Die ausbeuterische Politik von DB Cargo

Den folgenden Artikel hat Erich Halberstädter, ein Lokführer aus Bayern geschrieben. Er hatte das Aktionskomitee Bahn über ein Flugblatt kennengelernt. Seitdem ist er im Aktionskomitee aktiv für die Interessen der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner.

Rangierbahnhof Kornwestheim bei Stuttgart [Photo by K. Jähne / Wikimedia / CC BY-SA 3.0]

Liebe Eisenbahnerinnen und Eisenbahner,

die Hiobsnachrichten von DB Cargo überraschen uns ja schon gar nicht mehr – was aber der EVG-Betriebsrat aus Mannheim vor kurzem bestätigt hat, dient als perfektes Beispiel für die ausbeuterische Politik unseres Managements. Im April wurden zehn Ungarn und eine Ungarin für den Quereinstieg zum Rangierbegleiter eingestellt – was von Anfang an desaströs verlief.

Es fing schon damit an, dass ihnen offensichtlich nicht bewusst war, was ein Rangierbegleiter überhaupt macht und mit welchen Strapazen seine Arbeit verbunden ist – in Ungarn hat man ihnen wohl erfolgreich einen Bären aufgebunden.

Außerdem hat Cargo nicht für die dringend benötigten Sprachkenntnisse gesorgt!

Wie wir ja wissen, ist die Fachsprache bei uns schon so kompliziert, dass selbst Muttersprachler sich beim Verstehen des Regelwerks schwertun.

Außerdem ist der Quereinstieg an sich schon „zeitoptimiert“ – in kürzester Zeit müssen komplexe Lerninhalte schnell abgearbeitet werden.

Dabei kommen die Praxiserfahrung, das Verständnis vom Arbeitsrecht und den Zusammenhängen im Eisenbahnsystem viel zu kurz, denn daran hat das Management kein Interesse.

Wenn man die unter diesen Umständen ausgebildeten Eisenbahner noch dem extremen Arbeitsdruck aussetzt, gefährdet man die Allgemeinheit und damit auch die Eisenbahner selbst.

Wie wir ja wissen, ist der Rangierdienst besonders gefährlich, auch weil die grundsätzlich schon lockeren Sicherheitsvorkehrungen wegen der stetig ansteigenden Arbeitshetze oft nicht beachtet werden, wie auch neulich bei einem Unfall im Rangierbahnhof Mannheim.

Dabei kommt es ja vor allem beim Rangieren auf die Aufmerksamkeit von uns Eisenbahnern an – es fehlt ja oft eine Absicherung durch Technik, der Mensch ist der alleinige Garant der Sicherheit – und dementsprechend auch immer allein verantwortlich.

Die Gewinner dieses „Spiels mit dem Schwarzen Peter“ sind die Manager. Denn wenn ein Unfall passiert, wird man sie nie auf der Anklagebank finden.

Vor Gericht stehen dann immer nur die zerstörten Existenzen der Eisenbahner.

Dieses Fiasko für die ungarischen Arbeiter und die Arbeiterin war für den Vorstand finanziell ein totaler Erfolg: Mangels Unterkunft wurden zwei Ungarn in notdürftig hergerichteten Ruheräumen für Lokführer untergebracht, die restlichen bekamen Ferienwohnungen gestellt.

Dabei schafft der Arbeitgeber eine enorme Abhängigkeit beim Wohnraum! Bei solchen Machtverhältnissen wird Gegenwehr quasi unmöglich.

Der zweite Haken daran ist: ohne eine Einwohnermeldebestätigung kann man kein deutsches Konto eröffnen – dieses braucht man aber, um eine Gehaltszahlung zu bekommen.

Deshalb wird „mindestens die erste Gehaltszahlung nicht regulär erfolgen“. Außerdem konnten die Quereinsteiger keine Fahrkarten für Firmenreisen buchen und mussten diese teilweise selber kaufen.

Von vergünstigten Fahrkarten und Mahlzeiten in der Kantine waren sie, mangels Konzernausweis, ebenfalls ausgeschlossen.

Da wundert man sich nicht, dass ihnen das Geld ausgegangen ist und sie sich sogar nichts zum Essen kaufen konnten.

Wir dürfen nicht vergessen: das sind elf Menschen, die ihr Leben in Ungarn aufgegeben haben, um sich hier eine neue Zukunft zu schaffen!

Mit falschen Versprechen wurden sie hier offensichtlich in eine fiese Falle gelockt. Sie sind, wie wir, Opfer eines menschenverachtenden Systems geworden.

Dass es hier nicht um Fachkräftemangel geht, sollte klar sein: seit der Bahnreform sind 250.000 Eisenbahner ausgeschieden, und diese Entwicklung soll, wie man der Presse entnehmen konnte, bei Cargo weitergehen.

Warum wird dann überhaupt noch eingestellt? Man will, genauso wie z. B. bei der Post und im Gesundheitswesen, eine neue Klasse der Arbeiter schaffen. Sie sollen jederzeit austauschbar, extrem vom Arbeitgeber abhängig und mundtot sein – und die rechten Parteien setzen diese Lohnsklaven mit ihrer Abschiebepolitik erst recht unter Druck.

Die EVG zeigt sich wie gewohnt diplomatisch und möchte „den Konzernvorstand direkt anschreiben und um Aufklärung dieses Skandals BITTEN. Und ganz klar personelle Konsequenzen fordern!“

Dabei stellt sich die Frage: Was erwartet die EVG davon? Die Profiteure freundlich um Aufklärung zu BITTEN, scheint mir jedenfalls ziemlich weltfremd. So eine Personalpolitik ist doch vom Vorstand gewollt! Für sie ist das kein Skandal, sondern ein Erfolg!

Die Forderung nach „klaren personalen Konsequenzen“ ist noch ein Indiz dafür, dass die EVG kein ernsthaftes Interesse an einer Verbesserung der Arbeitswelt von uns Eisenbahnern hat.

Denn mal angenommen, der Vorstand entscheidet sich doch wegen schlechter Presse für Kündigungen in der Chefetage: Wem bringt denn eine Beschleunigung des „Personalkarussells“ irgendetwas? Die darin Rotierenden freuen sich entweder über saftige Abfindungen und Folgeaufträge oder über neue Posten. Auch ein neuer Manager wird weiter für die Ausbeutung von uns Eisenbahnern sorgen, denn seine Aufgabe ist und bleibt es, möglichst hohe Gewinne zu erzielen.

Auf die Gewerkschaften ist jedenfalls kein Verlass, denn beide – EVG und GDL – arbeiten aktiv gegen uns, sei es durch Duldung von Ausbeutung oder durch mangelhafte Tarifabschlüsse, wie neulich auch bei der GDL.

Aus diesem System können wir uns nur selber befreien! Und wir müssen es auch: die Krisen rauben uns unsere Lebensgrundlage, während „die da oben“ in Saus und Braus leben. Wir sind als Arbeiter des ökologisch sinnvollsten Massenverkehrsmittels dabei ein entscheidender Faktor.

Es ist allerhöchste Eisenbahn für eine Welt zu kämpfen, in der die Menschlichkeit und das Allgemeinwohl zählen! Und nicht die Profite von Einzelnen.

Und nein, wir möchten keine zweite DDR. Es war zwar nicht alles schlecht damals, aber SED-Diktatur, Unterdrückung durch das MfS (Stasi), Umweltzerstörung, Militarismus – das alles hat nichts mit Sozialismus zu tun.

Wir rufen alle Eisenbahnerinnen und Eisenbahner und all diejenigen, die sich am Aufbau unabhängiger Aktionskomitees beteiligen wollen, dazu auf, uns Berichte über die Zustände in ihrem Bereich zu schicken und mit uns Kontakt aufzunehmen: Meldet euch per Whatsapp unter +49-163-337 8340, registriert euch über das unten stehende Formular oder schickt euren Bericht an die World Socialist Web Site.

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