Die Labour Party gegen die Arbeiterklasse: Sir Keir Starmer lobt Margaret Thatcher

In einer Kolumne für den Sunday Telegraph, das Sprachrohr der rechten Konservativen, streckt Labour-Parteichef Sir Keir Starmer den Tory-Wählern „die Hand der Freundschaft“ entgegen und lobt Margaret Thatcher für ihre Leistung, „Großbritannien aus seiner Erstarrung zu reißen, indem sie unseren natürlichen Unternehmergeist entfesselte“.

Der Artikel unter dem Titel „Die Wähler wurden beim Brexit und bei Immigration verraten. Ich bin bereit, Fakten zu schaffen“ war bereits Starmers vierzehnter Beitrag in dem rechten Blatt seit seiner Wahl zum Labour-Parteichef im April 2020. Er kündigt darin „eiserne Haushaltsdisziplin“ und den Einsatz „aller geheimdienstlichen und polizeilichen Mittel Großbritanniens“ gegen Asylsuchende an, die versuchen, in kleinen Booten den Ärmelkanal zu überqueren. Er bezeichnet Labour als die richtige Partei für diejenigen, die „glauben, dass Großbritannien Stabilität, Ordnung, Sicherheit braucht und … dass sich dieses Land ändern muss, um wieder zu alter Größe zurückzufinden.“

Sir Keir Starmers jüngstes Interview mit dem Tory-nahen „Telegraph“ am 2. Dezember 2023 [Photo: screenshot: Telegraph website]

In seinem Absatz über Thatcher lobt Starmer auch Tony Blair, der „eine abgestandene, veraltete Labour Party wieder zu einer Partei gemacht hat, die vom Optimismus der späten 90er Jahre profitieren konnte“, sowie Clement Attlee, „der geschrieben hatte, Labour müsse als Partei für Pflicht und Patriotismus stehen, und nicht für abstrakte Theorie“.

Die heutige Labour Party habe sich „in den letzten drei Jahren dramatisch verändert“. indem sie eine „Schocktherapie“ anwandte – womit er den Ausschluss bzw. Austritt tausender Mitglieder meint.

Starmers Artikel ist ein Höhepunkt von Labours Bestrebungen, sich als zuverlässiger, gleichwertiger Ersatz für die krisengeschüttelte Tory-Regierung darzustellen. Nur drei Monate zuvor hatte die Schatten-Finanzministerin Rachel Reeves in der gleichen Zeitung erklärt, Labour habe keine Pläne für Ausgaben, um die soziale Krise zu bewältigen. Nur zwei Monate zuvor hatte sich die Labour Party auf ihrem Parteitag zu Autoritarismus, Sozialkürzungen und Krieg verpflichtet. Auch der Völkermord Israels im Gazastreifen wird von der Partei unterstützt.

Margaret Thatcher wird in rechten Kreisen hoch gelobt. Sie gilt als Leitfigur im Klassenkrieg des britischen Imperialismus während der Nachkriegszeit. Sie hatte Polizei und Militär gegen die Arbeiterklasse mobilisiert, vor allem während des Bergarbeiterstreiks von 1984-1985, und eine Periode steigender Arbeitslosigkeit, umfassender Sozialkürzungen und Privatisierungen sowie stark ansteigender sozialer Ungleichheit eingeläutet. Sie übernahm die Rhetorik der extremen Rechten, um Feindseligkeit gegenüber Immigranten zu schüren, die, so ihre Worte, das Land „überflutet“ hätten.

Durch sein Lob für Thatchers „Zielstrebigkeit“ (wie er sich später gegenüber der BBC ausdrückte) signalisiert Starmer der herrschenden Klasse, dass er als Premierminister eine ähnlich brutale Offensive anführen will.

In einer Rede vor dem Thinktank „Resolution Foundation“ bestätigte Starmer am Montag diese Botschaft. Er warnte: „Wer von einer künftigen Labour-Regierung erwartet, dass sie schnell den Geldhahn aufdreht, wird enttäuscht werden.“

Starmer zog einen Vergleich zu früheren Wirtschaftskrisen: „Es ist schlimmer als in den 1970er Jahren, schlimmer als die Rezessionen der 1980er und 1990er, und sogar schlimmer als der große Zusammenbruch von 2008.“ Auf alle diese Krisen hatte die herrschende Klasse, ob nun Tory- oder Labour-Regierungen an der Macht waren, mit einem Frontalangriff auf die soziale Lage der Arbeiterklasse reagiert.

Weiter erklärte Starmer auch den Vergleich mit 2010 für „lehrreich“. Er bezog sich auf die damals eingeleitete Welle von Kürzungsmaßnahmen, in deren Folge so gut wie alle Indizes für sozialen Fortschritt sanken, aber: „Heute sind die Schulden und die Zinssätze viel höher. Großbritanniens Stellung hat sich verschlechtert. Das Wachstum stagniert, öffentliche Dienstleistungen sind am Boden. Die Steuern sind höher als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt seit dem Krieg. Nichts davon traf im Jahr 2010 zu.“

Mit anderen Worten, in den kommenden Jahren stehen noch brutalere Angriffe auf die Arbeiterklasse bevor als in den letzten 13 Jahren. Und Starmer hat bereits angedeutet, dass Immigranten dafür als Sündenböcke herhalten sollen.

Die grotesken Vermögen der Superreichen sollen jedoch nicht angetastet werden. Der Labour-Parteichef erklärte vor der Resolution Foundation ausdrücklich: „Es geht hier nicht um eine ungleiche Konzentration von Reichtum und Chancen.“

Das Gerede der Medien über „Gegenwind“ in der Labour Party gegen Starmers Kommentar im Telegraph war stark übertrieben. Die große Mehrheit der Abgeordneten stimmt ihm uneingeschränkt zu, und die schwindende Labour-„Linke“ ist bereit, ihre persönlichen Bedenken für sich zu behalten, statt Starmer herauszufordern.

Die Lobhudelei für Thatcher ist nichts Neues. Die Niederlagen, die sie der Arbeiterklasse in den 1980er Jahren zufügte, waren nur möglich geworden, weil die Labour Party unter Neil Kinnock extrem nach rechts gerückt war und die Gewerkschaften vom Trades Union Congress jeden Kampf der Arbeiter abgewürgt, isoliert und verraten hatten – vor allem den einjährigen Bergarbeiterstreik.

Stalinistische Akademiker wie Eric Hobsbawm in seinem Buch „Forward March of Labour Halted“ (Vormarsch der Labour Party gestoppt) und Stuart Hall in „The Great Moving Right Show“ (Die große Rechtsruck-Show) stellten den „Thatcherismus“ als überwältigende Kraft dar, die nicht im Klassenkampf besiegt, sondern nur in einer Auseinandersetzung darüber „herausgefordert“ werden konnte, wie kulturelle und soziale Fragen definiert werden sollten. Diese Haltung wurde zur wichtigsten ideologischen Grundlage für die Entstehung von New Labour, die Thatchers „Marktwirtschaftspolitik“ vollständig übernahm.

Thatcher selbst erklärte Tony Blair und New Labour zu ihren größten politischen Erfolgen.

Der nationale Wahlkampfkoordinator von Labour, Pat McFadden, verteidigte Starmers Kommentare auf LBC Radio mit den Worten: „Ich weiß noch, dass Gordon Brown in seiner Zeit als Premierminister Mrs. Thatcher zum Tee in die Downing Street 10 eingeladen hatte und sie als Überzeugungspolitikerin bezeichnete, die die Notwendigkeit für Veränderungen erkannt hatte … In der Tat hat Gordon Brown sie gelobt. Tony Blair nannte sie eine überragende Figur, und jetzt hat Keir sich ähnlich geäußert.“

Die von McFadden beschriebene Kontinuität entlarvt die Rolle Jeremy Corbyns, der 2015-2020 an der Spitze der Labour Party stand, als das, was sie war: die Verteidigung einer rechten Partei gegen die linke Massenbewegung der Arbeiter und Jugendlichen, die ihm den Vorsitz gebracht hatte.

Starmer verdankt seine heutige Position der Rolle Corbyns, der jeden Kampf gegen die rechte Mehrheit der parlamentarischen Labour Party verhinderte und seine Unterstützer politischen Hexenjagden auslieferte, vor allem in Form wahrheitswidriger Antisemitismusvorwürfe. Hinter der Kulisse einer bunten Gemeinschaft wurde die Labour Party unter Corbyns Führung als Werkzeug des britischen Imperialismus erhalten und entwickelte sich zum Brutkasten für Starmers Schattenkabinett.

Die Arbeiter sind mit einer harten Realität konfrontiert: Es gibt im Parlament nicht einmal mehr eine Partei, die als angeblich „kleineres Übel“, unterstützt werden könnte. Dies war zwar nie ein guter Grund, eine kapitalistische Partei zu wählen, aber heute gibt es ihn schlicht nicht mehr. Die Labour Party unterscheidet sich durch nichts von den Tories und ist auch noch stolz darauf. Die Erfahrung mit Corbyn hat gezeigt, dass sich daran nichts ändern lässt.

Wenn die Arbeiterklasse ihre sozialen Interessen verteidigen will, muss sie ihre eigene unabhängige Partei aufbauen. Die Socialist Equality Party warnte nur wenige Tage nach Corbyns Wahl zum Parteichef: „Diese Partei gleicht in ihrer Politik, ihrer Organisation und der sozialen Zusammensetzung ihres Apparats den Tories, nur im Namen unterscheidet sie sich. Niemand kann ernsthaft glauben, man könne Labour in ein Kampfinstrument der Arbeiterklasse verwandeln.“

Während des Angriffs auf Corbyns Anhänger, die der Labour Party beigetreten waren, um gegen die Rechten zu kämpfen, verteidigte die SEP die Corbyn-Anhänger. Sie erklärte aber, Corbyns Behauptung, nur unter der Voraussetzung der Parteieinheit könne Labour eine „Regierung der vielen, nicht der wenigen bilden“, sei ein „ein gefährlicher Irrtum. Er entwaffnet Arbeiter und Jugendliche, denn sie sind mit Verschwörern in den höchsten Rängen des Staates konfrontiert. Diese schrecken vor nichts zurück, um die Finanzoligarchie zu verteidigen.“

Die SEP führte den Kampf gegen Corbyn vom Standpunkt der theoretischen und politischen Traditionen des Trotzkismus, des Marxismus des 21. Jahrhunderts, der jeder echten sozialistischen Antwort auf die Krise des Kapitalismus zugrunde liegen muss.

Der Aufbau der SEP ist die dringende Aufgabe. Der Völkermord in Gaza und die uneingeschränkte Unterstützung, die er von allen imperialistischen Mächten erhalten hat, ist der brutalste Ausdruck des Zustands der Klassen- und nationalen Gegensätze auf der ganzen Welt. Er ist das Ergebnis jahrzehntelanger Verschärfung von Ungleichheit und Austerität, der Auswirkungen der Pandemie und des Ausbruchs blutiger neuer Kriege.

Wie alle bürgerlichen Parteien weltweit bereiten sich die Tories und die Labour Party auf eine Konfrontation mit der Arbeiterklasse vor. Starmer warnte in seiner Rede bei der Resolution Foundation: „Der politische Konsens, dass man vorankommt, wenn man hart arbeitet und sich an die Regeln hält – der Mörtel, der die britische Gesellschaft zusammenhält – ist für Millionen nur noch eine Lüge. Dies ist zu einer Quelle geworden, der noch viele politische Grausamkeiten entspringen können.“

Labours Reaktion besteht darin, die Polizei zu stärken, demokratische Rechte auszuhöhlen und Streiks ebenso wie die Proteste von Hunderttausenden gegen Israels Krieg zu unterdrücken. Arbeiter und Jugendliche müssen ihre Antwort in der internationalen sozialistischen Bewegung finden, die von der Socialist Equality Party und dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale vertreten wird.

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