YouTube zensiert David Norths Vortrag über den Tod von Aaron Bushnell

Die YouTube-Firmenzentrale in Los Angeles [AP Photo/Danny Moloshok]

Am Donnerstag wurde die World Socialist Web Site Opfer politischer Zensur durch YouTube. Ein Video des Vortrags „Der Völkermord in Gaza und der Tod von Aaron Bushnell: Was sind die politischen Lehren?“, den der Vorsitzende der internationalen Redaktion der WSWS David North am 12. März an der University of Michigan gehalten hatte, wurde als „altersbeschränkt“ gekennzeichnet.

Trotz mehrfacher Proteste und Appelle hat YouTube diesen Akt der Zensur weder rückgängig gemacht noch in irgendeiner Weise gerechtfertigt. Er zielt eindeutig darauf ab, den 2,7 Milliarden aktiven Nutzern der Plattform den Zugang zum politischen Inhalt von Norths Vortrag zu verwehren. Die Kennzeichnung des Videos als „altersbeschränkt“ bedeutet, dass die Nutzer auf YouTube oder einer anderen Website, auf der es eingebettet ist, einschließlich der WSWS selbst, ein schwarzes Feld mit dem Warnhinweis sehen: „Dieses ist eventuell für einige Nutzer unangemessen!“ (siehe unten).

Das Video der WSWS wurde durch eine „Altersbeschränkung“ zensiert.

Das Ziel dabei war eindeutig, Nutzer daran zu hindern, Norths Vortrag zu sehen. Für Zehntausende von Menschen, die über ihre Handys oder Laptops die WSWS besuchen, war dies störend und verwirrend. Während ein Video des Vortrags auf Tiktok von mehr als 4.000 Personen und auf Twitter/X von mehr als 6.000 Personen gesehen wurde, liegt die Zahl der Zuschauer auf YouTube nur bei einem Bruchteil davon. Deshalb musste die WSWS das YouTube-Video durch einen Twitter/X-Post mit der vollständigen Vorlesung ersetzen.

Zudem können nur Nutzer, die „nachgewiesen“ haben, dass sie älter als 18 Jahre sind und sich mit ihren Accounts einloggen, das Video sehen. Damit werden hunderte Millionen Nutzer der Plattform unter 18 Jahren daran gehindert, den Vortrag überhaupt zu sehen.

Um 8:22 Uhr Ostküsten-Sommerzeit am Donnerstagmorgen legte die WSWS erstmals Widerspruch gegen die Entscheidung von YouTube ein, das Video als „altersbeschränkt“ zu kennzeichnen. Um 8:45 Uhr erhielt die WSWS die unten stehende E-Mail von YouTube, in der unser Einspruch zurückgewiesen wurde und in der es hieß: „Wir haben Ihren Inhalt sorgfältig geprüft und bestätigt, dass er gegen unsere Richtlinien zu selbstverletzendem Verhalten verstößt.“

Die Unehrlichkeit dieser Behauptung ist offenkundig. Da YouTube seine Antwort auf die Beschwerde der WSWS nach nur 23 Minuten geschickt hat, ist es unmöglich, dass in dieser Zeit der Inhalt des 49-minütigen Videos „sorgfältig“ geprüft wurde.

Zudem erkennt jeder, der sich den gesamten Vortrag „sorgfältig“ ansieht, dass er die sensibelste und durchdachteste Analyse des Selbstmords des 25-jährigen Aaron Bushnell darstellt. Er stellt das Ereignis in einen breiteren objektiven und historischen Kontext. Es gibt niemanden, egal welchen Alters, der nicht von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit diesen Fragen profitieren würde – das gilt vor allem für junge Menschen, die häufiger an psychischen Erkrankungen leiden.

In seinem Bericht dokumentiert North akribisch das Phänomen der ständig steigenden Selbstmordraten in den USA, vor allem beim Militär. Als Wurzeln identifiziert er den Ausbruch des US-Imperialismus, die Unterdrückung des Klassenkampfs und die schädliche Propagierung von Individualismus nach der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991.

Danach kritisiert er einen Essay von Chris Hedges, der Bushnells Selbstmord unmissverständlich befürwortet. North erklärt, Hedges mache sich damit „nicht nur nachträglich zum Komplizen des Todes des jungen Mannes, sondern auch zum Anstifter künftiger Protestselbstmorde“. Er charakterisiert Hedges' Essay als „Mischung aus religiösem Mystizismus, bürgerlichem Utopismus, politischer Desorientierung, Geschichtsfälschung und Verherrlichung des Irrationalismus“.

North fasst die Bedeutung von Hedges Befürwortung des Selbstmords als praktikabler politischer Strategie prägnant zusammen: „Der Aufsatz von Hedges zeigt den Pessimismus, den intellektuellen Bankrott und den zutiefst reaktionären Charakter der pseudolinken Mittelschicht, d. h. der ideologischen Vorstellungen, die im Allgemeinen an den Universitäten vorherrschen.“

North lehnt Selbstmord als Taktik ab und betont, junge Menschen müssten die marxistischen Klassiker studieren und den Kampf für den revolutionären Sozialismus aufnehmen, und erklärt: „Setzt also eure Wut und Empörung in wirkungsvolles politisches Handeln um, in die Entschlossenheit, die marxistische Theorie zu meistern, euch die Lehren aus der Geschichte anzueignen und euch mit den großen revolutionären Kämpfen des letzten Jahrhunderts vertraut zu machen.“

Er unterstützt oder rechtfertigt Bushnells Selbstmord nirgendwo in seinem Vortrag, und es ist völlig unklar, weshalb das Video den Zensuralgorithmus von YouTube ausgelöst hat. An keiner Stelle des Videos tauchen Szenen oder Bilder von Bushnells Selbstverbrennung auf. Lediglich das bekannte Foto der Selbstverbrennung von Thích Quảng Đức aus dem Jahr 1963, das zum World Press Photo of the Year gekürt wurde, ist kurz zu sehen. Allerdings gibt es auf YouTube zahlreiche Videos, die dieses Bild ebenfalls zeigen und nicht „altersbeschränkt“ sind.

Die einzige relevante Klausel aus ihren „Richtlinien zu selbstverletzendem Verhalten“ ist, dass der Vortrag als „Inhalt, der erzieherischen, dokumentarischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecken dient“ oder als „Inhalt, der von öffentlichem Interesse ist“ eingestuft werden könnte. Diese weit gefassten Kategorien werden als Gründe aufgeführt, die die „Altersbeschränkung“ auslösen können, was den völlig willkürlichen und undemokratischen Charakter dieser Regeln verdeutlicht.

Nach der Ablehnung unseres Einspruchs, die „Altersbeschränkung“ aufzuheben, korrespondierte die WSWS mit zwei „YouTube-Support Assistants“ und einem „Supervisor des YouTube Support Experience-Teams“, bei denen es sich genausogut um KI-generierte Chat-Bots handeln könnte, die sich als echte Menschen ausgeben.

Jeder dieser „Assistants“ versicherte der WSWS in kafkaesker Weise wiederholt, dass die Angelegenheit „gründlich untersucht“ wurde, weigerte sich jedoch, irgendwelche Details zu nennen, was der Grund für die „endgültige und abschließende“ Entscheidung zur Zensur war. Die Korrespondenz umfasste u.a. Folgendes:

WSWS: Das ist eindeutig ein nicht zu rechtfertigender Akt der Zensur gegen einen linken, sozialistischen Nachrichtenanbieter. Der Zeitpunkt unseres Einspruchs und die E-Mail von YouTube machen deutlich, dass die „Prüfer“ nur 23 Minuten, also weniger als die Hälfte der Laufzeit des Videos, mit der angeblichen Prüfung verbracht haben.

YouTube: Ich kann nachvollziehen, wie schwierig das für Sie sein kann, und ich kann Ihnen versichern, dass wir Ihre Anfrage gründlich geprüft haben. [...]

YouTube: Nach Prüfung der Details kann ich bestätigen, dass Ihr Video von unseren internen Prüfern sorgfältig bewertet und dass bestätigt wurde, dass es unter unsere Richtlinie zu Altersbeschränkungen fällt, insbesondere unter unsere Richtlinie zu Selbstmorden und Selbstverletzung. Daher wird die Altersbeschränkung für Ihr Video beibehalten. Ich verstehe vollkommen, dass das für Sie beunruhigend sein kann, vor allem da die Entscheidung bereits nach etwa 20 Minuten getroffen wurde, während das Video 49 Minuten lang ist.

WSWS: Das ist keine wirkliche Antwort. Sie wiederholen einfach die gleiche haltlose Behauptung wie die beiden anderen Support-Mitarbeiter, mit denen ich kommuniziert habe, und die ursprüngliche E-Mail, die wir nach unserem Einspruch erhielten. Uns wurde nicht mitgeteilt, was genau diese Zensur ausgelöst hat, und wir verlangen, dass uns diese Details mitgeteilt werden.

YouTube: Wir weisen Sie darauf hin, dass unser internes Team aus erfahrenen Fachleuten besteht, die darin geschult sind, alle Einsprüche objektiv und fair zu bewerten, vor allem hinsichtlich unserer Community-Richtlinien. [...]

YouTube: Leider ist die Entscheidung endgültig und bindend...

YouTube: Ich verstehe Ihr Interesse an einer Rücknahme der Entscheidung. Doch unser internes Team, das auf die Überprüfung von Inhalten gemäß unseren Richtlinien spezialisiert ist, hat die Entscheidung bestätigt, und diese ist endgültig.

Die Zensur der WSWS ist im Wesentlichen ein politischer Angriff auf die demokratischen Grundrechte der Weltbevölkerung, vor allem das Recht auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit. Der Selbstmord von Aaron Bushnell ist ein Ereignis von enormer Bedeutung und großem öffentlichen Interesse und wurde von Millionen Menschen auf der ganzen Welt verfolgt und diskutiert.

North befasst sich in seinem Vortrag als einziger aus einer marxistischen Perspektive mit Bushnells Tod. YouTubes Zensur zielt darauf ab, den Vortrag totzuschweigen und vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Dies geschieht im Rahmen der Bemühungen, jeden Widerstand gegen den von den imperialistischen Mächten unterstützten israelischen Völkermord an den Palästinensern zu zensieren.

Es ist mehr als deutlich, dass es sich hier um gezielte Zensur handelt. Wenn man auf YouTube nach „Bushnell Selbstmord“ sucht, findet man fast alle Videos ohne das Kennzeichen „altersbeschränkt“, darunter auch einige, die das grausame Selbstmord-Video zeigen. Das einzige andere Video, das genauso wie das von der WSWS zensiert wurde, war ein Nachrichtenbericht über Bushnells Selbstmord vom linken Programm Democracy Now!

Es ist das erste Mal, dass YouTube ein Video der World Socialist Web Site direkt zensiert hat. Nur drei Monate zuvor hatte die WSWS David Norths früheren Vortrag in Berlin über den Völkermord in Gaza veröffentlicht, der mehr als 12.000-mal angesehen wurde. Zweifellos hat die Popularität dieses Vortrags die Entscheidung von YouTube beeinflusst, die WSWS direkt zu zensieren.

YouTube befindet sich im Besitz von Google, das seit dem Frühjahr 2017 einen Apparat zur Internetzensur aufgebaut hat. Dieser wurde erstmals von der World Socialist Web Site aufgedeckt, die das Hauptziel war. Der Vorstandschef des Google-Mutterkonzerns Alphabet, Sundar Pichai, gab im Oktober 2020 bei einer Anhörung im US-Senat zu, dass das Unternehmen die WSWS zensiert hat.

YouTube und alle anderen sozialen Netzwerke haben ein zunehmendes Zensurregime gegen jede Kritik an der israelischen Regierung und ihre imperialistischen Hintermänner aufgebaut, u.a. durch die Demonetarisierung von MintPress News (MPN) kurz nach Beginn des Kriegs in Gaza.

Diese Zensur der WSWS und aller anderen linken Medien muss bekämpft werden. Während der Weltkapitalismus immer tiefer in Barbarei und Diktatur abgleitet, finden unablässige Angriffe auf alle demokratischen Rechte statt. Nur der Aufbau einer revolutionären Bewegung der internationalen Arbeiterklasse kann diese Prozesse beenden, die überholte Gesellschaftsordnung stürzen und die Bedingungen für eine massive internationale Ausweitung der sozialen und demokratischen Rechte schaffen.