Das schmutzige Manöver der Labour Party gegen den Antrag auf Waffenstillstand in Gaza stürzt das britische Parlament ins Chaos

Am Mittwoch brach im britischen Parlament aufgrund einer Debatte über einen Antrag der Scottish National Party (SNP), in dem ein sofortiger Waffenstillstand in Gaza gefordert wurde, Chaos aus. Zuvor hatte der Speaker (Parlamentspräsident) Sir Lindsay Hoyle zugestimmt, einen Änderungsantrag der Labour Party von Sir Keir Starmer zusammen mit dem Gegenantrag der konservativen Regierung zu debattieren.

Daraufhin verließen die gesamte SNP und viele Abgeordnete der Regierung den Saal. Die Vorsitzende der Unterhausfraktion und Tory-Abgeordnete, Penny Mordaunt, gab bekannt, dass die Regierung ihre Beteiligung an der Debatte am Opposition Day zurückgezogen hat, und warf Hoyle vor, das Verfahren „an sich gerissen“ zu haben.

Jeremy Corbyn (links) und Sir Keir Starmer bei einer Veranstaltung während der Parlamentswahlen 2019, als Corbyn noch Parteichef war [AP Photo/Matt Dunham, File]

Hoyles Entscheidung war eine persönliche Intervention Starmers vorausgegangen. Laut dem Guardian hatte Starmer Hoyle in seinem Büro hinter dem Plenarsaal des Unterhauses besucht. Dazu hieß es: „Laut denjenigen, die über das Treffen informiert waren, hat der Labour-Parteichef Hoyle gewarnt, die Sicherheit der Labour-Abgeordneten sei gefährdet. Viele von ihnen wurden mit Kritik, Drohungen und Beleidigungen überschüttet, nachdem sie sich im November bei einem ähnlichen Antrag der SNP der Stimme enthalten hatten. Da sich Hunderte von Demonstranten vor dem Parlament versammelt hatten, befürchteten sie, dass Schlimmeres bevorsteht. Nach einer angespannten Sitzung, bei der die Labour-Abgeordneten verzweifelt im Plenarsaal verharrten, stimmte Hoyle schließlich zu.“

Starmer sah sich mit einer möglichen Rebellion von 100 seiner Abgeordneten konfrontiert, darunter zwei führende Politiker, die angekündigt hatten, für den Antrag der SNP zu stimmen, wenn Starmer seine Haltung zu einem Waffenstillstand nicht ändere.

Hoyle, der dem ersten Teil der Debatte ferngeblieben war, die von seinem Stellvertreter geleitet wurde, war gezwungen, zurückzukehren und eine unterwürfige Entschuldigung zu verlesen. Zuvor war eine Abstimmung darüber angesetzt worden, ob das Unterhaus zum ersten Mal seit 2001 nicht öffentlich tagen sollte – was sehr selten vorkommt und abgelehnt wurde. Er wurde mit Rücktrittsforderungen konfrontiert und beschuldigt, mit der Labour-Partei konspiriert zu haben.

Der Tory-Abgeordnete William Wragg brachte daraufhin einen Misstrauensantrag gegen Hoyle ein, der bis zum Mittwochabend von 33 Abgeordneten, hauptsächlich von der SNP, unterzeichnet wurde. Mittlerweile ist die Zahl der Unterschriften auf 60 gestiegen.

Ohne Beteiligung der Regierung und der SNP wurde Labours ergänzte Resolution ohne formelle Abstimmung verabschiedet. Sie spricht sich formell für einen „sofortigen humanitären Waffenstillstand“ aus, was jedoch durch pro-israelische Vorbehalte negiert wird. Zudem ist sie nicht verbindlich, und die Regierung wird sie nicht akzeptieren.

Der Vorsitzende der SNP-Fraktion in Westminster, Stephen Flynn, erklärte in seiner Antwort auf eine Entschuldigung von Hoyle, es sei „eine Schande, dass Sir Keir Starmer und der Parlamentspräsident sich abgesprochen haben, um die Abstimmung des Parlaments über den Antrag der SNP zu verhindern.“

Starmer, Rechtsanwalt und ehemaliger Generalstaatsanwalt, war bereit, die angebliche „Unparteilichkeit“ des Parlamentspräsidenten zu gefährden, um eine schwere Krise seiner Führung und der gesamten Labour Party abzuwenden. Nachdem er monatelang damit geprahlt hatte, die „Linke“ zerschlagen und die Labour Party für die Regierungsverantwortung umgestaltet zu haben, war er gezwungen, die Auswirkungen der massiven Feindseligkeit und Opposition wegen der offenen Unterstützung des israelischen Völkermords durch seine Partei abzuwehren.

Am 15. November letzten Jahres hatte die SNP einen Änderungsantrag zur Rede des Königs eingebracht, in dem ein Waffenstillstand gefordert wurde. Starmer wies seine Abgeordneten daraufhin an, sich zu enthalten, was fast drei Viertel (142) taten. Nur 56 stimmten für einen Waffenstillstand, und acht führende Labour-Mitglieder traten zurück.

Nach monatelangem Gemetzel und der Ankündigung Israels, am 10. März eine Bodenoffensive gegen Rafah zu beginnen, fürchtete Starmer, dass noch weitaus größere Spaltungen in seiner Partei eine Krise der gesamten herrschenden Klasse auslösen könnten. Am Dienstag kündigte Labour seinen „Kurswechsel“ an, begleitet von Starmers Krokodilstränen sowie anderer Verteidiger des Zionismus wie Wes Streeting. Statt wie bisher eine „humanitäre Pause“ forderte sie einen „sofortigen humanitären Waffenstillstand“, um Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu ermöglichen, und appellierte an Israel, auf die geplante Bodeninvasion auf Rafah zu verzichten.

Allerdings wurde das an die Bedingung geknüpft, dass die Hamas die Geiseln freilässt, die sie am 7. Oktober entführt hat, und ihre Waffen niederlegt. Das würde bedeuten, sich zu ergeben und auf Gefängnis und Tod zu warten, denn „von Israel kann nicht erwartet werden, dass es die Kämpfe einstellt, wenn die Hamas mit der Gewalt fortfährt.“

Abgesehen von dem Wort „Waffenstillstand“ entspricht die „neue“ Position der Labour Party der Haltung der USA, die Israel ein Vetorecht gegenüber jedem Waffenstillstand einräumen. Berichten zufolge wurde der Antrag der Labour Party während der Münchner Sicherheitskonferenz mit Starmer diskutiert. Auf dieser Konferenz formulierte die Biden-Regierung ihre eigene Resolution, in der sie sich für einen „vorläufigen Waffenstillstand in Gaza, sobald er durchführbar ist“ aussprach. Damit rechtfertigte sie ihr Veto gegen eine von Algerien eingebrachte Forderung nach einem Waffenstillstand im UN-Sicherheitsrat am Montag, bei der sich Großbritannien enthielt.

Starmer konnte den Sieg nur erringen, weil „Dutzende“ von „Rebellen“ der Labour Party bereit waren, diesen durchsichtigen Betrug zu akzeptieren und der Rest das Gleiche tat, als Hoyle ihnen die Gelegenheit dazu bot.

Die Labour-„Linke“ leistete keinen wirklichen Widerstand dagegen. Jeremy Corbyn gab seine üblichen moralischen Allgemeinplätze von sich und weigerte sich erneut, Starmer namentlich zu erwähnen, sondern sprach nur von einem „entsetzlichen Tag für das britische Parlament.“ Sein ehemaliger Schattenfinanzminister John McDonnell brüstete sich auf X/Twitter, er habe einen „Antrag zur Geschäftsordnung benutzt, um festzuhalten, dass ich sowohl für den Antrag der SNP als auch für den Änderungsantrag von Labour gestimmt hätte, da beide einen sofortigen Waffenstillstand fordern.“

Hoyles Intervention bedeutete außerdem, dass das Parlament einen Antrag der Tories, der von Benjamin Netanjahu persönlich stammen könnte, nicht formell unterstützen musste. Der Antrag der Tories forderte „Verhandlungen zur Vereinbarung einer sofortigen humanitären Pause“, betonte aber erneut ausdrücklich „Israels Recht auf Selbstverteidigung“ und verurteilte „die Morde, Misshandlungen und genderbasierte Gewalt“ am 7. Oktober. Er erklärte, dass die Unterstützung für „Schritte zu einem dauerhaften und nachhaltigen Waffenstillstand“ die Freilassung aller Geiseln und die Entmachtung der Hamas durch die „Bildung einer neuen palästinensischen Regierung“ voraussetze.

Berichten zufolge stellten sich Tory-Abgeordnete gegen die Regierung, und ihr Antrag hätte scheitern können. Jetzt kann sich die Regierung auf Forderungen nach Hoyles Rücktritt konzentrieren – wegen Verstoßes gegen eine Konvention, die erst 1979 eingeführt wurde, und um die Unterstützung des anhaltenden Völkermords in Gaza voranzubringen.

Die wichtigste Lehre, die aus dieser grotesken Zurschaustellung von Zynismus im Parlament am Mittwoch gezogen werden muss, ist, dass das Parlament keine Grundlage für den Kampf gegen den Völkermord bietet.

Hunderttausende demonstrieren am 14. Januar in der Londoner Innenstadt gegen den Völkermord in Gaza und die britische Beteiligung an den Luftangriffen auf den Jemen.

Die SNP beklagt sich darüber, mit Verachtung behandelt zu werden, doch tatsächlich richtet sich diese Verachtung gegen die Millionen von Arbeitern und Jugendlichen, die einen Waffenstillstand gefordert haben, gegen die zehntausenden von bereits ermordeten Palästinensern und gegen die hunderttausenden vom Tode bedrohten Palästinenser in Rafah.

Vor dem Parlament versammelten sich Tausende zu einer Protestveranstaltung, zu der die Palestine Solidarity Campaign und die Stop the War Coalition aufgerufen hatten. Beide Organisationen haben versucht, die Massenproteste vor den Karren der Labour Party zu spannen, und behauptet, sie könne dazu gebracht werden, einen Waffenstillstand zu unterstützen. Die schmutzigen Manöver im Parlament am Mittwoch beweisen jedoch das Gegenteil.

Die Tory-Regierung, die Labour Party und ihre Unterstützer in der Gewerkschaftsbürokratie und alle Institutionen des kapitalistischen Staats sind entschlossen, Israel zu unterstützen. Dies ist Teil allgemeinerer Bestrebungen, die Welt und ihre Ressourcen durch Kriege gegen Russland in der Ukraine, gegen den Iran im Nahen Osten und die Vorbereitung eines Krieges gegen China neu aufzuteilen.

Jetzt ist nicht die Zeit für weitere Appelle an das Parlament, sondern für die systematische Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen alle Parteien der herrschenden Klasse und ihren repressiven Staatsapparat als Teil einer weltweiten sozialistischen Bewegung gegen Völkermord und Krieg.

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