Universität Leipzig geht mit Polizei und rechten Gruppen gegen pro-palästinensischen Protest vor

Am 7. Mai errichten etwa 50 bis 60 Studierende und Unterstützer ein Protestcamp auf dem Campus der Universität Leipzig. Sie besetzten das Audimax, bildeten Sitzblockaden und errichten im Innenhof der Uni Zelte und Stände.

Die Gruppe „Palestine Campus“ erklärte, Anlass der Besetzung sei der Beginn der mörderischen Bodenoffensive der israelischen Armee gegen Rafah. Der Angriffsbefehl war kurz nach der Ablehnung eines Waffenstillstandsabkommens seitens Israels erfolgt. Er leitet den vermutlich blutigen Höhepunkt des völkermörderischen Kriegs gegen die Palästinenser in Gaza ein.

Polizeieinsatz an der Uni Leipzig [Photo by Palestine Campus / Instagram]

Die Studierenden verlangten von der Universitätsleitung, all ihre Investitionen und Beziehungen zu Israel offenzulegen und einzustellen. Außerdem fordern sie, den Völkermord in Palästina schriftlich zu verurteilen und die „irreführende“ Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) durch die „Jerusalem Declaration on Antisemitism“ (JDA) zu ersetzen.

Die IHRA-Definition wird seit langer Zeit benutzt, um Kritik am Zionismus und an Israel als „antisemitisch“ zu diffamieren und zu unterdrücken, so wie es auch der Deutsche Bundestag mit seiner BDS-Resolution oder der Berliner Senat mit dem Verbot eines Palästinakongresses taten.

Zugleich solidarisierten sich die Leipziger Studierenden mit den Studentenprotesten gegen den Genozid in den USA, in Berlin und weltweit. Der Pressesprecher von „Palestine Campus“, Marius Schneider, kritisierte, dass pro-palästinensische Veranstaltungen verboten würden, während zionistische Veranstaltungen zur Legitimation des Genozids in Gaza stattfinden könnten.

Wie bereits in Berlin reagierte die Unileitung, indem sie sofort mit Polizeigewalt gegen die Besetzung vorging. Laut Aussage des Sprechers der Universität, Carsten Heckmann, forderte sie noch am selben Tag gegen 15:30 Uhr einen Polizeieinsatz an.

Hochschul-Rektorin Eva Inés Obergfell erklärte: „Eine gewaltsame Störung des Lehrbetriebs und Inbesitznahme universitärer Räumlichkeiten dulden wir nicht. Es war Gefahr im Verzug für die Sicherheit aller Studierenden und Lehrenden. Die Entscheidung zur Räumung war unumgänglich.“

Das sind dreiste Lügen. Die Besetzung des Hörsaals und die friedlichen Sitzblockaden gefährdeten zu keinem Zeitpunkt die Sicherheit. Das tat erst der gewaltsame Polizeieinsatz gegen die Proteste.

Insgesamt gingen 150 Einsatzkräfte der Leipziger Polizei, der sächsischen Bereitschaftspolizei und der Bundespolizei gewaltsam gegen die Protestierenden vor. Zum frühen Abend vermeldeten sie die Räumung des Audimax und die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Hausfriedensbruchs. Den Lehrbetrieb behinderte die Unileitung nun selbst, weil sie aus Angst vor weiteren Protesten die Vorlesungen im Audimax für den Rest der Woche aussetzte.

Unterstützung bekam die Unileitung vom sächsischen Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) und dem stellvertretenden Landesvorsitzenden der Sachsen-FDP Thomas Kunz, der forderte, die Exmatrikulation der Beteiligten zu prüfen.

Auch Juliane Nagel, die Leipziger Kandidatin der Linkspartei zur Landtagswahl, Nils Neubert von der Juso-Hochschulgruppe und der Sprecher der Konferenz der Sächsischen Studierendenschaften (KSS) Paul Steinbrecher unterstützten das Vorgehen gegen die Studierenden. Im KSS-Statement heißt es explizit: „Zustände wie an Berliner Hochschulen müssen verhindert werden.“

An der Spitze der Hetzkampagne gegen die protestierenden Studierenden stehen die in Leipzig stark vertretenen sogenannten „antideutschen“ Gruppierungen, die unter dem Schutz der sächsischen Polizei einen Gegenprotest mit Israel-Flaggen organisierten und dabei den Eingang zum Hörsaalgebäude blockierten.

Sie fabulierten über angeblichen „Antisemitismus“, „Gewalt“ der Protestierenden und „antisemitische Zugangskontrollen“ auf dem Campus. Damit standen sie rechtsextremen Gruppen in den USA in nichts nach, die ähnliche Lügenpropaganda verbreiten, um Angriffe auf Proteste gegen das brutale Vorgehen der israelischen Armee zu legitimieren.

Die antideutschen Gruppen sind seit langem berüchtigt für Angriffe auf linke Veranstaltungen und Organisationen – vor allem in Leipzig. So versuchten sie bereits 2012 eine Veranstaltung der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) zur Verteidigung von Günter Grass zu sprengen. Sie belagerten die Eingangstür, griffen Veranstalter an, trommelten an Tür und Wände und drohten mit Gewalt („Hat nicht jemand einen Eispickel dabei?“).

Bereits damals konnten die rechtsextremen Schläger auf die Rückendeckung der Uni und des Stura bauen. Waren es 2012 Marcel Wodniock und Jakob Heuschmidt, der mittlerweile als Lehrkraft an der Uni arbeitet, agieren nun Paul Steinbrecher und Felix Fink als Zensurbeamte im studentischen Gewand. Während Steinbrecher für die pseudolinke Liste „Solidarisch. Kritisch. Engagiert.“ gewählt wurde und neben seiner Funktion als KSS-Sprecher auch Referent für Hochschulpolitik ist, arbeitet Fink als hauptamtlicher DGB-Projektsekretär für Studierendenarbeit.

Die eng mit der Gewerkschaftsbürokratie und den etablierten Parteien vernetzten Stura-Mitglieder hatten bereits Ende Oktober 2023 einen Antrag mit dem Titel „Keine Zusammenarbeit mit Unterstützer*innen des Terrorismus“ im Stura eingereicht. Ebenfalls Antragssteller war der Leipziger Ableger des Jugendverbands der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Der DIG-Vorsitzende Volker Beck (Grüne) gehört zu den aggressivsten Hetzern gegen pro-palästinensische Proteste und fordert nahezu täglich härtere staatliche Repressionen.

Der Antrag verlangte, nicht weniger als 13 Organisationen auf dem Campus zu zensieren und insbesondere die Möglichkeit von finanziellen Zuschüssen für Druckerzeugnisse oder Nutzung von Uni-Räumen zu verbieten. Unter den erwähnten Organisationen waren unter anderem Handala Leipzig, Jüdisch Israelischer Dissens, Young Struggle, der SDS (Studierendenverband der Linkspartei) und die bereits im Dezember staatlich angegriffene Frauengruppe „Zora“.

Der SDS und andere Organisationen reagierten auf diesen Angriff mit einem Eilantrag „Stellungnahme zum Krieg in Israel und Palästina“, der schließlich angenommen wurde. Er verurteilt in moralischer Äquidistanz die Gewalt beider Seiten, ohne klar Stellung gegen den israelischen Genozid zu beziehen. Anstatt den Jusos und anderen Organisationen entgegenzutreten und ihre rechte, pro-israelische Politik klar zu verurteilen, baut er ihnen Brücken.

Im StuPa der Humboldt Universität Berlin war eine ähnliche Diskussion dank dem Eingreifen der IYSSE-Hochschulgruppe gänzlich anders verlaufen. Mehrere Redner griffen dort die Jusos scharf an und entlarvten ihre Rolle als pro-Kriegs-Organisation. So stellte ein Redner klar, dass nicht die Gegner des Massakers in Gaza in der Tradition des Antisemitismus stehen, sondern die Verfechter des Juso-Antrags. Das Gleiche gilt für den rechten Angriff auf die Studierenden in Leipzig.

Was die Linkspartei und ihre Jugendorganisation betrifft, sind sie keine Opposition zu den Regierungsparteien, sondern deren linker Flügel und Handlanger. Im Bundestag hat die Linkspartei geschlossen mit allen anderen Parteien, einschließlich der AfD, die Solidarisierung mit Israel unterstützt. Auf Landesebene schürt sie die Illusion, man könne gemeinsam mit den Ampel-Parteien und der CDU gegen den Faschismus kämpfen.

Auch in Leipzig und auf dem Campus ist ihre politische Bilanz eindeutig. Als 2019 der Stura an der Universität Leipzig mit ähnlich hanebüchenen „Antisemitismus“-Vorwürfen die IYSSE angriff und zensierte, gab es von der Studentenorganisation der Linkspartei, der drittgrößten Partei im Landtag, nur ohrenbetäubendes Schweigen. Während die IYSSE keine Räume an der Uni erhielt, fanden auf dem Campus Veranstaltungen mit dem Pegida-Versteher Werner Patzelt und dem AfD-Anhänger Thomas Maul statt, der sowohl für die antideutsche Bahamas als auch für die rechtsextreme Achse des Guten schreibt.

Auch in jüngerer Zeit setzte sich dieses Schweigen fort. Vor zwei Jahren, am 1. April 2022, beschloss der Stura einen Antrag mit dem orwellschen Titel „Meinungsfreiheit und freie Rede“. Er zensierte ausdrücklich Organisationen, die angeblich „aus ideologischen Gründen (wie beispielsweise antiimperialistischem Weltbild)“ diesem Prinzip nicht folgen.

In dem Antrag heißt es: „Der StuRa beschließt daher, die Gruppen Sozialistische Organisation Solidarität (SOL), Kommunistische Organisation (KO, Solidarischer Studententreff, Arbeitersport, Zweieck), Rote Wende / Roter Aufbau, International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), Revolution und Kommunistischer Aufbau (KA, KJ, KF) sowie Gruppen bzw. Veranstalter_innen, die mit den Genannten kooperieren, von seinen ideellen wie finanziellen Fördermöglichkeiten auszuschließen.“

Die IYSSE unterstützen die internationalen Proteste gegen den Genozid in Gaza und kämpfen für den Aufbau einer sozialistischen Massenbewegung in der Arbeiterklasse und der Jugend gegen Krieg und seine Ursache, das kapitalistische System.

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