Frankreich lehnt russisches Angebot zu Ukraine-Friedensverhandlungen ab

Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu hat seinem französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu während eines Telefonats am Mittwoch Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Kriegs angeboten und Frankreichs Pläne kritisiert, Truppen in die Ukraine zu schicken. Daneben übte Schoigu auch Druck auf Lecornu aus wegen einer möglichen französischen Verwicklung in den Terroranschlag auf die Moskauer Crocus City Hall am 22. März.

Schützenpanzer des Typs AMX-10 RC. Undatiertes Foto des französischen Militärs, freigegeben am 5. Januar 2023 [AP Photo/Jeremy Bessat/Armee de Terre]

Frankreich und Russland haben zwar völlig gegensätzliche Angaben zu dem Telefonat gemacht, die französischen Regierungsvertreter haben jedoch die von Russland angebotenen Friedensverhandlungen eindeutig abgelehnt. Paris treibt seine Pläne weiter voran, Truppen in die Ukraine zu schicken, was nur zu einem Krieg zwischen Atommächten führen kann, und wird dabei von seinen Nato-Verbündeten unterstützt.

Laut einer Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums über das Telefonat gab es „eine bemerkenswerte Bereitschaft zum Dialog über die Ukraine. ... Die Istanbuler Friedensinitiative könnte den Ausgangspunkt bilden.“

Es gab widersprüchliche Aussagen darüber, welche Initiative Schoigu damit meinte. Russische Quellen verwiesen auf den Vorschlag des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu Friedensverhandlungen, den er letzten Monat während eines Besuchs des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gemacht hatte. Laut französischen Quellen ging es um das Friedensabkommen zwischen russischen und ukrainischen Unterhändlern in der Türkei im April 2022, den die ukrainischen Vertreter auf Druck des britischen Premierministers Boris Johnson abgelehnt hatten.

Laut russischen Schilderungen warnte Schoigu Lecornu auch, eine Entsendung von französischen Truppen in die Ukraine „würde Frankreich selbst Probleme schaffen.“

Zum Anschlag auf die Crocus City Hall erklärte Schoigu gegenüber Lecornu, russische Ermittler hätten Beweise für eine Beteiligung der Ukraine, und erklärte: „Das Kiewer Regime tut nichts ohne die Einwilligung seiner westlichen Aufseher. Wir hoffen, dass die französischen Spezialeinheiten nicht dahinter stehen.“

Französische Regierungsvertreter dementierten sofort jedes Interesse an Friedensverhandlungen über die Ukraine. Vertreter des französischen Verteidigungsministeriums erklärten gegenüber AFP, Schoigu sei „bereit gewesen, den Dialog über die Ukraine wieder aufzunehmen“, aber „Frankreich hat weder etwas akzeptiert noch vorgeschlagen“, was die Ukraine betrifft. Obwohl sie über ein Telefonat sprachen, das sie gerade mit dem russischen Verteidigungsminister geführt hatten, erklärten Vertreter des französischen Verteidigungsministeriums gegenüber Le Monde dreist: „Dieser Anruf darf nicht als Versuch gesehen werden, erneut einen Kommunikationskanal mit den Russen zu eröffnen.“

Dennoch wurde das Telefonat laut russischen wie französischen Berichten auf Frankreichs dringendes Ersuchen hin initiiert. Le Monde berichtete: „Da sich das französische Verteidigungsministerium bewusst war, dass das Telefonat Unruhe auslösen könnte, warnte es mehrere seiner europäischen Partner im Vorfeld und kontaktierte sie anschließend, vor allem um russische Manipulationsversuche zu unterbinden.“

Vertreter des französischen Verteidigungsministeriums erklärten: „Der Kampf gegen den Terrorismus hat für die Regierung Priorität. Er hat nichts mit der Ukraine zu tun.“ Sie verwiesen auf den schrecklichen Anschlag in Moskau mit 144 Toten und 551 Verwundeten, den ethnische Tadschiken verübt hatten, die angeblich aus dem Umfeld der Gruppe Islamischer Staat Khorasan stammen.

Sie erklärten weiter, Lecornu habe „daran erinnert, dass Frankreich zu einem verstärkten Austausch“ mit Russland über Antiterror-Operationen bereit ist. Er habe Schoigu erklärt, Frankreich habe „keine Informationen, die diesen Anschlag mit der Ukraine in Verbindung bringen.“

Sie erklärten auch, Lecornu habe Moskau aufgefordert, „alle Versuche einzustellen“, den Anschlag auf die Crocus City Hall „auszunutzen.“

Das Kommuniqué des russischen Verteidigungsministeriums bestätigte, dass Lecornu über die politischen Auswirkungen des Anschlags auf die Crocus City Hall besorgt ist. Er habe „ständig argumentiert, die Ukraine und die westlichen Staaten seien nicht in den Terroranschlag verstrickt, und den ISIS für den Anschlag verantwortlich gemacht.“ ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) ist ein früherer Name der Gruppe Islamischer Staat.

Das Telefonat zwischen Schoigu und Lecornu muss als Warnung vor der unmittelbaren Gefahr einer Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine verstanden werden. Diese Gefahr geht in erster Linie nicht von dem postsowjetischen kapitalistischen Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin aus, sondern von Frankreich und seinen Nato-Verbündeten. Dass Frankreich Schoigus Angebot zu Friedensverhandlungen abgelehnt hat, widerlegt die Propaganda, die Russland als Bedrohung für ganz Europa darstellt, und zeigt, dass nicht Moskau die treibende Kraft in dem Krieg ist, sondern die Nato.

Die französische Regierung bereitet hinter dem Rücken der Bevölkerung einen Krieg vor, der auf Lügen und Verzerrungen beruht. Niemand in Paris hat bekanntgegeben, was Lecornu über die Ukraine gesagt hat. Allerdings ist es schwer zu glauben, dass Lecornu Schoigu nur angerufen hat, um über den Austausch von Geheimdienstinformationen für die Polizeiarbeit gegen Terroristen zu sprechen. Schoigu ist verantwortlich für Russlands Krieg in der Ukraine und damit potenziell für Operationen zur Zerstörung französischer Truppen, sollten sie dort eingesetzt werden.

Die offiziellen Erklärungen der französischen Regierung deuten darauf hin, dass Paris Putin hauptsächlich mitteilen wollte, Diskussionen über den Terroranschlag in Moskau seien inakzeptabel.

Frankreich hat in den Nato-Kriegen in Libyen und Syrien seit 2011 offen islamistische Milizen bewaffnet. Doch französische Regierungsvertreter und Medien haben diese Verbindungen heruntergespielt, nachdem islamistische Terroristen im Jahr 2015 zwei blutige Anschläge in Paris verübt hatten. Macrons Amtsvorgänger François Hollande hatte einen zweijährigen Ausnahmezustand verhängt, in dem demokratische Grundrechte außer Kraft gesetzt, die islamophoben neofaschistischen Kräfte gestärkt und die Befugnisse der Polizei deutlich ausgebaut wurden. Diese Befugnisse werden jetzt für Angriffe auf und Verhaftungen von streikenden oder protestierenden Arbeitern benutzt.

Am Donnerstag attackierten Macron, Hollande und andere Vertreter Frankreichs Schoigu für dessen Vermutung, bei dem Anschlag in Moskau gäbe es eine mögliche Verbindung nach Frankreich. Hollande forderte in einem Interview mit dem öffentlichen Radiosender France Inter den Abbruch der Beziehungen zu Russland: „Man hat gesehen, wie Russland solche Diskussionen ausnutzt und sogar andeutet, Frankreich könnte die Anschläge in Moskau unterstützt haben. ... Ich empfehle: keinen Kontakt mit Russland.“

Macron griff Schoigus Äußerungen auf einer Pressekonferenz in einem Wassersportzentrum für die diesjährigen Olympischen Sommerspiele als „bizarr und bedrohlich“ an. Er behauptete ohne irgendeinen Beweis, Russland könnte die Sommerspiele „angreifen“ und erklärte über den Moskauer Anschlag: „Es ist lächerlich zu sagen, dass Frankreich oder die Ukraine dahinterstecken könnten. ... Aber es ist Manipulation von Informationen und Teil des Kriegsarsenals, wie Russland es heute einsetzt.“

In Wirklichkeit werfen die Aussagen von US-Regierungsvertretern selbst die Frage nach einer möglichen Beteiligung der Nato an dem Anschlag in Moskau auf. Sie behaupteten sofort, ohne irgendeine Untersuchung, dass die Ukraine nicht beteiligt war, und machten den IS-K dafür verantwortlich. Der IS-K hat jedoch viele Soldaten und Spione des Nato-freundlichen afghanischen Regimes rekrutiert, die gegen die Taliban gekämpft und nach deren Rückeroberung von Kabul 2021 in den Untergrund gegangen sind. Der französische Geheimdienst, der an der Nato-Besetzung von Afghanistan beteiligt war, unterhält umfassende Kontakte zu solchen Kräften.

Noch bevor der Kreml konkrete Vorwürfe erhoben hat, die Frankreich mit dem Anschlag auf die Crocus City Hall in Verbindung bringen, versuchen Hollande und Macron, den politischen Folgen der Enthüllungen über ihre Verbindungen zur Ukraine und zu islamistischen Gruppen zuvorzukommen. Sie verschärfen ihre Pläne zu Angriffen auf Russland, selbst wenn sie dabei einen Atomkrieg riskieren.

Dies entlarvt den Bankrott des russischen kapitalistischen Regimes, das versucht, seine derzeitige militärische Überlegenheit in der Ukraine zu benutzen, um einen Deal mit den imperialistischen Nato-Mächten auszuhandeln, die es regelmäßig als seine „westlichen Partner“ bezeichnet.

Timofei Bordatschew, ein Vertreter des Waldai Club, in dem sich Putin mit internationalen Finanziers und Politikern zu Gesprächen trifft, erläuterte diese Perspektive gegenüber der kremlnahen Nachrichtenseite Wsgljad. Er begrüßte Schoigus Telefonat mit Lecornu und erklärte: „In diesem Kontext ist es wichtig, dass Russland seine Bereitschaft zu einem konstruktiven Dialog zeigt – sogar mit Ländern, die kürzlich durch ihre Äußerungen für einen Skandal gesorgt haben.“

Das Scheitern von Schoigus Friedensangebot zeigt, dass es keinen „konstruktiven Dialog“ mit dem Imperialismus gibt. Er strebt keinen Dialog an, sondern Krieg und globale Hegemonie. Das Putin-Regime, das eine modifizierte Version des bankrotten Konzepts der „friedlichen Koexistenz mit dem Imperialismus“ des stalinistischen Regimes anwendet, das 1991 die Sowjetunion aufgelöst hat, steckt in einer Sackgasse. Seine militärischen Erfolge gegen das von der Nato unterstützte ukrainische Regime bringen es einem offenen Krieg mit der Nato nur noch näher.

Die einzige Möglichkeit, den Krieg aufzuhalten, besteht darin, die Massenopposition der Arbeiterklasse zu mobilisieren. Laut Umfragen lehnen 68 Prozent der Franzosen, 80 Prozent der Deutschen und 90 Prozent der Polen die Entsendung von Truppen in die Ukraine ab. Diese Stimmung muss mobilisiert werden, um eine internationale sozialistische Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse aufzubauen – in den Nato-Staaten ebenso wie in Russland und der Ukraine.

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