Während Details über Gräueltaten im Nasser-Krankenhaus bekannt werden:

Israel eskaliert Krieg gegen Libanon und plant Einmarsch in Rafah

Nach der Einschätzung von Zeina Khodr, die für Al Jazeera aus Marjayoun im südlichen Libanon berichtet, tritt Israels Konflikt mit dem Land in eine „andere Phase oberhalb der Kriegsschwelle“ ein.

Sie schreibt, am Mittwoch habe „Israel die größte Anzahl von Angriffen an einem einzigen Tag geführt“ und 40 unterschiedliche Ziele mit Flugzeugen und Artillerie angegriffen. Die Angriffe dauerten bis in die frühen Morgenstunden des Donnerstags an und betrafen nicht nur den südlichen Libanon, sondern auch den Osten des Landes.

Schüler skandieren Parolen, während sie den Sarg eines zehnjährigen Mädchens tragen, das am Dienstag bei einem israelischen Angriff auf ein Haus in der Stadt Hanin getötet wurde. Aufgenommen während ihres Trauerzugs im Hinterhof der von der Hisbollah betriebenen Al-Mahdi-Schule im südlibanesischen Dorf Tiri am 25. April 2024. [AP Photo/Mohammed Zaatari]

Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant erklärte gegenüber Reportern: „ Die Hälfte der Hisbollah-Kommandanten im Südlibanon wurde eliminiert ... Die andere Hälfte versteckt sich und überlässt den südlichen Libanon den Operationen der IDF [Israelische Verteidigungskräfte].“

Die Israelischen Verteidigungskräfte erklärten in einer offiziellen Stellungnahme, die Angriffe seien keine Reaktion auf einen bestimmten Angriff, sondern „Teil der Bestrebungen, die Infrastruktur der Organisation im Grenzgebiet zu zerstören.“

Seit die jüngste Phase der Kämpfe nach dem 7. Oktober begonnen hat, wurden etwa 250 Hisbollah-Kämpfer und mehr als 70 libanesische Zivilisten getötet. Mehr als 90.000 Menschen wurden vertrieben und mussten aus Angst vor drohenden Bombardierungen etwa 100 Städte und Dörfer im Süden verlassen; zusätzlich wurden hunderte Quadratkilometer Ackerland beschädigt.

Der Generalsekretär der Norwegischen Flüchtlingshilfe, Jan Egeland, warnte am Donnerstag nach einem Besuch im Libanon, dass die Spannungen im Libanon „kurz vor einer Explosion“ stünden, und schrieb: „Überall leiden Kommunen. So kann es einfach nicht weitergehen.“

Er fuhr fort: „Die Leute fliehen aus den Dörfern im Süden und landen auf der Suche nach einem sicheren Ort in überfüllten Unterkünften. Ihre Lebensgrundlagen wurden zerstört, aber wir haben nicht genug Mittel, um ihnen zu helfen. Es herrscht eine Stimmung der Verzweiflung...

Die Menschen müssen in der Lage sein, in ihre Häuser und an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren, die Bauern auf ihr Land und die Kinder in ihre Schulen. Familien und Kinder sind hier im Zentrum einer regionalen Krise gefangen.“

Und das sind nur die Folgen der ersten Scharmützel, die den Auftakt zu einem größeren und weitaus zerstörerischen Krieg bilden. Ravit Hecht von Haaretz schrieb am Donnerstag, die israelische Regierung „signalisiert, dass das Militär nach der Operation in Rafah, deren Dauer niemand kennt, einen noch umfangreicheren Vorstoß in den Norden unternehmen wird, um die Hisbollah von der Grenze zu vertreiben.“

Sie zitierte einen Minister der Regierung mit den Worten: „Zuerst Rafah, dann die Hisbollah, dann der Iran.“

Avi Abelow von der Jerusalem Post schrieb am Mittwoch begeistert: „Israel führt bereits Krieg im Norden, eine Eskalation mit dem Libanon ist unvermeidlich. ... Israel muss der Bedrohung israelischer Menschenleben an Israels Grenze durch das iranische Regime ein Ende setzen. Das ist nur möglich, wenn Israel endlich die iranischen Kapazitäten im Libanon zerstört.

Der unvermeidliche Krieg im Libanon ist ein ebenso gerechter Krieg wie der in Gaza. Eigentlich ist es der gleiche Krieg, nur an verschiedenen Fronten.“

Maha Yahya veröffentlichte am Mittwoch einen längeren Artikel in Foreign Affairs, in dem sie mit scheinbarer Sorge fragte: „Was ist Israels nächste Front? Iran, Hisbollah und der kommende Krieg im Libanon.“

Sie stellte fest: „Israel hat jetzt 100.000 Soldaten in den Norden verlegt, um den schiitischen Kämpfern der Hisbollah die Stirn zu bieten. Benny Gantz, ein Mitglied des israelischen Kriegskabinetts, erklärte am 21. April, die israelische Grenze zum Libanon stelle jetzt seine ,operative Front‘ dar und seine ,größte und dringendste Herausforderung‘.“

Anfang des Monats „veröffentlichte das israelische Militär eine Erklärung mit dem Titel ,Bereitschaft für den Übergang von der Defensive zur Offensive‘, in der es seine Vorbereitungen auf einen Konflikt mit dem Libanon darlegte. Seither haben die gezielten Angriffe auf den Libanon zugenommen. Es geht vielleicht nicht mehr darum, ob Israel den Libanon angreift, sondern nur noch wann.“

Yahya warnte, ein solcher Krieg würde die Lunte an die Konflikte in der Region legen:

„Eine umfassendere regionale Eskalation würde mit ziemlicher Sicherheit zu weiteren Angriffen der Verbündeten des Iran auf die im Irak, Jordanien und Syrien stationierten US-Truppen führen. Derartige Angriffe würden wiederum wahrscheinlich tödlichere Reaktionen der USA nach sich ziehen ... Die Symbolik von Raketen, die aus mehreren Ländern der Region auf Israel fallen, könnte die USA und andere westliche Staaten dazu bringen, sich stärker militärisch zu engagieren, nicht nur bei der Verteidigung des israelischen Luftraums, sondern auch durch direkte Angriffe auf Israels Feinde.“

Ein Krieg im Libanon und darüber hinaus wird zwangsläufig zur Verschärfung des Kriegs, der Unterdrückung und der ethnischen Säuberung in Gaza und dem Westjordanland führen.

Haaretz schrieb: „Das israelische Militär hat der Regierung mitgeteilt, dass ihre Streitkräfte die Vorbereitungen für die bevorstehende Operation in Rafah abgeschlossen haben und das Kabinett über das Datum für eine derartige Operation entscheiden muss.“ Am Donnerstag trafen sich das israelische Kriegs- und das Sicherheitskabinett in Tel Aviv, um über die Pläne zu diskutieren.

Die Times of Israel berichtete, die israelische Infanteriebrigade Nahal wurde aus Gaza abgezogen, um mit dem Rest der 162. Division für die Offensive zu trainieren. In der Nähe des Gazastreifens wurden neun zusätzliche Militärbasen als Stützpunkte errichtet.

Zur Vorbereitung der Offensive auf die Stadt mit mehr als 1,5 Millionen Flüchtlingen finden weiterhin Luftangriffe statt. Der Al-Jazeera-Journalist Hani Mahmoud berichtete aus der Stadt über einen „Anstieg der Überflüge von Angriffsdrohnen.“ Zu den Opfern gehörten der belgische Entwicklungshelfer Abdallah Nabhan und sein siebenjähriger Sohn Jamal, die zusammen mit fünf weiteren Personen bei einem israelischen Angriff auf ein Gebäude mit 25 Bewohnern, darunter mehrere Vertriebene, getötet wurden.

Unter den Opfern am Donnerstag befanden sich zwei weitere Kinder. Insgesamt wurden bisher zwei Prozent der Kinder im Gazastreifen durch Israels Völkermord getötet oder verstümmelt.

Ein weiteres Kind, der 16-jährige Khaled Raed Arouq, ursprünglich aus Dschenin, wurde in Ramallah im Westjordanland von israelischen Sicherheitskräften in die Brust geschossen und getötet. Laut Augenzeugen hatten die israelischen Truppen mit Blendgranaten und scharfer Munition auf mehrere Jugendliche geschossen, die sie als „Terroristen“ bezeichneten, die „Steine geworfen“ hatten.

Arouqs Cousin Majed Arqawi erklärte gegenüber Agence France-Presse: „Er wurde von einer Kugel im Rücken getroffen, die durch die Brust wieder austrat... sie haben ihn kaltblütig ermordet.“

In der Stadt Beit Furik, östlich von Nablus, wurde ein weiterer palästinensischer Junge bei einer israelischen Hausdurchsuchung angeschossen und ins Krankenhaus eingeliefert.

Inzwischen sind weitere Details über die Gräueltaten der israelischen Besatzer im Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis ans Licht gekommen, wo in drei Massengräbern fast 400 palästinensische Leichen entdeckt wurden. An sechs aufeinander folgenden Tagen wurden Leichen entdeckt.

Laut der Organisation Palästinensischer Zivilschutz wurde nur ein kleiner Teil der Toten identifiziert, weil die anderen zu stark verwest oder verstümmelt sind. Der Leiter der Behörde, Yamen Abu Sulaiman, erklärte am Donnerstag, es gebe Hinweise auf Folter und standrechtliche Hinrichtungen, u.a. von Patienten. Zehn Leichen waren an den Händen gefesselt, andere trugen noch medizinische Schläuche. Auch Kinder waren unter den Toten.

Mohammed Mughier vom Palästinensischen Zivilschutz erklärte: „Wir brauchen forensische Untersuchungen von etwa 20 Leichen, die unserer Meinung nach lebendig begraben wurden.“

In einer offiziellen Erklärung des israelischen Außenministeriums hieß es: „Jeder Versuch, Israel für das Vergraben von Zivilisten in Massengräbern verantwortlich zu machen... ist kategorisch falsch und lediglich eine Desinformationskampagne mit dem Ziel, Israel zu delegitimieren... Das Grab wurde vor einigen Monaten von Bewohnern des Gazastreifens ausgehoben.“

Der Zivilschutz appellierte am Donnerstag in einer Erklärung „an den Generalsekretär der Vereinten Nationen und internationale Institutionen, eine unabhängige internationale Untersuchungskommission einzurichten, um Verbrechen des Völkermords zu untersuchen.“ Die UN haben diesen Aufruf ebenso unterstützt wie die Europäische Union, die durch die Enthüllungen in Verlegenheit gebracht wurde. Allerdings kann sie sich sicher sein, dass Israel von den USA ungeniert unterstützt wird.

Ungeachtet dessen haben die USA einen empörend zynischen offenen Brief veröffentlicht, der von 18 imperialistischen Mächten und ihren Verbündeten unterzeichnet wurde. Darin wird der Hamas die gesamte Verantwortung für den Krieg angelastet und die Freilassung der israelischen Geiseln gefordert. Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter kommentierte: „Wenn sie das tun würden, würde sich die Krise entspannen.“

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