Nach den Massenprotesten der Landwirte in Deutschland, bei denen Traktoren die großen Straßen Berlins blockierten, haben sich ähnliche Großaktionen von Bauern auf Frankreich und ganz Europa ausgeweitet. Die Wut über die Folgen des US/Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine und die Spekulationen der Finanzmärkte, der Agrarkonzerne und der Europäischen Union bricht sich Bahn. Die Einnahmen der Bauern sind drastisch zurückgegangen, während Arbeiter angesichts der weltweit steigenden Lebensmittelpreise sich bei ihrer Ernährung einschränken.
In Frankreich, Polen und Rumänien kam es bereits zu Massenprotesten der Bauern, und in Spanien werden sie vorbereitet. In Polen und Rumänien haben Bauern die Grenzen zur Ukraine blockiert und fordern Subventionen, da billige ukrainische Getreideimporte die lokalen Märkte überschwemmen. In Spanien haben Bauern angekündigt, im nächsten Monat das Landwirtschaftsministerium zu blockieren. Diese Woche breiteten sich ähnliche Proteste in ganz Frankreich aus, und es wurden die meisten Straßenblockaden seit den „Gelbwesten“-Protesten von 2018–19 errichtet.
Die Proteste der europäischen Landwirte – inmitten eines mächtigen Eisenbahnerstreiks in Deutschland und Streiks gegen das faschistische Einwanderungsgesetz in Frankreich – sind Ausdruck des weltweit wachsenden Widerstands der Bevölkerung gegen die Nato und die EU. Genau wie bei den „Gelbwesten“-Protesten ist es von entscheidender Bedeutung, diese Bewegung mit einem breiteren Kampf der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus zu verbinden. Nur die Mobilisierung der ganzen gesellschaftlichen Macht der Arbeiterklasse kann die Kriege und Finanzspekulation beenden, die die Landbevölkerung strangulieren.
Die Proteste in Frankreich begannen im Südwesten, wo Bauern Straßen blockierten, um gegen die niedrigen Preise zu protestieren, die ihnen für ihre Erzeugnisse geboten werden, während sie andererseits die vorgeschriebenen Preiserhöhungen für Dieselkraftstoff zahlen müssen. Dies war einer der Hauptgründe für die Bauernproteste in Deutschland, wo die Bundesregierung die Subventionen für Agrardiesel gekürzt hat, um den Haushalt auszugleichen, während sie hunderte Milliarden Euro für die Aufrüstung gegen Russland ausgibt.
In der Region Okzitanien rund um Toulouse blockierten die Bauern mehrere Autobahnen. Diese Woche breiteten sich die Proteste schnell über den gesamten Südwesten und das Département Drôme nördlich von Marseille, auf Beauvais und die Region Picardie nördlich von Paris sowie auf Brest auf der westlichen Halbinsel Bretagne aus.
Im Département Ariège südlich von Toulouse wurde die Landwirtin Alexandra Sonac am Dienstagmorgen getötet, als ein Auto durch ihre Straßenblockade fuhr und Sonac, ihre Tochter und ihren Mann überfuhr. Sonacs Tochter starb am Donnerstag, ihr Mann wird vermutlich überleben. Der Fahrer des Autos, ein armenischer Staatsbürger, gegen den die französische Polizei eine Ausweisung verfügt hat, wird wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.
Bemerkenswert ist, dass die Bauernproteste außerhalb der Kontrolle der Bauernverbände eskalieren, die mit dem kapitalistischen Staat verhandeln. In Frankreich sind dies die Fédération nationale des syndicats d'exploitants agricoles (FNSEA), die Coordination rurale und die Confédération paysanne. Diese Organisationen haben weder zu der ursprünglichen Blockade der Autobahn Toulouse-Bayonne aufgerufen, mit der die Proteste begannen, noch zu den Blockaden der wichtigen Autobahnen A6 und A7, durch die der Verkehr zwischen den drei größten Städten Frankreichs Paris, Lyon und Marseille unterbrochen wurde.
Am Dienstag und Mittwoch trafen sich die Vorsitzenden der französischen Bauernverbände mit dem neuen französischen Premierminister Gabriel Attal und versprachen ihren Mitgliedern, sie würden „hunderte Millionen Euro“ aufbringen, um die Probleme der Bauern zu bewältigen.
Doch die Wut wuchs weiter, die Bauernproteste breiteten sich aus und erhielten in Toulouse und Bordeaux Unterstützung durch einen Bummelstreik der Taxifahrer. Am Donnerstag protestierten Bauern vor der Polizeipräfektur in Agen, bewarfen die Fassade mit Mist und zündeten sie an.
Für Freitag wurden Proteste in 85 der 100 französischen Départements sowie in Städten, u.a. in Lyon, Bordeaux, Amiens, Orange, Bourges, Bayonne, Agen, Périgueux und Angouleme erwartet.
Es gibt auch Anzeichen dafür, dass die Bauern, wie in Deutschland, bald die Hauptstadt blockieren könnten. FNSEA-Präsident Arnaud Rousseau warnte am Donnerstag gegenüber dem Fernsehsender France2 vor einer „historisch beispiellosen Explosion der Agrargemeinschaft“, verurteilte die „Gewalt, denn manchmal ist sie nicht weit weg“ und fügte hinzu, eine Blockade von Paris sei „keine Option“, die er in Erwägung ziehe. Allerdings sind Berichten zufolge Konvois von Dutzenden von Traktoren von der Picardie im Norden und dem Département Essonne im Süden nach Paris unterwegs.
Die Bauernproteste haben die französische Regierung in eine schwere Krise gestürzt. Laut Umfragen unterstützen 85 Prozent der französischen Bevölkerung die Proteste der Bauern, und 56 Prozent sprechen sich für höhere Agrarsubventionen aus, um ihnen zu helfen. Attal hat zwei Tage lang Krisengespräche mit den Bauernverbänden geführt, allerdings nicht angekündigt, welche Maßnahmen er vorschlagen wird.
Frankreichs faschistischer Innenminister Gérald Darmanin hat den Bauern erklärt, er wolle sie „politisch unterstützen und sie gleichzeitig ermutigen, öffentliches Eigentum zu respektieren.“ Er deutete an, er würde die Bereitschaftspolizei nicht gegen sie einsetzen, und erklärte heuchlerisch: „Ich schicke die Bereitschaftspolizei nicht gegen Leute, die leiden.“ In Wirklichkeit hat das Innenministerium bereits Bereitschaftspolizisten mobilisiert, um im Süden die Bauern zu überwachen. Vermutlich wird es auch umfassende Sicherheitsmaßnahmen vorbereiten, falls die Proteste das Zentrum von Paris erreichen, wie es während der „Gelbwesten“-Bewegung der Fall war.
Landwirtschaftsminister Marc Fesneau hat angedeutet, die Regierung werde eine harte Linie gegen die Bauern verfolgen. Er erklärte, er werde in Gesprächen mit ihren Vertretern „nicht den Weg der Demagogie oder den einfachen Ausweg“ nehmen. Als er sich mit Attal zu Gesprächen traf, fügte Fesneau hinzu, er werde „in den kommenden Tagen“ seine Politik darlegen. Gegenüber Le Monde erklärte er: „Wir müssen bescheiden vorgehen, das ist mein Stil.“
Spitzenvertreter der Bauernverbände haben die Regierung kritisiert und sie aufgefordert, Sofortmaßnahmen anzukündigen, um die Bewegung zu beenden. Die Präsidentin der Coordination Rurale, Véronique Le Floch, bezeichnete das Versäumnis der Regierung, konkrete Maßnahmen anzukündigen, als „katastrophal“ und fügte hinzu: „Wir haben [von der Regierung] zumindest eine Ankündigung zur Finanzierung des Agrardiesels und zur Finanzierung der Landwirtschaft erwartet, die mit einer beispiellosen Hygienekrise konfrontiert ist.“
Die Bauern müssen gewarnt werden: Weder die kapitalistischen Regierungen, noch die Verbände, die mit ihnen verhandeln, vertreten ihre Interessen. Die Bauern sind eine beträchtliche soziale Kraft. In Frankreich gibt es 390.000 Bauernhöfe unterschiedlicher Größe – von industriellen Landwirtschaftsbetrieben bis hin zu Kleinstbetrieben, auf denen Bauern in Rente gehen mit Armutsrenten von kaum 400 Euro pro Monat. Die Bauern sind jedoch mit einer herrschenden Klasse konfrontiert, die entschlossen ist, auf Kosten der Ernährung der Bevölkerung hunderte Milliarden Euro in die Kriegsmaschinerie und Bankenrettungen für die Superreichen zu stecken. In diesem Kampf ist die Arbeiterklasse der beste Verbündete der Bauern.
Genau wie die deutsche Regierung will auch Macron die Militärausgaben noch vor 2030 um über 100 Milliarden Euro erhöhen. Um dieses Programm zu finanzieren und Frankreichs Kriege in Afrika und den Nato-Krieg gegen Russland zu eskalieren, hat er letztes Jahr eine Rentenkürzung vorgenommen, die von der Bevölkerung massiv abgelehnt wurde. Dass er die Bereitschaftspolizei mobilisiert hat, um Streiks und Proteste von Millionen von Arbeitern anzugreifen, verdeutlichte, dass er gegen die Bevölkerung regiert. Letzten Endes verließ er sich auf die Gewerkschaftsbürokratien, um die Protestbewegung zu beenden und die Rentenkürzung sowie die Erhöhung der Militärausgaben durchzusetzen.
Jetzt protestieren die Bauern dagegen, dass die EU die Subventionen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) an die schnelle Umsetzung des so genannten „Farm-to-Fork“-Programms der EU koppelt. Dieses Programm sieht vor, den Verbrauch von Dieselkraftstoff, die Verwendung von Düngemitteln auf Nitratbasis und die Größe der Viehherden stark zu reduzieren, um den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen zu verringern. Allerdings haben die Vertreter der EU diesen Plan beschlossen, ohne den Bauern ausreichende Unterstützung zur Verfügung zu stellen und mit offensichtlicher Verachtung für die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung.
Maßgebliche Studien über das Farm-to-Fork-Programm sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es zu einem Zusammenbruch der Lebensmittel-Produktion und des -Konsums in der EU führen und eine schwere Krise in der europäischen Landwirtschaft auslösen wird. Laut einer Studie des US-Handelsministeriums von 2020 könnte es zu einem Produktionsrückgang von elf Prozent und einem Anstieg der Lebensmittelpreise um siebzehn Prozent führen. Eine Studie der Universität Kiel von 2021 prognostizierte einen Rückgang der Produktion um sechzehn Prozent und Preisanstiege bei Weizen in Höhe von zwölf Prozent, bei Milch um 36 Prozent und bei Fleisch um 42 Prozent.
Es gibt genug Geld, damit jeder essen und arbeiten kann, und um Wege zu finden, Lebensmittel in einer Weise zu produzieren, die der Umwelt nicht schadet. Doch dieses Geld muss von den billionenschweren Bankenrettungspaketen und den unverantwortlichen Militärhaushalten der EU-Kriegstreiber beschlagnahmt werden. Hierzu müssen die Bauern einen gemeinsamen Kampf mit der Arbeiterklasse für das Ende der EU und ihrer kapitalistischen Regierungen in den Mitgliedsstaaten führen, die Macht übernehmen und die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa aufbauen.