Schirmherrschaft und gestützt auf die wirtschaftliche und militärische Macht der USA wurde eine Reihe von Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) geschaffen, mit deren Hilfe die Wirtschaft durch massive Kapitalspritzen in Form von Krediten angekurbelt wurde.
Der Eckpfeiler des Währungssystems dieser internationalen Ordnung war die Umtauschbarkeit des Dollars in Gold zu einem garantierten Kurs (35 US-Dollar für eine Unze Gold). Dieser Finanzierung des Welthandels waren die USA jedoch langfristig nicht gewachsen. Das Zahlungsbilanzdefizit der USA wuchs, verschärft durch den Krieg in Vietnam, und die Goldreserven schrumpften. Da er die Konvertierbarkeit in Gold nicht aufrechterhalten konnte, hob Präsident Richard Nixon am 15. August 1971 die Gold-Dollar-Bindung auf und brachte damit das Bretton-Woods-System zum Einsturz. In den Jahren 1973-1975 folgten die schwerste weltweite Rezession seit den 1930er Jahren sowie eine enorme Verschärfung des Klassenkampfs in einem Land nach dem anderen.
Die Revolution in Portugal hätte sich als Teil eines allgemeinen europäischen und weltweiten Kampfs der Arbeiterklasse für den Sozialismus entwickeln können. Doch stattdessen wurde das Überleben des Kapitalismus durch den Verrat der Sozialdemokratie und des Stalinismus gesichert, unterstützt und gefördert von kleinbürgerlichen Pseudolinken.
Vorbereitungen auf einen Staatsstreich
Angesichts der Aufstände in den Kolonien und einer Streikwelle in Portugal versuchten die Militärs, den Kapitalismus zu schützen und die Offensive der Arbeiter und Bauern zu stoppen.
Im Februar 1974 veröffentlichte General António de Spínola, der stellvertretende Befehlshaber der Armee und Direktor von zwei der größten portugiesischen Monopole (darunter der Chemiekonzern CUF) ein Buch mit dem Titel „Portugal y el futuro“ (Portugal und die Zukunft). Darin kritisierte er die Afrika-Politik des Nachfolgers von Salazar, Marcello Caetano, und befürwortete die Förderung einer gemäßigten schwarzen Elite, die sich von den Nationalisten abspalten könnte. Caetano verbot das Buch und entließ Spínola und den Befehlshaber der Armee, General Costa Gomes, der die Veröffentlichung genehmigt hatte.
Im selben Monat kam es in Caldas da Rainha im Norden des Landes zu einem Aufstand, der allerdings scheiterte. In einem Manifest der Bewegung der Hauptleute vom 18. März wurden Spínola und Gomes beglückwünscht und den Truppen in Caldas da Rainha volle Unterstützung zugesichert: „Ihre Sache ist unsere Sache.“
Die Führer der Bewegung der Hauptleute besprachen das Manifest mit Spínola und Gomes und planten einen Staatsstreich für den 25. April 1974.
An diesem Tag verkündete die Bewegung der Streitkräfte (MFA – Movimento das Forças Armadas), wie die Bewegung der Hauptleute nun hieß, dass sie beschlossen habe, „die Wünsche des Volkes auszulegen“ und Caetano zu stürzen. Caetano selbst bat Spínola, das Land davor zu bewahren, „in die Hände des Pöbels zu fallen“. Das Ergebnis war die Bildung der „Junta der Nationalen Rettung“ (JSN – Junta da Salvação Nacional), die sich ausschließlich aus hochrangigen Militärs zusammensetzte und deren Leitung Spínola übernahm.
Spínola beabsichtigte, den Staatsstreich auf eine einfache „Erneuerung“ (Renovação) zu beschränken, aber der Staatsstreich brachte sofort die Massen auf die Straße, die weiter gehende Veränderungen forderten. Die wütende Menge forderte eine „Abrechnung“ (Saneamento) mit den Beamten und Anhängern des alten Regimes, und mehrere Mitglieder der Geheimpolizei PIDE wurden getötet. Die Arbeiter begannen, Fabriken, Büros und Geschäfte zu besetzen, und die Bauern besetzten das Land. Eine Woche später zog halbe Million Menschen am Maifeiertag durch Lissabon. Die revolutionäre Stimmung griff auch auf die Streitkräfte über: Soldaten und Matrosen marschierten an der Seite der Arbeiter und trugen Transparente mit der Forderung nach Sozialismus.
Zuvor verbotene Parteien tauchten aus dem Untergrund oder dem Exil auf, darunter die Portugiesische Kommunistische Partei (PCP) unter der Führung von Álvaro Cunhal und die Sozialistische Partei (PS) unter der Führung von Mário Soares. Die klügeren Vertreter der herrschenden Klasse wussten, dass diese Parteien eine entscheidende Rolle spielen mussten, um eine Revolution zu verhindern.[1]
Eine der zentralen Fragen der Revolution betraf den Charakter der Bewegung der Streitkräfte (MFA) und ihres Kontinentalen Operationskommandos (COPCON-Comando Operacional do Continente), das aus 5.000 Elitesoldaten bestand und dessen Kommandeur Otelo Saraiva de Carvalho war.
Die MFA verbreitete die Vorstellung einer „Allianz der MFA und des Volkes“. Die PS, die PCP und die pseudolinken Gruppen stellten diese grobe Lüge niemals in Frage. Stattdessen erklärte die PCP die MFA zum „Garanten der Demokratie“ und knüpfte enge Beziehungen zu Carvalho, General Vasco Goncalves und anderen Mitgliedern der Junta an.
Nur das Internationale Komitee der Vierten Internationale und seine portugiesischen Unterstützer, die Liga für den Aufbau der Revolutionären Partei (LCRP), forderten die PCP und die PS auf, sich von den bürgerlichen Parteien, dem Staatsapparat und der MFA zu lösen. Sie forderten die Auflösung der Armee und die Schaffung von Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräten in Opposition zur MFA und deren Vorschlägen für eine verfassungsgebende Versammlung.
Die erste provisorische Regierung
Spínola ernannte am 16. Mai 1974 die erste provisorische Regierung, die aus sieben Militärministern und je zwei Vertretern der PCP, der PS und der halbfaschistischen Demokratischen Volkspartei (PPD, Partido Popular Democrático) bestand. Die PPD war kurz nach Ausbruch der Revolution gegründet worden, und ihr Führer Francisco de Sá Carneiro, der Abgeordneter in Caetanos Regierung gewesen war, akzeptierte die Aufnahme der PCP in die provisorische Regierung, da er wusste, welche wichtige Rolle sie für die Kontrolle der Arbeiteropposition spielen konnte.
Während der gesamten Revolution klammerte sich die PCP über die MFA an den Staatsapparat und fesselte so die Arbeiterklasse an die herrschenden Eliten.
Um die Arbeitsdisziplin durchzusetzen und das Sparprogramm der MFA im „Kampf um die Produktion“ umzusetzen, wurde der PCP-Führer Álvaro Cunhal zum Minister ohne Geschäftsbereich ernannt, und Avelino Gonçalves von der PCP wurde Arbeitsminister. Diesen Posten erhielt die PCP auch in den folgenden provisorischen Regierungen, da sie die Arbeiter zur „Rettung der nationalen Wirtschaft“ aufforderte und jede Manifestation unabhängiger Aktivitäten der Arbeiterklasse verurteilte.
Ebenso gehörte die Portugiesische Kommunistische Partei (PCP) dem Regierungsrat der Bewegung der Streitkräfte (MFA) an.
Die MFA entwickelte sich zum wichtigsten Entscheidungsgremium des Landes. Ihre Führung lag beim „Rat der Zwanzig“, dessen Beschlüsse in der Regel von den 240 Delegierten der Generalversammlung ratifiziert werden mussten. Mitglieder des Rats der Zwanzig waren der Präsident und die sechs anderen Mitglieder der Junta der Nationalen Rettung (JSN), die fünf Militärminister (der Premierminister, zwei Minister ohne Geschäftsbereich, der Innenminister und der Arbeitsminister) sowie Otelo Saraiva de Carvalho, der Befehlshaber der „Kontinentalen Operationskommandos“, COPCON. Während der gesamten Revolution versprachen die COPCON-Führer, die Arbeiterklasse „irgendwann“ zu bewaffnen, doch ihre eigentliche Aufgabe bestand darin, die Bildung von Bürgerwehren oder Arbeitermilizen zu verhindern.
Das politische Programm der MFA sah die Bildung einer provisorischen Regierung vor, die Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung abhalten sollte, die wiederum mit der Ausarbeitung einer Verfassung beauftragt werden sollte.
Der Aufstieg der MFA ist der Kommunistischen Partei (PCP) zu verdanken, die die Illusion der „Allianz von MFA und Volk“ propagierte und sogenannte linke Militärgeneräle wie Carvalho und Vasco Gonçalves verherrlichte. Die PCP erklärte: „Die MFA ist die treibende Kraft und der Garant unserer Revolution ... Die PCP ist der Ansicht, dass das Bündnis zwischen der Volksbewegung und der MFA ein notwendiger und entscheidender Faktor für die Errichtung eines demokratischen Regimes ist, eine Hauptgarantie für die Entwicklung des revolutionären Prozesses.“
Zum Zeitpunkt des Staatsstreichs im April 1974 hatte die PS nicht mehr als 200 Mitglieder. Im darauf folgenden Jahr war sie auf 60.000 Mitglieder angewachsen, hauptsächlich Angestellte und hoch qualifizierte Personen. Ihr Wachstum verdankte sie dem schäbigen Verhalten der PCP und pseudolinker Gruppen sowie der Unterstützung durch die Westmächte.
Die PCP stärkte den rechten Flügel in Portugal, indem sie die Arbeiterklasse durch ihre Zusammenarbeit mit der MFA spaltete, die die Zeitung Republica der PS beschlagnahmte und Versammlungen der PS tätlich angriff. Indem sie die Streiks der Arbeiter anprangerte, eine monolithische Gewerkschaft unter ihrer Kontrolle forderte und die Militärdiktatur der MFA unterstützte, ermöglichte es die PCP dem PS-Führer Mário Soares, sich als radikaler, demokratischer und sogar marxistischer als der KP-Vorsitzende Cunhal darzustellen.
Die westlichen Mächte fürchteten, dass Portugal – ein Gründungsmitglied der Nato – vor einer Revolution stand. US-Außenminister Henry Kissinger sagte zu Soares, dass er der „Kerenski [der russische Führer, dessen kurzlebige Herrschaft der bolschewistischen Revolution vorausging] Portugals“ zu werden drohe. Die Folge war ein Zustrom ausländischer Finanzhilfen für die PS, insbesondere von der britischen Labour Party und der französischen Sozialistischen Partei. Im Februar 1975 nahm Edward Kennedy an einer Gesprächsrunde mit den PS-Führern teil.
Auf dem ersten PS-Kongress im Dezember 1974 wurden brüderliche Grüße von sozialdemokratischen Parteien aus der ganzen Welt überbracht. Gastredner war Santiago Carillo, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Spaniens.
Das Antistreikgesetz
Nach dem Staatsstreich war es in allen Wirtschaftszweigen zu Streiks gekommen. Die Arbeiter bildeten Komitees, die einen Mindestlohn, die Verhaftung von Sympathisanten des Faschismus, die Kontrolle der Arbeiter und den Sozialismus forderten. Am 15. Mai 1974 besetzten 8.400 Arbeiter die Lisnave-Werften. Am 3. Juni streikten die Timex-Beschäftigten und setzten damit einen im November 1973 begonnenen Kampf fort, und zwei Wochen später streikten 25.000 CTT-Beschäftigte und legten den Post- und Telefondienst lahm. Die Arbeiter übernahmen die Zeitungen und füllten deren Seiten mit eigenen Manifesten.
Die ehemaligen Betriebsgewerkschaften, die die PCP über ihren Gewerkschaftsverband Intersindical übernommen hatte, verurteilten die Streiks als „unverantwortlich“ und ihre Forderungen als „unmöglich“ und organisierten eine Demonstration in Lissabon dagegen. Die Armee wurde eingesetzt, um den Streik bei Timex zu brechen und die Fabrik und ihre Maschinen zu schützen. Die Übertragung eines Kulturfestivals, bei dem die Theatergruppe Comuna die katholische Kirche angriff, wurde auf Anweisung „höherer Stellen“ abgeschaltet.
Der Verband der portugiesischen Industrie CIP (Confederação da Indústria Portuguesa) warnte, dass die Aktionen der Arbeiterklasse „gefährlich für die nationale Wirtschaft“ seien. Der CIP forderte nach außen hin eine Demokratie nach westlichem Vorbild, doch viele seiner Mitglieder finanzierten faschistische Parteien und Organisationen, darunter die von Salazar selbst gegründete Christdemokratische Partei (PDC). Der monopolistische Chemiekonzern CUF der Familie de Melo finanzierte die Partei Demokratisches und Soziales Zentrum CDS (Centro Democrático Social) – Vorläuferin der rechtsgerichteten Volkspartei, die heute an der Koalitionsregierung beteiligt ist).
Die CDS wurde von Freitas do Amaral, einem ehemaligen Berater des Diktators Caetano, gegründet und vom katholischen Opus Dei unterstützt. Diese Organisationen hatten jedoch keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Der erste CDS-Kongress im Januar 1975 musste aufgrund von Ausschreitungen abgebrochen werden. Weitere Kongresse wurden im Geheimen abgehalten.
Am 27. August 1974 führte die Provisorische Regierung ein Antistreikgesetz ein, an dessen Ausarbeitung die PCP und die PS beteiligt gewesen waren. Streiks waren nur noch zulässig, wenn sie als „im Sinne des Programms der MFA“ angesehen wurden. Für alle Streiks waren Urabstimmungen und eine 30-tägige Bedenkzeit vorgeschrieben. In wesentlichen Bereichen des öffentlichen Diensts waren keine Streiks erlaubt, und politische Streiks, Solidaritätsstreiks und Besetzungen waren verboten. Am nächsten Tag umstellten Armeeeinheiten, darunter COPCON, den Flughafen von Lissabon, den die Beschäftigten der staatlichen Fluggesellschaft Transportes Aéreos Portugueses (TAP) besetzt hatten. Beschäftigte, die sich weigerten, den Befehlen des Militärs Folge zu leisten, wurden verhaftet, und ihnen wurde mitgeteilt, dass sie nur unter der Bedingung wieder eingestellt würden, „dass sie sich nicht weiter an politischen Aktivitäten beteiligen“.
Zwei weitere Putsche
Das Verhalten der Sozialdemokraten und der Stalinisten verschaffte der Reaktion wieder Aufwind. Am 10. September 1974 rief Spínola die „schweigende Mehrheit ... auf, aufzuwachen und sich gegen den extremistischen Totalitarismus zu wehren“. Für zwei Wochen später wurde eine Demonstration angekündigt. Als dann Truppen verlegt und Radio- und Fernsehsender geschlossen wurden, errichteten die Arbeiter Barrikaden und vereitelten den Putschversuch. Doch Spínola durfte einfach als Präsident zurücktreten und wurde durch seinen alten Chef General Costa Gomes ersetzt.
Es wurde eine neue provisorische Regierung ohne Spínola und drei weitere Mitglieder der JNS gebildet, die bis zum nächsten Putschversuch der Rechten im März 1975 Bestand haben sollte.
Im Januar 1975 wurde eine Föderation der Arbeiterkomitees mit der Bezeichnung Inter-Empresas gegründet, der Beschäftigte von Timex, TAP, Lisnave und anderen Unternehmen angehörten. Eine ihrer ersten Aktionen war eine Demonstration gegen das Eintreffen von Nato-Schiffen im Hafen von Lissabon. Die provisorische Regierung verbot alle Demonstrationen und die PCP griff deren Organisatoren an. Trotzdem nahmen 40.000 Menschen daran teil.
Anschließend billigte die Regierung den Wirtschaftsplan von Major Ernesto Augusto Melo Antunes, einem Mitglied der „Gruppe der Neun“ (Offiziere, die der MFA angehörten). Die MFA machte sich diesen Plan zu eigen. Er schloss „die sozialdemokratische Kontrolle über die Leitung des Kapitalismus aus ... aber er schließt eine pluralistische Gesellschaft nicht aus ... der jetzt stattfindende Klassenkampf muss die alternative Rolle berücksichtigen, die die Mittelschichten jetzt spielen können.“
Der Plan forderte Teilverstaatlichungen, die Übernahme einiger großer und schlecht geführter Ländereien und verstärkte ausländische Investitionen.
Anfang März 1975 unternahm Spínola einen weiteren Putschversuch, der von Kissinger und dem US-Botschafter Frank Carlucci abgesegnet worden war, aber in letzter Minute meuterten seine Truppen. Spínola floh nach Spanien und dann nach Brasilien. Viele Geschäftsleute, die hinter dem Putschversuch standen, wurden verhaftet, darunter sieben Mitglieder der Familie Espirito Santo, Besitzer einer der größten portugiesischen Banken, und der de Melos. Bald jedoch wurden alle wieder freigelassen.
Die Junta der Nationalen Rettung (JNS) wurde aufgelöst und durch den Revolutionsrat ersetzt. Infolge des Widerstands der Arbeiterklasse wurde eine vierte provisorische Regierung gebildet, die die Geschäftsbanken verstaatlichte (nicht jedoch drei internationale Banken). Da es die Banken häufig Holdinggesellschaften unterhielten, übernahm die Regierung damit die Kontrolle über fast alle Zeitungen, Versicherungsgesellschaften, Hotels, Bauunternehmen und viele andere Unternehmen des Landes – entsprechend 70 Prozent des Bruttosozialprodukts des Landes. Der Mindestlohn wurde angehoben und eine Agrarreform versprochen.
Die Kommunistische Partei (PCP) erklärte gehorsamst, dass die Wirtschaft somit „im Dienste des Volkes“ verstaatlicht werde. In Wirklichkeit unterschied sich die vorgeschlagene kapitalistische Verstaatlichung nur dem Umfang nach von den Verstaatlichungen, die in den meisten westlichen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgt waren. Die wirtschaftliche und staatliche Macht lag nach wie vor in den Händen der Bourgeoisie, wenn auch zum Teil vermittels der sozialdemokratischen und stalinistischen Parteien. Die Verstaatlichungen zielten darauf ab, eine stabilere Infrastruktur und ein stabileres Umfeld für die Privatwirtschaft zu schaffen und die Macht der Arbeiterkomitees einzuschränken, indem die Unternehmensleitungen vom Staat eingesetzt wurden.
Die verfassungsgebende Versammlung
Am 25. April 1975 fanden die Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung statt, die eine Verfassung ausarbeiten sollte. Die PS erhielt fast 38 Prozent der Stimmen, die PPD 26,4 Prozent und die PCP 13 Prozent.
Nach den Wahlen, als keine Spur von den versprochenen Agrarreformen zu erkennen war, schlossen sich die Bewegungen auf dem Lande den Aufständen in den Städten an. Landlose Landarbeiter im Süden besetzten die großen landwirtschaftlichen Betriebe und begannen, sie kollektiv durch Organisationen wie das Rote Komitee von Alentejo zu betreiben. Die PCP bezeichnete die Besetzungen als „anarchistisch“ und verlangte, dass alle künftigen Besetzungen von den Gewerkschaften kontrolliert werden sollten (die sie ihrerseits kontrollierte).
Von Juni bis August 1975, nach dem Ausscheiden von PS und PPD aus der vierten provisorischen Regierung wegen der Republica-Affäre, hatten die PCP und ihre Verbündeten praktisch die Kontrolle über den Staat und die Ministerien inne. Die „Gonçalvisten“, wie der militärische Flügel der PCP genannt wurde, beherrschten den Revolutionsrat der MFA.
Die MFA und die PCP riefen eine „Front der revolutionären Einheit“ (FUR, Frente de Unidade Revolucionária) ins Leben, um den „Pakt“ zwischen der MFA und dem Volk zu institutionalisieren. Dies beinhaltete die Bildung lokaler Versammlungen, kommunaler Versammlungen und einer Nationalen Volksversammlung, die die provisorische Regierung ersetzen sollte. Der Vorschlag der MFA zielte darauf ab, die Kontrolle der bürgerlichen Offiziere zu festigen, den unabhängigen Charakter der entstandenen Arbeiterkomitees zu zerstören und Schritte in Richtung Doppelherrschaft und Sowjets/Arbeiterräte zu verhindern. Die Versammlungen durften ihre Arbeit erst nach „einer Bewertung durch die MFA“ aufnehmen und unterlagen auf allen Ebenen der militärischen Kontrolle, angeblich, um ihre „Unabhängigkeit von allen Parteien“ zu wahren. In den Streitkräften sollten außer der MFA selbst keine politischen Organisationen zugelassen werden.
Die pseudolinken Gruppen der Mittelschicht
Die Front der revolutionären Einheit (FUR) war eine Volksfront, die gegründet wurde, um die Revolution im entscheidenden Moment zu verraten, und sie erhielt die Unterstützung der meisten pseudolinken Gruppen. Diese Gruppen behaupteten, dass die der Bewegung der bewaffneten Streitkräfte (MFA) und deren Kontinentales Operationskommando (COPCON) eine „tragfährige Arbeitsgrundlage für die Ausarbeitung eines revolutionären politischen Programms“ seien und dass die Versammlungen, die als „autonome Organe der Volksmacht“ bezeichnet wurden, „einen Weg vorwärts für den revolutionären Prozess“ darstellten.
Unter den Parteien, die ein „Einheitsabkommen“ unterzeichneten und sich der FUR anschlossen, waren auch Ableger internationaler Organisationen, die sich als trotzkistisch bezeichneten.
Die Organisation der Internationalen Sozialisten (IS) (die heutige Socialist Workers Party in Großbritannien, heute in Deutschland marx21) wurde von der Revolutionären Partei des Proletariats (PRP – Partido Revolucionário do Proletariado) vertreten. Die Gründer der Internationalen Sozialisten hatten sich in den 1940er Jahren von der Vierten Internationale losgesagt und behauptet, die stalinistische Bürokratie in der Sowjetunion und ihren Satelliten sei eine neue Klasse in einem neuen Gesellschaftssystem (Staatskapitalismus). Damit gestanden sie nicht nur der stalinistischen Bürokratie eine legitime wirtschaftliche und politische Rolle zu und bestritten ihren im Wesentlichen parasitären Charakter, sondern fielen auch vor der Stabilisierung des Imperialismus in der Nachkriegszeit auf die Knie. Die radikale Phraseologie der IS, ihre Verherrlichung des Gewerkschaftssyndikalismus in Verbindung mit einer halbanarchistischen Haltung, diente nur dazu, die Weigerung zu verschleiern, die politische Vorherrschaft der sozialdemokratischen und stalinistischen Bürokratie über die Arbeiterklasse in Frage zu stellen.
Die Partido Revolucionário do Proletariado (PRP) unterstützte die MFA und die COPCON vorbehaltlos. Sie begrüßte „den Vorschlag der MFA für eine Verbindung zwischen der MFA und dem Volk“ als „großen Sieg für diejenigen, die seit Monaten für die Bildung revolutionärer Räte gekämpft haben“. Der Vorschlag der MFA für eine „Militärregierung ohne Parteien“ decke sich genau mit der eigenen Losung einer „revolutionären Regierung ohne Parteien“.
Das Vereinigte Sekretariat der Vierten Internationale (VS) hatte zwei Organisationen in Portugal – die offizielle Internationale Kommunistische Liga (LCI - Liga Comunista Internacionalista) und eine „sympathisierende“ Sektion – die Revolutionäre Arbeiterpartei (PRT – Partido Revolucionário dos Trabalhadores).[2]
Das VS war aus einer Spaltung der Vierten Internationale im Jahr 1953 hervorgegangen. Unter der Führung von Michel Pablo war ein Großteil der VI-Führung zu dem Schluss gekommen, dass der Stalinismus sich als fähig erwiesen hätte, die kapitalistische Herrschaft zu stürzen. Daraus folgte, dass die deformierten Arbeiterstaaten, die die Bürokratie in Osteuropa errichtet hatte, das Muster für die Zukunft abgeben sollten. Der Druck auf die Bürokratie – selbst ein Dritter Weltkrieg zwischen der UdSSR und den Vereinigten Staaten – würde sie zu weiteren politischen Kämpfen zwingen, in denen sie die Staatsmacht übernehmen würde, um „Jahrhunderte deformierter Arbeiterstaaten“ zu errichten.
Unter der Führung von James P. Cannon von der US Socialist Workers Party wurde das Internationale Komitee der Vierten Internationale gegründet. Das IKVI wies derartige impressionistische Schlussfolgerungen des IS und des VS über die Stärke des Stalinismus zurück und verteidigte die Analyse von Leo Trotzki, dass entweder die Arbeiterklasse die parasitäre Bürokratie in einer politischen Revolution beseitigen oder die Bürokratie den Kapitalismus wiederherstellen.
In seiner internationalen Zeitschrift Intercontinental Press lehnte das VS die Vorschläge der MFA-Versammlung ab und erklärte, Otelo Saraiva de Carvalho versuche, eine „überparteiliche Militärdiktatur“ zu errichten.
Obwohl dies formal korrekt war, orientierte sich das VS an der Sozialistischen Partei und der verfassungsgebenden Versammlung und pries sie als „das einzige Forum, in dem die Probleme der Massen offen diskutiert werden können“. Anstatt wirklich unabhängige Arbeiterkomitees zu fordern, bezeichnete das VS die Forderung nach Arbeiterräten als „antidemokratisch“ und „unrealistisch“.
In Portugal unterstützten beide pablistischen Organisationen die MFA und COPCON und forderten diese auf, „eine echte und feste Vereinigung mit der Bewegung der ausgebeuteten Massen zu bilden“. Die PRT erklärte, ihre frühere Charakterisierung der MFA als „eine bürgerliche Bewegung ..., die die grundlegenden Interessen des Kapitals verteidigt“ sei falsch gewesen, da die MFA nun eine „Doppelherrschaft“ einführe und die Militärkomitees zu „einer Initiative der Sowjetmacht“ geworden seien.
Die Unfähigkeit des VS, eine kohärente Analyse der Ereignisse in Portugal und ihrer entscheidenden Phasen zu liefern, zeigte sich in der Ausgabe der Intercontinental Press vom 4. August 1975. In einem Artikel hieß es, es bestehe keine Gefahr eines Militärputsches, und in einem anderen wurde gesagt, die Ereignisse bewegten sich auf eine offene Militärdiktatur zu. In der Ausgabe vom 8. September änderte der Cheftheoretiker des VS, Ernest Mandel, in einem Leitartikel seine bisherige Linie, indem er die Intercontinental Press wegen ihrer Unterstützung der Konstituierenden Versammlung verurteilte und die LCI für ihre Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei in der Front der revolutionären Einheit (FUR) kritisierte.
Ausgangspunkt dieser Kritik war nicht die Notwendigkeit eines unversöhnlichen Kampfs, um die Arbeiterklasse von der konterrevolutionären Führung des Stalinismus zu trennen, sondern die Auffassung Mandels, dass die Portugiesen es versäumt hätten, „die Gelegenheit zu nutzen, die PCP dazu zu bringen, sich zur Umsetzung der wesentlichen Aufgaben zu bekennen, die für den Fortschritt der Revolution notwendig sind“.
Unterstützung für die MFA und COPCON kam auch von den etwa 70 sonstigen pseudolinken Parteien.
Die Bewegung der Sozialistischen Linken MES (Movimento de Esquerda Socialista)[3], die aus einer Spaltung der PCP hervorgegangen war, hatte 1973 erklärt, dass „die Unterstützung der Arbeiterklasse für die MFA mit der Unterstützung der MFA für die Arbeiterklasse Hand in Hand gehen muss“. Sie behauptete, dass es nicht der richtige Zeitpunkt für die Gründung einer Partei sei – weshalb sie sich nur als „Bewegung“ bezeichnete – und dass die PCP „die einzige Partei ist, die in der Lage ist, die Massen zu mobilisieren“.
Die Liga für Einheit und revolutionäre Aktion (LUAR) hatte sich 1967 als eine Gruppe für direkte Aktionen gebildet, die sich unter dem Motto „Sozialismus von unten“ auf lokale Fragen konzentrierte. Diese Organisation unterstützte die MFA bedingt wegen ihrer „fortschrittlichen Maßnahmen“ und behauptete, diese würden es den Arbeitern ermöglichen, „die Keimzellen alternativer gesellschaftlicher Organisationsformen zu schaffen“.
Es gab auch eine Reihe maoistischer Gruppen, deren wichtigste die Revolutionäre Bewegung des portugiesischen Proletariats (MRPP – Movimento Reorganizativo do Partido do Proletariado) war. Die MRPP hatte sich 1970 von der PCP abgespalten, die sie nun als „sozialfaschistisch“ bezeichnete. Die Gruppe stellte sich offen auf die Seite der Bourgeoisie.
Bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 1976 forderte die MRPP ihre Anhänger auf, für Ramalho Eanes, den von der PS unterstützten Kandidaten für Recht und Ordnung, zu stimmen. Der MRPP-Führer Arnaldo Matos bezeichnete das COPCON als „die demokratischste Polizei der Welt“ – was die COPCON nicht daran hinderte, im Mai 1975 im Raum Lissabon mehr als 400 MRPP-Aktivisten zu verhaften, wobei sie sich auf Informationen aus alten Geheimpolizeiakten stützte.
Das einzige bleibende „Vermächtnis“ der MRPP besteht darin, dass José Manuel Durao Barroso, ein Anführer der Organisation während der Revolution, heute Premierminister der von der rechtsgerichteten Sozialdemokratischen Partei geführten Koalitionsregierung ist.[4]
Die Rolle des IKVI
Nur das IKVI und seine portugiesischen Unterstützer, die Liga für den Aufbau der Revolutionären Partei (Liga para a Construção do Partido Revolucionário, LCPR), forderten die PCP und die PS auf, sich von den rechten Parteien, dem Staatsapparat und der MFA loszusagen. Sie forderten die Auflösung der Armee und die Bildung von Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräten in Opposition zum MFA und dessen Vorschlägen für eine fingierte Verfassungsgebende Versammlung.
Das IKVI betonte: „Die Armee bleibt das Instrument des bürgerlichen Staates, der durch das Eingreifen der Arbeiterklasse zerschlagen werden muss. Die Vorstellung, dass die Armee als solche eine revolutionäre Rolle spielen kann, ist völlig reaktionär.“[5]
„Die Serie von Meutereien in der portugiesischen Armee ist Ausdruck einer tiefgreifenden Krise... Man darf absolut kein Vertrauen in die so genannten linken Generäle wie Gonçalves und Carvalho setzen, die selbst Ausdruck der Schwankungen der Kleinbourgeoisie sind.“[6]
Dies bedeutete vor allem, dass das IKVI aufgebaut werden musste als einzige Organisation, die in der Lage ist, die Arbeiterklasse zu führen und die Macht zu übernehmen.
Das COPCON schmilzt dahin
Angesichts der anhaltenden Unruhen während des „heißen Sommers“ 1975 warnte die „Gruppe der Neun“ um Melo Antunes im Revolutionsrat vor dem „Abgleiten des Staates in die Anarchie“ und überzeugte eine Mehrheit der Armeedelegierten, Vasco Gonçalves als Premierminister abzusetzen. Nachdem er seine Mehrheit verloren hatte, trat Gonçalves zurück. Die von der PCP dominierte fünfte provisorische Regierung trat kurz entschlossen zusammen mit Gonçalves zurück, als sie sich mit einem Appell an die Arbeiterklasse konfrontiert sah, die Macht zu übernehmen,
Die PS und die PPD schlossen sich – wiederum gemeinsam mit der PCP – einer sechsten provisorischen Regierung an die von Admiral José Baptista Pinheiro de Azevedo angeführt wurde. Die Regierung brachte sofort einen als „Plan der Obersten“ bekannten Geheimplan in Umlauf, der die Umsetzung des Wirtschaftsplans von Antunes zur Wiederbelebung des Privatsektors und zur Umstrukturierung des Staatssektors vorsah. Er forderte Gesetze zur Bestrafung bewaffneter Zivilisten, die Bildung von Gruppen für militärische Interventionen zur Auflösung von COPCON und eine Säuberung der Militäreinheiten unter linkem Einfluss, die Rückgabe von Republica an die PS und die „Lösung des Problems“ von Radio Renascenca. Diesen Sender, der sich im Besitz der katholischen Kirche befunden hatte, hatten die Beschäftigten übernommen, und er war zum wichtigsten Sprachrohr der FUR geworden.
Die Krise spitzte sich zu. Die neu gebildete sechste Regierung und der Revolutionsrat wurden von so vielen Teilen der Gesellschaft bekämpft, dass eine Doppelherrschaft entstand.
Am 29. September ordnete Premierminister Pinheiro de Azevedo die militärische Besetzung aller Radiosender an. COPCON schwor, „die Arbeiter zu verteidigen“.
Am 7. November wurden die Sendeanlagen von Radio Renascenca in die Luft gesprengt. Am nächsten Tag appellierte die PRP, die nichts hinzugelernt hatte, an die Offiziere der MFA, einen bewaffneten Aufstand anzuführen: „In Kenntnis der Hingabe vieler Offiziere des Heeres und der Marine für den revolutionären Prozess und in Kenntnis der Positionen, die sie auf der Ebene der Kommandos der Einheiten innehaben, liegt es nahe, an einen Plan zu denken, der auf einem Einsatz dieser Truppen in einer Operation nach Art des 25. April beruht.“
Die PRP fuhr fort: „Wie die Geschichte zeigt, fördert die Bourgeoisie den Bürgerkrieg, um ihre Interessen zu verteidigen. Glücklicherweise hat die Rechte in Portugal keine Armee. Sie bedient sich der Söldner mit Stützpunkten in Spanien oder der Armeen der USA und der Nato.“
Innerhalb weniger Tage bewies der rechte Flügel, wie sehr die PRP irrte. Oberst António dos Santos Ramalho Eanes verhängte am 25. November 1975 den Ausnahmezustand. Die Armee und die Vereinigte Militärische Front (FMU – Frente Militar Unida), der die MRPP, Antunes und Ramalho Eanes angehörten, rückten an, um Barrikaden zu zerschlagen und Arbeiter und Soldaten zu entwaffnen, ohne dass ein Schuss fiel. Das COPCON und militärische „Basisorganisationen“ wie SUV – Soldados Unidos Vencerão (Soldaten, gemeinsam werden wir siegen), die in den Wochen zuvor Zehntausende zu Demonstrationen mobilisiert hatten, lösten sich angesichts von etwa 200 Kommandos auf.
Im Januar 1976 stiegen die Lebensmittelpreise um 40 Prozent, Radio Renascenca wurde an die Kirche zurückgegeben und die meisten Geheimpolizisten der PIDE freigelassen.
Am 2. April 1976 wurde eine neue Verfassung verkündet, in der sich das Land zur Verwirklichung des Sozialismus verpflichtete. Darin wurden die Verstaatlichungen und die Beschlagnahmungen von Land für unumkehrbar erklärt. Einige Wochen später fanden Wahlen für das neue Parlament, die Versammlung der Republik, statt, die von der PS gewonnen wurden. Fast zeitgleich wandte sich Soares an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und führte ein Strukturanpassungsprogramm durch.
Im Laufe der Jahre holte sich die Bourgeoisie zurück, was sie an Zugeständnissen hatte machen müssen. Die derzeitige [2004] Regierung von Durão Barroso vervollständigt die Aushöhlung der sozialen Verhältnisse mit ihrer Politik der Flexibilisierung der Arbeit (Steigerung der Ausbeutung), der Umverteilung des Reichtums zugunsten der Reichen und der Privatisierung.
Dass die portugiesische Bourgeoisie die Revolution überstanden hat, verdankt sie in erster Linie dem Verrat der PCP und ihrer pseudolinken Mitläufer, die die Arbeiterklasse an die bürgerlichen Parteien, den Staatsapparat und die MFA gefesselt haben. Der Erfolg der portugiesischen Revolution wäre ein gewaltiger Schlag für das internationale Kapital gewesen und hätte die Bewegungen inspiriert, die sich in den 1970er Jahren weltweit entwickelten.
Die PS war erst am 19. April 1973 von Mitgliedern der portugiesischen sozialistischen Bewegung Acção Socialista Portuguesa, unterstützt von der Friedrich Ebert Stiftung der deutschen Sozialdemokraten, im deutschen Bad Münstereifel gegründet worden.
1978 schlossen sich die LCI und die PRT zur Revolutionären Sozialistischen Partei (PSR) zusammen, die dann 1999 in einem Zusammenschluss mit der pro-albanischen Maoistischen Demokratischen Union und einer Gruppe von Exilanten der Kommunistischen Partei in Politik XXI den Linksblock gründete. Im Jahr 2004 löste sich die PSR in eine politische Vereinigung innerhalb des Linksblocks auf.
Die MES hörte 1981 auf, aktiv zu sein, und wurde 1997 formell aufgelöst. Viele der Persönlichkeiten, die die MES gegründet hatten darin aktiv gewesen waren, traten später der PS bei und erlangten hohe staatliche Ämter, darunter Jorge Sampaio (portugiesischer Staatspräsident 1996-2006) und Eduardo Ferro Rodrigues (PS-Generalsekretär 2002-2004 und Präsident der Versammlung der Republik 2015-2022).
Von 2004 bis 2014 war Barroso Präsident der Europäischen Kommission.
„Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale zu Portugal nach dem 25. November“, in: „Revisionists & Portugal“ von Jack Gale, Labor Publications, November 1975.
Ebd.