Ukraine: Selenskyj entlässt offiziell Oberbefehlshaber Saluschnyj

Die offizielle Entlassung von General Walerij Saluschnyj als Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte durch Präsident Wolodymyr Selenskyj stellt einen wichtigen Wendepunkt in dem fast zwei Jahre andauernden Nato-Stellvertreterkrieg dar, der mindestens 400.000 ukrainische Soldaten das Leben gekostet hat.

Selenskyj gab die Entscheidung am Donnerstagabend auf seinen X/Twitter- und Telegram-Kanälen bekannt und beendete damit die seit über zehn Tagen andauernden Spekulationen über die baldige Entlassung Saluschnyjs.

Selenskyj schrieb: „Ich habe mich mit General Walerij Saluschnyj getroffen und ihm für die Verteidigung der Ukraine in den letzten zwei Jahren gedankt. Wir haben die Erneuerung besprochen, die die Streitkräfte der Ukraine brauchen. Wir haben auch darüber gesprochen, wer an der erneuerten Führung der Streitkräfte der Ukraine beteiligt sein sollte. Der Zeitpunkt für eine solche Erneuerung ist jetzt. Ich schlug General Saluschnyj vor, Teil des Teams zu bleiben. Wir werden auf jeden Fall gewinnen! Ruhm der Ukraine!“

Zusammen mit seiner Ankündigung veröffentlichte Selenskyj ein Foto, auf dem er und Saluschnyj sich die Hände schütteln und lächeln. Dies sollte offensichtlich einen freundlichen Meinungsaustausch zwischen den beiden nahelegen, obwohl gut dokumentiert ist, dass ihre Beziehung äußerst angespannt ist.

Wie der amerikanische Investigativjournalist Seymour Hersh letzte Woche berichtete, befürchtet Selenskyj eine „drohende Meuterei“ der Streitkräfte sowie von rechtsextremen politischen Gruppen, die den Krieg am lautstärksten unterstützen und vor allem bei den ukrainischen Spezialoperationen eine wichtige Rolle spielen. Hersh verwies auf einen Vertreter der US-Regierung, der erklärte, Selenskyi sei ein „toter Mann“, wenn er Saluschnyj entlässt. Hersh berichtete außerdem, Saluschnyj habe sich mit Vertretern der USA und anderer westlicher Staaten getroffen, um über Verhandlungen für einen Waffenstillstand mit Russland zu sprechen. Selenskyj sei darüber verärgert gewesen.

Saluschnyjs Nachfolger wird General Oleksandr Syrskyj sein, der zuvor seit 2019 Oberbefehlshaber der ukrainischen Bodentruppen war.

Im Vorfeld von Saluschnyjs Entlassung hatten sowohl ukrainische als auch westliche Medien berichtet, Selenskyj hätte seine Befehle oft absichtlich direkt an Syrskyj übermittelt und Saluschnyj übergangen. Syrskyj ist außerdem berüchtigt für seine Führungsrolle bei der Verteidigung von Bachmut in einer Schlacht, die zehntausende ukrainische Soldaten das Leben gekostet hat und die aufgrund der hohen Opferzahlen auf beiden Seiten „Fleischwolf“ genannt wurde.

Ähnliche Taktiken werden jetzt auch in der ostukrainischen Stadt Awdijiwka verfolgt. Berichten zufolge hat Selenskyj angeordnet, die Stadt zu halten, obwohl ein hohes Risiko besteht, dass die ukrainischen Truppen dort eingekesselt werden und ähnlich hohe Verluste erleiden wie zuvor in Bachmut. Syrskyjs Ernennung wird daher wahrscheinlich zu weiteren hohen Verlusten und wachsender Feindseligkeit gegenüber Selenskyj unter den Truppen an der Front führen.

Die Financial Times schrieb über die ersten Reaktionen auf die Entscheidung: „Ukrainische Soldaten und westliche Regierungsvertreter, die anonym bleiben wollten, erklärten gegenüber der FT, Syrskyjs Ernennung zum Oberbefehlshaber verheiße nichts Gutes für den Krieg. Soldaten, die ihn in Interviews kritisiert haben, erklären, er habe die Soldaten mitleidlos verheizt. Einige nannten ihn ,den Schlächter‘.“

Die Financial Times zitierte auch einen ukrainischen Soldaten, der auf X/Twitter geschrieben hatte: „Wir sind alle erledigt.“ Er fügte hinzu, dies sei die Stimmung in einer privaten Chat-Gruppe von Soldaten, die „mit Syrskyj alle Stadien der Verteidigung von Bachmut durchgemacht haben“.

Illia Ponomarenko, ein rechter Kriegsberichterstatter des Nato-freundlichen Kyiv Independent, der zuvor in das neonazistische Asow-Bataillon integriert war, äußerte auf X/Twitter seinen Unmut über den Wechsel zu Syrskyj aus der Sicht des ukrainischen Nationalismus: „Ja, der neue oberste kommandierende General der Ukraine im Krieg gegen die russische Invasion ist ein gebürtiger Russe, der in Russland geboren und aufgewachsen ist. Er hat dort Militärwesen studiert und wurde in Moskau zum Offizier ernannt. 1980 zog er als Jugendlicher in die Ukraine.“

Ponomarenko berichtete außerdem, dass er glaube, Saluschnyj werde bald aus dem Militär ausscheiden, um seine „politische Karriere“ zu beginnen. Das sei angeblich auch der Auslöser für die Spannungen zwischen ihm und Selenskyj gewesen.

Saluschnyj gilt in der Ukraine trotz der gescheiterten Gegenoffensive im letzten Frühjahr und Sommer, die nachweislich 125.000 ukrainische Soldaten das Leben gekostet hat, als „Kriegsheld“. Er sollte Gerüchten zufolge Selenskyjs Hauptkonkurrent bei den ursprünglich für 2024 angesetzten Präsidentschaftswahlen sein. Selenskyj hatte die Wahlen abgesagt, als die Spannungen mit Saluschnyj im letzten Herbst eskalierten.

Saluschnyj lag in fast allen wichtigen Umfragen vor Selenskyj. Vor allem hat er enge Beziehungen zur extremen Rechten im Land aufgebaut. Er hat öffentlich seine Bewunderung für den ukrainischen Faschistenführer Stepan Bandera geäußert und wurde mehrfach mit rechtsextremen Devotionalien fotografiert.

Nachdem letzte Woche Gerüchte über Saluschnyjs bevorstehende Entlassung aufgekommen waren, erschien auf Facebook ein Bild von Saluschnyj bei einem Treffen mit dem Anführer der Neonazi-Organisation Rechter Sektor, Andrij Stempitzki. Im Hintergrund ist ein Porträt von Bandera zu sehen. Solche Fotos sollen eindeutig als politische Drohung an Saluschnyjs Gegner in der ukrainischen Politik verstanden werden, vor allem an Selenskyj.

Organisationen wie der Rechte Sektor werden von den imperialistischen Mächten seit mehr als zehn Jahren bewaffnet und haben sowohl bei dem von den USA und der EU unterstützten rechtsextremen Putsch in Kiew im Jahr 2014 als auch in dem Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland seit 2022 eine zentrale Rolle gespielt.

Walerij Saluschnyj (links) mit Andrij Stempitzki, einem Anführer des faschistischen Rechten Sektors, während seiner letzten Tage im Amt. Im Hintergrund hängt ein Porträt des ukrainischen Faschistenführers Stepan Bandera.

Berichten zufolge wurden Saluschnyj zunächst mehrere weniger hochrangige Positionen innerhalb der ukrainischen Regierung angeboten, um ihn unter Selenskyjs Kontrolle zu halten, u. a. die des Botschafters im Vereinigten Königreich und des Vorsitzenden des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats. Beide hat er allem Anschein nach jedoch abgelehnt hat. Ponomarenko erklärte, Saluschnyjs Weigerung, diese Positionen unter der Selenskyj-Regierung anzunehmen, deute möglicherweise darauf hin, dass er sich einem direkten Engagement in der ukrainischen Politik gegen Selenskyj zuwendet.

Trotz der Krise der Selenskyj-Regierung machte der Sprecher des US-Sicherheitsrats, John Kirby, deutlich, dass Washington Kiew weiterhin unterstützen werde. Kirby erklärte: „Wir machen uns keine Sorgen um die Stabilität der Ukraine [als Folge der Entscheidung].“

Am gleichen Tag, an dem Saluschnyjs Entlassung offiziell bekannt wurde, stimmte der US-Senat für ein Hilfspaket für die Ukraine und Israel in Höhe von 95 Milliarden Dollar. Damit machte die Kammer deutlich, dass der US-Imperialismus beide Staaten weiterhin als wichtige Außenposten betrachtet. Entsprechend der ursprünglichen Version des Entwurfs würde die Ukraine 60 Milliarden der insgesamt 95 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern erhalten.

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