Die Golden Globes 2024: Einige verdiente Auszeichnungen, aber beschämendes Schweigen zum Völkermord in Gaza

Am Sonntagabend fand in Beverly Hills (Kalifornien) die 81. Verleihung der Golden Globes statt und wurde auf CBS übertragen. Die Hollywood Foreign Press Association (HFPA), die die Zeremonie seit ihrer Einführung geleitet hatte, war im Juni 2023 nach einem Skandal aufgelöst worden, der sowohl echte als auch – wie man vermutet – konstruierte Elemente enthielt. Die Forderung, man brauche mehr „Vielfalt“, trug unweigerlich zum Niedergang der HFPA bei.

Das „neue Management“ ist indessen keine Verbesserung. Die Golden Globes sind jetzt Eigentum von Eldridge Industries und US-Milliardär Todd Boehly. Das Unternehmen kontrolliert als Teil eines Joint Ventures mit Penske Media, die Magazine Hollywood Reporter, Variety, Rolling Stone, Billboard und Deadline. Das sind die wichtigsten Publikationen, die über Hollywood und die Filmbranche berichten.

Immerhin traf das Gremium einige angesichts der vorhandenen Möglichkeiten vernünftige Entscheidungen. Das Gremium bestand aus 300 internationalen Journalisten aus 75 Ländern (wie die neue Golden Globes Führung prahlte: „47 Prozent Frauen, 26,3 Prozent, die sich selbst als Latinoamerikaner identifizierten, 13 Prozent als Asiaten, elf Prozent Schwarze und neun Prozent aus dem Nahen Osten“).

Florence Pugh und Cillian Murphy in „Oppenheimer“

Doch das völlige Schweigen über den anhaltenden Völkermord in Gaza, eines der größten Kriegsverbrechen unserer Zeit, hat die Veranstaltung überschattet und besudelt. Kein einziger Moderator oder Gewinner hatte den Mut, ein Wort über den israelischen Massenmord an den Palästinensern zu verlieren, der von der Biden-Regierung und den anderen Großmächten uneingeschränkt unterstützt wird.

Zweifellos haben die Organisatoren der Golden Globes alle Teilnehmer gewarnt und bedroht, dass sie sich nicht zu einem „kontroversen“ Thema äußern dürften. Hollywood unterliegt derzeit einer extremen Form der Selbstzensur, da die Studios, Sender und Künstleragenturen alles in ihrer Macht Stehende tun, um die weit verbreitete Opposition mundtot zu machen.

Das ist jedoch keine Entschuldigung. Sich gegen die abscheulichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auszusprechen, ist die elementare Pflicht jedes Künstlers, der von der Menschheit für seine Arbeit ernst genommen werden will.

Dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der Zeremonie im letzten Jahr eine verlogene Rede zur Verteidigung des US/Nato-Kriegs halten durfte, unterstreicht die Heuchelei der Veranstalter noch weiter. Das Establishment Hollywoods setzt Widerstand gegen Israels mörderisches Treiben mit „Antisemitismus“ gleich, aber dass im Jahr 2023 der Führer eines Regimes anwesend war, das mit echten Antisemiten und Faschisten durchsetzt ist, hat niemandem den Schlaf geraubt.

Was die Auszeichnungen selbst angeht, so wurde Christopher Nolans „Oppenheimer“ verdientermaßen achtmal nominiert und gewann in fünf Kategorien: bestes Drama, beste Regie (Nolan), beste männliche Hauptrolle (Cillian Murphy), beste männliche Nebenrolle (Robert Downey Jr.) und beste Filmmusik (Ludwig Goransson).

Ebenfalls zu Recht wurde die HBO-Serie „Succession“, ein schonungsloses Porträg einer Mediendynastie und ihres inneren und äußeren Missbehagens, in neun Kategorien nominiert. Letzten Endes gewann sie in den Kategorien „beste Fernsehserie“, „beste männliche Hauptrolle im Fernsehen“ (Kieran Culkin), „beste weibliche Hauptrolle“ (Sarah Snook) und „beste männliche Nebenrolle“ (Matthew Macfadyen).

„Der Junge und der Reiher“ des renommierten japanischen Zeichentrickfilmers Hayao Miyazaki, der im Zweiten Weltkrieg spielt, erhielt den Preis als bester Zeichentrickfilm. Er basiert auf dem 1937 erschienenen Roman von Genzaburo Yoshino, einem Kritiker des Kriegs und des Kapitalismus, der 1931 wegen seines Engagements für den Sozialismus inhaftiert wurde.

„Beef“, ein Film über eine Reihe traumatischer Ereignisse, die durch Aggressivität im Straßenverkehr ausgelöst wurden, gewann in den drei Kategorien, in denen er nominiert worden war: „beste limitierte Serie, Anthologie oder Fernsehfilm“, „beste männliche Hauptrolle in einer solchen Serie“ (Steven Yeun) und „beste weibliche Hauptrolle“ (Ali Wong).

Diese Netflix-Serie ist intelligent und stilvoll gemacht. In ihren besten Momenten deutet sie etwas über die immensen Spannungen an, die das Leben in den USA dominieren und über Rasse und Ethnie hinausgehen. Hier sind die Charaktere hauptsächlich asiatisch-amerikanischer Herkunft. Yeun spielt einen kleinen Unternehmer, der von finanziellen und familiären Problemen geplagt wird. Wong lebt in etwas besseren Verhältnissen, leidet jedoch auch unter den Ängsten und dem Druck, dem sich in Amerika nur die Superreichen entziehen können. „Beef“ wurde in einigen Kreisen überbewertet. Abgesehen von den satirischen Seitenhieben auf die milliardenschwere Investorin Jordan Forster (Maria Bello) ist der Film nicht wirklich sozialkritisch und neigt dazu, immer wieder die gleichen Töne anzuschlagen. Aber zu seinen echten Stärken gehören zweifellos die Leistungen von Yeun („Minari“) und Wong.

Die Golden-Globes-Juroren hatten auch genug gesunden Menschenverstand – oder Geschmack – um „Barbie“ (Greta Gerwig), „Maestro“ (Bradley Cooper) und „Killers of the Flower Moon“ (Martin Scorsese) trotz Nominierungen in zahlreichen Kategorien bei ihrer Endauswahl fast nicht zu berücksichtigen.

Brian Cox in „Succession“

„Maestro“ erhielt keine Auszeichnung, während die indianische Schauspielerin Lily Gladstone als beste weibliche Darstellerin in Scorseses Film ausgezeichnet wurde (in dem sie die einzige erträgliche Hauptrolle spielte). „Barbie“ erhielt die Auszeichnung für den besten Originalsong, gesungen von Billie Eilish, sowie in der neuen und völlig zynischen Kategorie „erfolgreichster Film nach Einspielergebnis“. Diese Auszeichnung wurde erfunden, um Filme auszuzeichnen, die „ein Einspielergebnis von insgesamt über 150 Millionen Dollar erzielt haben, von denen 100 Millionen Dollar an den US-Kinokassen eingespielt worden sein müssen, und/oder eine entsprechende digitale Streaming-Zuschauerzahl erreicht haben, die von vertrauenswürdigen Quellen aus der Branche anerkannt wurde“, wie die Golden-Globes-Vertreter erklärten.

Emma Stone wurde für „Poor Things“ als beste weibliche Darstellerin in einem Musical oder einer Komödie gewählt. Yorgos Lanthimos’ Film gewann in der Kategorie „Bestes Musical oder Komödie“. Paul Giamatti erhielt für seine Rolle in Alexander Paynes „The Holdovers“ die Auszeichnung als bester männlicher Darsteller, und Da'Vine Joy Randolph wurde als beste weibliche Darstellerin in einer Nebenrolle für das gleiche Werk ausgezeichnet. „The Bear“, eine Tragikomödie über einen Chefkoch, der heimkehrt, um den Sandwich-Shop seiner Familie in Chicago zu leiten, wurde ebenfalls mehrfach ausgezeichnet.

Insgesamt dominierten Vulgärität, Identitätspolitik und Egozentrik einen Großteil der Golden-Globes-Zeremonie. Ein Beispiel dafür war der relativ witzlose Eröffnungsmonolog des Komikers Jo Koy. Kleidung, Schmuck und Accessoires entwickeln bei solchen Veranstaltungen leider ein Eigenleben. Solche Zeremonien bringen die schlimmsten, rückständigsten Züge der Hollywood-Gemeinde zum Vorschein. Es ist abstoßend, dass – wie Forbes berichtet – der Gesamtwert der möglichen „Gegenstände und Erlebnisse“ in den Geschenkbeuteln, die an Gewinner und Moderatoren verteilt wurden, bei 500.000 Dollar lag. Forbes schrieb: „Die Empfänger können sich auf eine braune Wildledertasche von Metier Marrakech freuen; weitere Optionen sind eine fünftägige Charter einer Luxusjacht in Indonesien, eine Session mit einem Promi-Tattookünstler und Privatunterricht bei Starköchen.“

Solche Opulenz ist an und für sich nicht entscheidend, doch der Druck durch Berühmtheit und Reichtum spielten eine Rolle für die Unfähigkeit der Teilnehmer, an der Zeremonie am Sonntag Kritik an den Verbrechen in Gaza und der Rolle der USA zu üben oder sich sonst irgendwie zu äußern. Die Gewinner lasen langatmige Listen von Danksagungen an die Branche oder die Familie vor – eine relativ neue Entwicklung. Die Egozentrik und Selbstbeweihräucherung erreichen ein gefährliches Ausmaß.

Viel zu viele amerikanische „Prominente“ betrachten es als „Todesurteil“, ihren Platz im Rampenlicht zu verlieren. Es herrscht zweifellos eine Atmosphäre, die an die McCarthy-Ära erinnert; die Medien und Konzerne sind bereit, jeden Schauspieler, Autoren oder Regisseur zu bestrafen, der aus der Reihe tanzt. Doch auch das ist keine Entschuldigung.

Wir schrieben dazu vor kurzem:

In Hollywood herrscht zu viel Schweigen über das Thema Gaza. Zweifellos gibt es dort, wie überall, eine weit verbreitete Opposition. Doch die Einschüchterungskampagne hat ihre Wirkung gezeigt. John Cusack, Susan Sarandon und einige andere haben einen prinzipientreuen Standpunkt bezogen. Doch zu viele stecken den Kopf in den Sand, zweifellos aus Sorge um ihre Berühmtheit und ihre Karriere. Sie müssen verstehen, dass es Wichtigeres gibt, als seinen Job zu behalten.

In der Zukunft werden wir alle gefragt werden: Was haben Sie getan, als diese naziähnlichen Verbrechen begangen wurden? Zu schweigen bedeutet, sich mit der Vorstellung abzufinden, dass Kunst nur ein Spielzeug zur persönlichen Unterhaltung oder derjenigen der herrschenden Klassen ist. Kein Künstler, der interessiert ist am Leid, den Hoffnungen und den Kämpfen der Arbeiterklasse in den USA oder sonst wo auf der Welt, kann es sich leisten, nicht zu protestieren und vor Empörung aufzuschreien.

Am Sonntagabend waren Menschen anwesend, die sowohl wissen, was im Nahen Osten passiert, als auch sich in der Vergangenheit dazu verpflichtet gefühlt haben, eine Meinung dazu zu äußern.

Steven Yeun und Ali Wong in „Beef“

So hatte Brian Cox, einer der Hauptdarsteller in Succession, sich beispielsweise im Dezember dadurch ausgezeichnet, dass er online ein Gedicht von Refaat al-Ar'eer rezitierte, dem palästinensischen Poeten und Akademiker, den die Israelischen Verteidigungskräfte bei einem gezielten Attentat getötet haben. Das Video wurde etwa 13 Millionen Mal angesehen. Cox, der der Verleihung nicht beiwohnte, war dieses Jahr zwar für einen Golden Globe nominiert, verlor aber gegen Culkin.

Keiner von Cox' Co-Stars, die am Sonntag dabei waren, einschließlich der Preisträger Culkin, Snook und Macfadyen, äußerte irgendetwas Substanzielles. Ebenso wenig tat das Will Ferrell, der den Preis präsentierte und einer der Produzenten von „Succession“ ist. Keiner der Beteiligten an dem Film „Oppenheimer“, der sich mit der bedrohlichsten Frage des modernen Lebens befasst, nämlich seine mögliche Auslöschung durch einen Atomkrieg, äußerte sich zu irgendeinem Thema. Mark Ruffalo, ein Kritiker der US-Außenpolitik, der für seine Rolle in „Poor Things“ nominiert werden sollte, äußerte sich bei keinem Pressetermin gegenüber den Medien.

Die Situation könnte Mark Twains sarkastische Bemerkung bestätigen, in den USA gäbe es „drei unsagbar kostbare Dinge: Meinungsfreiheit, Gewissensfreiheit und die Klugheit, nie davon Gebrauch zu machen“.

Sich dem immensen Druck zu widersetzen, hätte zweifellos Konsequenzen. John Cusack, Susan Sarandon, Melissa Barrera, Jenna Ortega und einige andere haben Mut gezeigt, doch wie die Zeitung Rolling Stone Ende November in einer Schlagzeile schrieb: „In Hollywood hat es einen Preis, Israels Angriff auf Gaza zu kritisieren.“

Aber eine solche Haltung würden Millionen Menschen auf der ganzen Welt, u.a. in der Film- und Fernsehbranche selbst, mit echter Dankbarkeit und Bewunderung begrüßen. Das ist der Weg, den ernsthafte Künstler gehen müssen.

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