Der US-Bundesstaat Alabama hat am Donnerstagabend Kenneth Eugene Smith in der Holman Correctional Facility in Atmore (Alabama) getötet. Mit der Hinrichtung hat sich Alabama eine makabre Auszeichnung erworben: der erste US-Bundesstaat und wahrscheinlich die erste Regierungsbehörde der Welt, die Stickstoff einsetzt, um vorsätzlich einen Menschen durch Ersticken zu töten.
Allen Berichten zufolge war Smiths Hinrichtung grauenhaft und hat bei Zeugen und Gefängnisbeamten gleichermaßen Abscheu hervorgerufen. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof Smiths letzte Berufung gegen die Hinrichtung abgelehnt.
Laut dem Montgomery Advertiser öffneten sich die Vorhänge zum Fenster der Hinrichtungskammer um 19:53 Uhr Ortszeit. Die Zeugen sahen, dass Smith eine Gesichtsmaske mit einem Plastikschlauch trug, der mit dem Stickstoff-Gasbehälter außerhalb des Raumes verbunden war. Smith war „kreuzförmig“ auf der Bahre festgeschnallt, seine Arme und sein Körper mit Gurten fixiert.
Er signalisierte den Zeugen, darunter seiner Frau, in Zeichensprache „Ich liebe dich“. Er erklärte: „Heute Abend wirft Alabama die Menschheit einen Schritt zurück.“ Seine nächsten Worte waren wegen der Maske nicht zu hören. Allerdings fügte er hinzu: „Ich gehe mit Liebe, Frieden und Licht.“
Um 19:57 Uhr schien der Stickstoff zu fließen. Die nächsten vier Minuten wand sich Smith auf der Bahre und krampfte. Der Advertiser schrieb: „Er atmete tief, sein Körper zitterte heftig, die Augen rollten in den Hinterkopf. ... Smith ballte die Fäuste, seine Beine zitterten unter dem eng zusammengezogenen weißen Laken, das ihn vom Hals abwärts bedeckte. Er schien um Luft zu ringen. Die Bahre erzitterte in dieser Zeit mehrfach.“
Andere Pressevertreter, die anwesend waren, erklärten, Smith habe heftig an den Fesseln gerüttelt. Um 20:02 Uhr schien er das Bewusstsein zu verlieren. Nach etwa 20 Sekunden schnappte er mehrfach tief nach Luft. Um 20:07 Uhr machte er scheinbar seinen letzten Atemzug; um 20:15 Uhr wurden die Vorhänge zum Zeugenraum geschlossen. Um 20:25 Uhr wurde er für tot erklärt.
Reverend Jeff Hood, Smiths Seelsorger, der ihn in die Hinrichtungskammer begleitet hatte, erklärte später gegenüber CNN: „Als sie die Stickstoffzufuhr einschalteten, begann er zu krampfen. Er bäumte sich auf der Liege immer wieder und immer wieder auf. Er hat sie heftig bewegt.“
Hood erklärte weiter, man hätte aus dem Zeugenraum Keuchen hören können. Er erklärte: „In Alabama wurde heute Abend etwas unvorstellbar Böses entfesselt.“ Er machte die Gouverneurin von Alabama, Kay Ivey (Republikaner), und den Justizminister des Bundesstaats, Steve Marshall, sowie die Justizvollzugsbeamten „für das Horrorspektakel, das sich heute hier abgespielt hat“, verantwortlich. „Etwa Derartiges habe ich noch nie gesehen. Das war Folter“, fügte er hinzu.
Der Oberste Gerichtshof der USA hatte die Behörden von Alabama in die Pflicht genommen, indem er Smiths früheren Einspruch zurückgewiesen hatte. Smith hatte im Jahr 2022 einen Hinrichtungsversuch überlebt, der ihn schwer traumatisiert hatte. In dem Einspruch hieß es deshalb, dass ein zweiter Hinrichtungsversuch durch Alabama ein Verstoß gegen das im 8. Zusatzartikel der US-Verfassung verankerte Verbot grausamer und ungewöhnlicher Bestrafung sei.
Experten der Vereinten Nationen hatten die USA aufgefordert, Smiths Hinrichtung zu stoppen, weil die experimentelle Hinrichtungsmethode schweres Leiden verursachen könnte. Dies stelle einen Verstoß gegen die Internationale Konvention gegen Folter dar, die von den USA 1994 ratifiziert wurde. Auch religiöse und gegen die Todesstrafe engagierte Organisationen sprachen sich nachdrücklich gegen die Anwendung dieser Methode zur Hinrichtung von Smith aus. All diese Proteste stießen auf taube Ohren.
Anfang letzter Woche erklärte Smith in einem Telefonat mit dem Guardian, er sei nicht bereit, in die Hinrichtungskammer zurückzukehren. Er habe sich noch nicht von dem Trauma des nahezu vier Stunden langen Hinrichtungsversuchs durch eine tödliche Injektion im November 2022 erholt. Als die Gefängnisbehörden feststellten, dass sie nicht in der Lage sein würden, die Hinrichtung vor Ablauf der Gültigkeit des Todesurteils um Mitternacht zu Ende zu bringen, brachten sie ihn in seine Zelle zurück.
Smith erklärte, man habe ihm keine Chance zur Genesung gegeben. Nach dem gescheiterten Versuch seiner Henker, ihm die intravenösen Zugänge für die tödlichen Chemikalien zu legen, wurde bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert. „Ich leide immer noch unter der ersten Hinrichtung und jetzt machen sie es nochmal. Sie erkennen nicht einmal meine posttraumatische Belastungsstörung an.“
Smith erklärte vor kurzem gegenüber dem National Public Radio (NPR) über den ersten Hinrichtungsversuch: „Ich wurde festgeschnallt und konnte nicht atmen. … Ich zitterte wie Espenlaub. Ich war vollkommen alleine in einem Raum voller Menschen und nicht einer versuchte, mir zu helfen, obwohl ich um Hilfe schrie. Ich bin erst nach ungefähr einem Monat wirklich wieder zu mir gekommen.“
Diesmal waren die Henker von Alabama jedoch entschlossen, nicht zu versagen. Die Gefängnisbehörde kündigte am Dienstag an, Smith werde am Donnerstag, dem Tag der Hinrichtung, ab 10 Uhr morgens keine feste Nahrung mehr erhalten. Zuvor hatten die Anwälte des Verurteilten berichtet, dass Smith sich über mehrere Tage fortlaufend erbrochen habe, was ihrer Ansicht nach wahrscheinlich auf die PTBS infolge des gescheiterten Hinrichtungsversuchs im Jahre 2022 zurückgehe.
Smiths Anwälte legten bei einer Beweisanhörung im Dezember Expertengutachten als Beweise dafür vor, dass er erbrechen könnte, während er die Maske trägt, und dann am eigenen Erbrochenen ersticken könnte. Doch statt die Hinrichtung abzusagen oder zu verschieben, änderten sie in letzter Minute das Protokoll, um Smith am Donnerstag die Nahrung zu verweigern, einschließlich der „traditionellen“ Henkersmahlzeit.
Um die optimalen Bedingungen für eine erfolgreiche Hinrichtung von Smith zu schaffen, kündigte der Oberste Gerichtshof von Alabama im Januar 2023 eine Regeländerung an, die dem Gouverneur von Alabama einen neuen und uneingeschränkten Ermessensspielraum bei der Festlegung von Hinrichtungsterminen einräumt. Damit gab der Oberste Gerichtshof seine eigene, ihm von der Legislative übertragene Befugnis auf, die Hinrichtungstermine festzulegen.
Nach den geänderten Regeln muss der Gouverneur eine Hinrichtung nicht an einem bestimmten Tag oder innerhalb eines begrenzten Zeitraums ansetzen, sondern kann stattdessen Hinrichtungen „innerhalb eines Zeitrahmens“ anordnen. In Smiths Fall war sein Hinrichtungsbefehl von 12 Uhr am Donnerstag bis 6 Uhr am Freitag gültig. Wenn die neue Regel bereits im November 2022 in Kraft gewesen wäre, hätten die Versuche des Hinrichtungsteams, ihm einen Zugang zu legen, noch eine unbestimmte Anzahl qualvoller Stunden länger dauern können.
Barbarische Hinrichtungsmethoden sind den USA in den fast zweieinhalb Jahrhunderten ihres Bestehens nicht fremd gewesen. Doch im letzten halben Jahrhundert haben sich die Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe angewandt wird, einen wahnsinnigen Wettlauf geliefert, sie durch neue Vollstreckungsmethoden am Leben zu erhalten. Die Bundesstaatsbehörden hatten Mühe, die richtigen Chemikalien zu finden, die bei den tödlichen Injektionen zum Einsatz kommen. Diese Methode ist seit ihrer Einführung 1982 die häufigste Hinrichtungsmethode.
Das Ersticken mit Stickstoff ist die moderne Variante der Gaskammer, die in den 27 Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe noch angewandt wird, die tödliche Injektion als bevorzugte Hinrichtungsart abgelöst hat. Andere Methoden, die in unterschiedlichen Varianten noch legal sind, sind der elektrische Stuhl, Erhängen und Erschießen.
Justizminister Marshall erklärte am Freitag auf einer Pressekonferenz, Stickstoffgas sei jetzt eine „geprüfte“ Hinrichtungsmethode: „Was gestern Abend passiert ist, war wie aus dem Lehrbuch. Und jetzt gehe ich davon aus, dass uns mehrere Bundesstaaten folgen werden.“
Marshall erklärte, dass 43 der insgesamt 167 Insassen von Todestrakten in Alabama bereits die neue Hinrichtungsmethode gewählt hätten. Die Insassen werden gezwungen, ihr bevorzugtes Gift zu wählen – Injektion tödlicher Chemikalien oder Stickstoffgas durch einen Atemschlauch.
Bei Stickstoffhypoxie – die man richtiger als „Ersticken durch Stickstoff“ bezeichnen müsste – wird das Opfer gezwungen, statt Sauerstoff reinen Stickstoff einzuatmen. Wenn Stickstoff oder ein anderes Edelgas eingeatmet und Kohlendioxid ausgeatmet wird, fehlt dem Körpergewebe der Sauerstoff, und ein Organversagen setzt ein, das schließlich zum Tod führt.
Diese Erstickungsmethode wurde vor ihrem Einsatz an Smith noch nicht an Menschen getestet, da ein solcher „Test“ zum Tod führen würde, allerdings an Tieren. Die American Veterinary Medical Association (AVMA) erklärte in ihren Richtlinien von 2020, „Hypoxie durch [Argon – ein anderes Edelgas – oder Stickstoff]-Gasmischungen ist für die Euthanasie von Hühnern und Truthähnen geeignet … [und] unter bestimmten Bedingungen für die Euthanasie von Schweinen ... [aber] inakzeptabel bei anderen Säugetiere.“
In Experimenten zum Einschläfern von Ratten mit dieser Methode waren laut der AVMA „Anzeichen für Panik und Qualen sichtbar, bevor die Ratten zusammenbrachen und starben“. Bundesstaaten, die den Einsatz von Stickstoffgas für Hinrichtungen erlauben – neben Alabama auch Mississippi und Oklahoma –, senden damit die Botschaft, dass diese barbarische Methode für den Einsatz gegen Menschen, die höchste Säugetierspezies, legitim ist.
Kenneth Smith war das erste Opfer dieser perversen Technik. Dass er überhaupt zum Tode verurteilt wurde, war schon ein Hohn auf die Gerechtigkeit. Er wurde im Jahr 1996 wegen der Ermordung von Elizabeth Sennett verurteilt, nachdem deren Ehemann, ein Pastor, ihm 1.000 Dollar für den Mord angeboten hatte. Ihr Ehemann wollte eine Versicherungssumme kassieren.
Smiths erster Schuldspruch wurde aufgehoben. Bei seinem zweiten Prozess stimmten die Geschworenen mit 11 zu 1 für eine lebenslange Freiheitsstrafe, doch der Richter überstimmte die Geschworenen und verurteilte ihn zum Tode. Alabama hat zwar im Jahr 2017 verboten, das Urteil von Geschworenengerichten außer Kraft zu setzen, dies gilt allerdings nicht rückwirkend für diejenigen, die, wie Smith, vor diesem Datum verurteilt wurden.
Über sein Verbrechen erklärte Smith gegenüber dem Guardian, dass er sich wünschte, er „hätte Dinge anders gemacht. ... Ich bin seit 35 Jahren im Gefängnis, bin ich damit nicht gestraft? 35 Jahre, ich bin in diesen 35 Jahren nicht ohne Strafe geblieben. Ich habe dadurch gelitten, und meine Familie auch.“
In den USA sitzen derzeit laut der Prison Policy Initiative mindestens zwei Millionen Menschen in 1.566 Bundesstaatsgefängnissen, 98 Bundesgefängnissen, 3.116 lokalen Gefängnissen, 1.323 Jugendgefängnissen, 181 Haftanstalten für Immigranten und 80 indianischen County-Gefängnissen, sowie in Militärgefängnissen, geschlossen Anstalten, staatlichen psychiatrischen Kliniken und Gefängnissen in den US-Territorien.
In diesem riesigen Gefängnissystem gibt es das Konzept der Rehabilitierung praktisch nicht. Es wird der Vergeltung und „Opferrechten“ untergeordnet. Unter den G7-Staaten gibt es außer in den USA nur in Japan die Todesstrafe, die erwiesenermaßen weder von Verbrechen abschreckt, noch den Familien von Mordopfern dabei hilft „abzuschließen“. Die Masseninhaftierungen in Amerika sind vor allem ein Produkt sozialer Ungleichheit. Die große Mehrheit der Gefängnisinsassen sind Arbeiter, Arme und unterdrückte Bevölkerungsschichten.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen der nackten Brutalität, die sich am Donnerstagabend abspielte, und der Kriegspolitik der Biden-Regierung. Die gleiche Regierung, die Israel bewaffnet und den Völkermord des Netanjahu-Regimes in Gaza unterstützt, der mittlerweile 25.000 Palästinenser das Leben gekostet hat, äußerte sich weder zu der Hinrichtung in Alabama am Donnerstag, noch zu den internationalen Protesten dagegen. Dass nun noch eine weitere Hinrichtungsmethode eingeführt wird, zielt darauf ab, die Bevölkerung an dieses Töten am Fließband zu gewöhnen und demonstriert einmal mehr den Abstieg der herrschenden Elite der USA in die Barbarei.