Der Generalstabschef der französischen Armee, Pierre Schill, hat am Dienstag in einer Kolumne der Zeitung Le Monde angekündigt, Frankreich sei bereit, für den Krieg gegen Russland Truppen in die Ukraine zu schicken.
Schill erklärte: „Wie auch immer sich die internationale Lage entwickelt, in einem kann sich die französische Bevölkerung sicher sein: Ihre Soldaten werden dem Ruf folgen. ... Um sich gegen Aggression zu verteidigen und ihre Interessen zu verteidigen, bereitet sich die französische Armee auf schwerste Kämpfe vor, sie lässt dies wissen und zeigt es.“ Er betonte, Frankreich könne „innerhalb von 30 Tagen 20.000 Soldaten einsetzen.“
Schill erwähnte den Krieg in der Ukraine zwar nicht ausdrücklich, allerdings besteht kein Zweifel daran, dass es ihm darum ging. Macron hatte vor drei Wochen erklärt, dass er die Entsendung europäischer Truppen in die Ukraine nicht „ausschließe.“ Seitdem hat Macron in inoffiziellen Anmerkungen geäußert, er wolle „Jungs“ in die strategisch wichtige südukrainische Hafenstadt Odessa schicken.
Diese Äußerungen bestätigen, dass Macron und die französische Militärführung die Absicht haben, die tiefgehende Opposition der Arbeiterklasse gegen den Krieg mit Füßen zu treten. Laut Umfragen, die nach Macrons Drohung mit einer Bodenintervention veröffentlicht wurden, lehnen 68 Prozent der französischen und 80 Prozent der deutschen Bevölkerung die Eskalation ab. Die imperialistischen europäischen Mächte wollen jedoch, wie schon 1914 und 1939, mit allen Mitteln einen Kurs einschlagen, der zum totalen Krieg führt.
Der Befehlshaber des russischen Militärgeheimdienstes, Sergei Nariyschkin, erklärte ebenfalls am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur TASS, Frankreich plane die Entsendung von Truppen in die Ukraine: „Russland liegen Informationen vor, laut denen Frankreich die Entsendung eines Kontingents von 2.000 Soldaten in die Ukraine plant.“ Weiter hieß es unter Berufung auf Naryschkin: „Die derzeitigen Machthaber des Landes [Frankreich] lassen sich weder vom Tod einfacher Franzosen noch von den Bedenken der Generäle beeindrucken.“
Naryschkin erklärte, die französischen Generäle „befürchten, dass ein so großer militärischer Verband nicht unentdeckt in die Ukraine verlegt und dort stationiert werden kann.“ Er warnte, diese Truppen „werden ein hochrangiges und legitimes Ziel für die russischen Streitkräfte werden.“
Das französische Verteidigungsministerium verurteilte daraufhin in der Dépêche du Midi Naryschkins Warnungen und bezeichnete sie als „verantwortungslose Provokationen“ aus Moskau: „Die Manöver des russischen Auslandsgeheimdienst-Chefs Sergei Naryschkin zeigen erneut, dass Russland systematisch auf Desinformation zurückgreift. Wir halten solche Provokationen für verantwortungslos.“
Die Dementis des französischen Verteidigungsministeriums sind nichts weiter als Lügen, die die Bevölkerung angesichts der Gefahr eines Atomkriegs beruhigen sollen. Macrons Erklärungen haben deutlich gemacht, dass Paris die Entsendung einer beträchtlichen Zahl von Soldaten in die Ukraine plant. Viele Berichte, darunter eine geleakte Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen deutschen Offizieren, das vom russischen Geheimdienst aufgenommen wurde, zeigen, dass Großbritannien und Frankreich bereits Soldaten vor Ort haben.
Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski gab am 14. März anlässlich des 25. Jahrestags von Polens Nato-Beitritt zu, dass bereits Nato-Truppen in der Ukraine stationiert sind: „Es sind bereits Soldaten der Nato-Staaten in der Ukraine, und ich möchte den Botschaftern der Länder danken, die ein solches Risiko eingegangen sind.“ Er gab nicht an, welche Länder bereits Truppen in die Ukraine geschickt haben, und erklärte nur, die Ukrainer wüssten „besser als jeder andere“, wer beteiligt sei.
Warum reagiert das Verteidigungsministerium auf Russlands Warnungen mit diesen verantwortungslosen Dementis? Zweifellos befürchtet es, dass Äußerungen wie die von Naryschkin die wachsende Besorgnis und das Bewusstsein der Bevölkerung für die Gefahr eines totalen Kriegs verstärken werden.
Die französische Regierung ignoriert mit kolossaler Skrupellosigkeit die Gefahren, die von einem direkten Kampf zwischen russischen und Nato-Truppen ausgehen. General Schill schreibt in seiner Kolumne in Le Monde unbekümmert, die „atomare Abschreckung schützt die vitalen Interessen“ Frankreichs. In Wirklichkeit deutet alles darauf hin, dass eine kriegslüsterne Entscheidung Macrons zur Entsendung von Truppen in die Ukraine zu blutigen Kämpfen und wahrscheinlich zum Einsatz von Atomwaffen führen würde.
Niemand in den herrschenden Kreisen gibt eine konkrete Antwort auf die Frage, wo die Eskalation enden würde. Angesichts des Missverhältnisses der Kräfte zwischen mehreren hunderttausend russischen Soldaten und bestenfalls einigen zehntausend französischen Soldaten scheint es unvermeidlich, dass das französische Kontingent entdeckt, angegriffen und zerstört wird. Würde Macron dann noch mehr Soldaten schicken oder Atomwaffen einsetzen, um russische Angriffe auf seine Truppen zu stoppen?
Jedenfalls ist trotz der ohrenbetäubenden anti-russischen Propaganda in den europäischen Medien während der letzten Jahre klar, dass der Krieg für die von der Nato unterstützte ukrainische Armee eine Katastrophe war. Doch obwohl ein Krieg droht, der die menschliche Zivilisation vernichten könnte, schlittern die französische Regierung und ihre Nato-Verbündeten weiter mit geschlossenen Augen in die Katastrophe.
Die französischen Drohungen haben im Kreml erbitterte Reaktionen hervorgerufen. In der Nacht nach seinem massiven Sieg in den Präsidentschaftswahlen – über 87 Prozent der Stimmen – erklärte Wladimir Putin: „Viele Soldaten der Nato-Staaten, darunter auch französische, sind bereits in Russland. [...] Wir wissen, dass Nato-Truppen in der Ukraine sind. Wir hören, dass dort Französisch und Englisch gesprochen wird. Das ist nicht gut, vor allem nicht für sie, weil sie getötet werden, und zwar in großer Zahl.“
Auf die Äußerungen Macrons angesprochen, der die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nicht ausschließen wollte, erklärte Putin: „Es ist allen klar, dass ein Konflikt zwischen Russland und der Nato der letzte Schritt vor einem Dritten Weltkrieg wäre. Ich denke, dass praktisch niemand das will.“
Realität ist jedoch, dass alle kapitalistischen Regierungen eine militärische Eskalation verfolgen, die nicht von Moskau, sondern von den imperialistischen Nato-Mächten angeführt wird. Die Äußerungen von Henri Guaino, einem Berater des früheren rechten Präsidenten Nicolas Sarkozy letzte Woche gegenüber dem Fernsehsender Europe1 haben die Kriegshysterie, die die herrschenden Kreise Frankreichs erfasst hat – insbesondere seit Macron gefordert hat, Truppen in die Ukraine zu entsenden –, recht gut zusammengefasst.
Guaino erklärte: „Es herrscht momentan eine Kreuzzugsmentalität. Die Leute spielen mit dem Krieg, mit etwas, das schrecklich ist. Und nicht nur [Macron], sondern auch Leute, die ich sonst für recht intelligent halte, spielen im Parlament, im Fernsehen und im Radio Krieg. Etwas läuft falsch, die Leute tun so, als sei der Krieg eine Anekdote [...] aber es geht um Leben oder Tod von Nationen. Wir spielen vor dem Hintergrund von Atomwaffen.“
Guaino betonte, seine größte Befürchtung sei eine Explosion der sozialen und politischen Opposition gegen den Krieg in der Ukraine und die imperialistischen Nato-Regime, die ihn geführt haben.
Er erklärte: „Das Risiko bei all dem ist, dass sich die öffentliche Meinung gegen uns wendet. Die Leute sind müde und gespalten. Schauen Sie sich an, in welchem Zustand unsere Gesellschaften sind, und schauen Sie sich an, wie alle unsere früheren Kreuzzüge geendet sind, bei denen wir genau das Gleiche gesagt haben wie heute. Über Vietnam haben wir gesagt, wenn wir dort nicht reingehen, wird es ein asiatisches München [das Münchner Abkommen 1938; d. Übers.] geben, und dann haben wir das Gleiche über Afghanistan gesagt.“
In Wirklichkeit befindet sich das kapitalistische System, wie schon bei den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts, in einer tödlichen Krise. Die katastrophalen Folgen der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie, die Russland und die Ukraine voneinander getrennt und die Grundlagen für die Ausweitung der Nato über ganz Europa geschaffen hat, werden deutlich sichtbar. Der Ausweg besteht darin, zu Protesten und Veranstaltungen gegen den Krieg aufzurufen und für den Aufbau einer internationalen sozialistischen Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse zu kämpfen.