GDL verkündet Zustimmung zum Tarifvertrag mit der Deutschen Bahn

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat heute in Frankfurt/Main bekanntgegeben, dass sich in einer Urabstimmung 77 Prozent ihrer Mitglieder für die Annahme des Tarifvertrags ausgesprochen haben, den sie am 25. März mit der Deutschen Bahn (DB) vereinbart hat. Über die Abstimmungsbeteiligung machte die GDL keine Angaben.

Stimmzettel der GDL

Für die Annahme hätte die GDL nur 25 Prozent der abgegebenen Stimmen benötigt, da sie zuvor über einen unbefristeten Vollstreik hatte abstimmen lassen. Dafür waren 75 Prozent Zustimmung notwendig. Im Umkehrschluss genügt eine Minderheit von 25 Prozent, um das Tarifergebnis anzunehmen.

Dieser Mechanismus dient dazu, ein schlechtes Tarifergebnis durchzuboxen. Denn den unbefristeten Streik, für den sich im Dezember 2023 97 Prozent der GDL-Mitglieder ausgesprochen hatten, boykottierte die GDL-Spitze. Mit dieser Missachtung eines demokratischen Votums unterscheidet sich die GDL nicht von Verdi oder der EVG, die im letzten Jahr bei ihren Tarifverhandlungen bei der Post und der DB ähnlich vorgegangen waren, um massive Angriffe gegen die Beschäftigten durchzusetzen.

Wie undemokratisch die GDL vorgeht, zeigt sich auch daran, dass der Vertragstext den GDL-Mitgliedern bei der Abstimmung nicht vorlag. In den Briefwahlunterlagen, die die Gewerkschaftsmitglieder ab dem 10. April erhielten, befanden sich kaum Informationen über die Details des Vertragstextes. Die GDL listete nur kurz die angeblich „wichtigsten Ergebnisse des Tarifabschlusses“ auf.

Diese Informationen unterschieden sich nicht von den kurzen Presse-Statements und Videos von GDL-Chef Claus Weselsky, der den Vertrag als „historisch“ verklärte, weil zwischen 2026 und 2029 angeblich die Arbeitszeit verkürzt werde. Auf dem Abstimmungszettel, der eigentlich neutral sein müsste, steht die Behauptung: „Wir haben unbeirrt gekämpft und wir haben gewonnen!“

Das Aktionskomitee Bahn hat am 9. April in einer Erklärung nachgewiesen, dass es sich bei dem Tarifvertrag um eine einzige Mogelpackung handelt, und zur Ablehnung des Ausverkaufs aufgerufen.

Denn von der ursprünglichen Lohnforderung nach 555 Euro monatlicher Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von zwölf Monaten ist nichts übriggeblieben. Die GDL hat sich auf 420 Euro in zwei Stufen bei einer Laufzeit von 26 Monaten geeinigt, das sind aufs Jahr umgerechnet 194 Euro statt 555 Euro im Monat! Bezogen auf ein durchschnittliches Einkommen von 3400 Euro Bruttomonatslohn sind das 5,7 Prozent im Jahr und damit kaum mehr, als die EVG 2023 mit der DB vereinbart hat.

Zusätzlich hat die GDL dem Wegfall des Zwölf-Tage-Urlaubswahlmodells zum 1. Januar 2026 zugestimmt. Ihre Forderung nach einem Vertrag für die neue DB-Tochter InfraGo (ehemals DB Netze und DB Station & Service) hat sie ersatzlos fallen lassen.

Diese Entgelterhöhung ist kaum in der Lage, die in der Vertragslaufzeit bis Ende 2025 zu erwartenden Lebenshaltungskosten aufzufangen. Auf keinen Fall gleicht sie die Reallohnverluste der Jahre zuvor aus.

Während der Corona-Krise hatte die GDL nämlich wie viele andere Gewerkschaften einer massiven Reallohnsenkung zugestimmt. Während der Laufzeit des letzten Tarifvertrags vom September 2021 bis Oktober 2023 stieg der offizielle Verbraucherpreisindex um 15,4 Prozent. Die GDL hatte aber nur eine Tariferhöhung von 3,3 Prozent in zwei Stufen vereinbart. Dies war ursächlich für die Forderung nach 555 Euro im Monat. Sie sollte den Reallohnverlust von mindestens 12 Prozent ausgleichen.

Das ist nicht geschehen. Und deshalb ist das Gerede der GDL-Spitze von einem „historischen“ Abschluss reine Propaganda, die bewusst diese Tatsachen verdreht und unter den Tisch fallen lässt.

Die GDL behauptet, sie habe für Schichtdienstbeschäftigte eine Arbeitszeitverkürzung um drei Stunden pro Woche ohne Lohnkürzung vereinbart. Doch die Lohnkürzung hat schon stattgefunden, in den Jahren 2021 bis 2023 – und zwar um real 12 Prozent. Drei Stunden machen dagegen nur etwa 8 Prozent der derzeitigen Arbeitszeit aus.

Die betroffenen Kolleginnen und Kollegen werden also Anfang 2029 real 12 Prozent weniger verdienen als 2021, bei einer um 8 Prozent verkürzten Arbeitszeit. Und das auch nur, falls die GDL in den kommenden fünf Jahren keine weiteren Reallohnkürzungen vereinbart – was sie tun wird, falls sie nicht gestoppt wird.

Die DB hatte eine echte Arbeitszeitverkürzung beharrlich abgelehnt. Am Ende stimmten das Management um Vorstandschef Richard Lutz und Personalvorstand Martin Seiler der Vereinbarung mit der GDL nur zu, weil diese akzeptiert, dass die Arbeitszeitverkürzung erstens freiwillig ist und die Arbeitszeit zweitens sogar auf 40 Stunden erhöht werden kann.

Seiler hat die Einführung dieses „Arbeitszeitkorridors“ von 35 bis 40 Stunden ausdrücklich gelobt. Denn damit ist sichergestellt, dass die von der GDL als „historisch“ bezeichnete Arbeitszeitverkürzung eine theoretische bleibt. In sozialen Medien haben das GDL-Mitglieder klar zum Ausdruck gebracht: „Die Arbeitszeitverkürzung wird es nur auf dem Papier geben.“

Denn angesichts der bisherigen und zukünftigen Reallohnsenkungen wird kaum jemand vom Lohn für eine 35-Stundenwoche leben können. Zweitens wird die DB nicht das nötige Personal einstellen, um den Schichtarbeiterinnen und -arbeitern zu ermöglichen, tatsächlich „nur“ 35 Stunden in der Woche zu arbeiten.

Das Aktionskomitee Bahn hatte in seinem Aufruf zur Ablehnung des Tarifvertragsentwurfs geschrieben: „Erneut erweist sich das Gepolter von Weselsky als heiße Luft. Die GDL-Spitze hat in allen Punkten nicht die Interessen der Beschäftigten, sondern der DB umgesetzt. Das ist das Ergebnis von Weselskys Grundsatz, er sei ‚in der Marktwirtschaft, nicht im Klassenkampf‘ unterwegs.“

In der Tat unterscheidet sich die GDL, die Teil des Deutschen Beamtenbunds ist, in keiner Weise von DGB-Gewerkschaften wie der EVG. Beide vertreten ohne Ausnahme die Interessen der Unternehmen und des Staats, der im Falle der DB alleiniger Eigentümer des Konzerns ist.

In der Kriegspolitik stehen EVG, GDL und alle anderen Gewerkschaften geschlossen hinter der Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen. Diese steckt Hunderte Milliarden Euro in die Aufrüstung und die Militarisierung der gesamten Gesellschaft, unterstützt politisch, mit Geld und mit Waffen die Ukraine in ihrem Stellvertreterkrieg gegen Russland und den Völkermord Israels an den Palästinensern.

Die Kosten dafür sollen durch Lohnsenkungen, Sozialabbau und verstärkte Ausbeutung finanziert werden. Darin sind sich Weselsky, ein Mitglied der CDU, und alle anderen Gewerkschaftsführer mit der Regierung einig. Das ist der Grund für das Vorgehen der Gewerkschaften, einschließlich der GDL, in vergangenen, aktuellen und kommenden Tarifverhandlungen. Sie entwickeln gemeinsam die Mechanismen, um diese Angriffe gegen die Arbeiterinnen und Arbeiter durchzusetzen.

Die Beschäftigten sind mit einer gemeinsamen Front aus Regierung, Konzernen und Gewerkschaften konfrontiert. Entgegen allen Behauptungen der GDL, sie habe mit der DB einen „historischen“ Abschluss vereinbart, wird dieser Abschluss genauso wie jener der EVG im letzten Jahr den Startschuss für weitere Angriffe auf Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen und Löhne geben.

Bei der DB Cargo hat der DB-Vorstand bereits damit begonnen. Die Gütersparte, die u. a. verantwortlich ist für den Transport von Waffen, Munition und Militärfahrzeugen, soll profitabel und „kriegstüchtig“ gemacht werden – auf dem Rücken der Beschäftigten. Tausende Arbeitsplätze sollen abgebaut, die Arbeitshetze gesteigert, Löhne gesenkt werden.

Erneut wird deutlich: Die Interessen der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner können nur unabhängig von den Gewerkschaftsapparaten verteidigt werden. Alle Beschäftigten – ob bei der GDL oder bei der EVG organisiert – haben ihre Kampfbereitschaft in mehreren Warnstreiks und in zwei Urabstimmungen gezeigt, in denen sie sich nahezu einstimmig für unbefristete Vollstreiks ausgesprochen haben. Doch GDL und EVG haben sich geweigert, wirklich gegen Bahn und Regierung zu kämpfen.

Daher ist der Aufbau des Aktionskomitees Bahn so wichtig. Die darin versammelten Eisenbahnerinnen und Eisenbahner stellen ihre Rechte und Bedürfnisse höher als die Profitinteressen der Investoren und Aktionäre oder die politischen Interessen der Bundesregierung. Sie sprechen sich eindeutig gegen die Militarisierung aus und wollen sich nicht durch Militärtransporte auf der Schiene mitschuldig machen am Gemetzel in der Ukraine und dem Völkermord in Gaza.

Der gesamte Prozess der Tarifauseinandersetzung muss daher abgelehnt werden, von den geheimen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen über die Missachtung des demokratischen Streikbeschlusses, die Unterschlagung des Tarifvertragstextes bis hin zur Vertragszustimmung mit einem Votum von gerade mal 25 Prozent.

Die GDL-Spitze hat kein Recht, einen so entstandenen Abschluss, der obendrein den Mitgliedern nicht vorliegt, festzuschreiben.

Das Aktionskomitee Bahn wird diese Fragen am kommenden Dienstag, dem 30. April 2024, auf seinem Online-Treffen um 19 Uhr diskutieren. Alle Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, die für ihre Interessen kämpfen wollen, rufen wir deshalb auf: Schließt euch dem Aktionskomitee an und nehmt am nächsten Treffen teil. Meldet euch per Whatsapp unter +49-163-337 8340 und registriert euch über das untenstehende Formular.

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