GDL-Tarifkampf 2023: 10.000 Lokführer streikbereit

Am 9. November fand in Berlin die erste Verhandlungsrunde der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) mit der Deutschen Bahn AG statt. Die GDL ist die kleinere Eisenbahnergewerkschaft, die für rund 10.000 kampfbereite Lokführer und Zugbegleiter in 18 DB-Betrieben verhandelt. Ihre aktuellen Forderungen umfassen eine Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich, sowie 555 Euro mehr Tariflohn für alle bei einer Laufzeit von 12 Monaten.

Streikkundgebung der GDL in Berlin, 6. September 2021

Die Bahn hat ein Angebot vorgelegt, das nur als Provokation bezeichnet werden kann. In den Medien wird behauptet, Bahn-Personalvorstand Martin Seiler habe „von sich aus“ elf Prozent Lohnerhöhungen angeboten. Dabei wird verschwiegen, dass sich das Angebot auf eine Laufzeit von 32 Monaten bezieht und damit gerade einmal vier Prozent im Jahr betragen würde. Dies wäre angesichts der nach wie vor hohen Inflation eine krasse Reallohnsenkung, von einem Ausgleich des jahrelangen Lohnrückstands gar nicht zu sprechen.

Seiler hat versucht, die Lokführer mit einer Sofortzahlung von 1.500 Euro Inflationsprämie zu ködern, falls die GDL ausdrücklich auf Streiks über Weihnachten verzichten würde. Ehe die Bahn einen Cent bezahle, müsse eine Friedenspflicht bis zum Ende der Weihnachtsferien im neuen Jahr garantiert werden.

Eine Arbeitszeitverkürzung erklärte Seiler dagegen von vorneherein für ausgeschlossen. Das sei „mit der Bahn nicht zu machen.“ Unfreiwillig räumte der Personalvorstand die aktuell katastrophalen Bedingungen für das Bahnpersonal ein, als er erklärte: „Wenn wir die Forderungen der GDL erfüllen würden, würden unsere Personalkosten um über 50 Prozent steigen“, das sei „durch nichts, aber auch durch gar nichts zu rechtfertigen“.

Seit Jahren lässt der Vorstand die Bahn verkommen, vernachlässigt die Beschäftigten und bürdet ihnen immer stärkere Lasten auf. Nicht nur für ein Höchstmaß an maroden Strecken und Verspätungen, sondern auch für eine zunehmende Zahl tödlicher Unfälle im Betrieb ist der Vorstand verantwortlich. Sich selbst hat das Gremium im letzten Jahr Gehälter von über 8,5 Millionen Euro genehmigt, davon allein 2,2 Millionen Euro für DB-Chef Richard Lutz. Personalchef Martin Seiler, der den Lokführern massive Reallohnsenkungen zumutet, konnte im letzten Jahr seine Bezüge auf 1,394 Millionen Euro mehr als verdoppeln.

Jetzt verbreiten die Medien pflichtschuldigst die Mär, den Bahnkunden stünden wegen des Tarifkampfs „harte Zeiten“ bevor. Wenn es zur Weihnachtszeit zu Streiks kommen sollte, dann liege das einzig und allein an GDL-Führer Weselsky. „Der Kompromissvorschlag der Bahn an die GDL scheitert an deren Chef Weselsky“, schreibt die WirtschaftsWoche. Die Frankfurter Rundschau titelt: „Wie GDL-Chef Claus Weselsky die Bahn lahmlegt“, und nennt den GDL-Chef einen „begnadeten Strategen“, der an einen „Apparatschik aus vergangener Zeit [erinnert], der sich im Ton vergreift“. Die taz widmet dem „Schienenzar“ Weselsky sogar ein Spottgedicht.

In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt. Lokführer und Zugbegleiter sind streikbereit, während Weselsky zögert. Wie zahlreiche Kommentare der Eisenbahner in den sozialen Medien zeigen, hat das provokative Angebot von Personalchef Seiler die Kolleginnen und Kollegen massiv vor den Kopf gestoßen. „Super Angebot, noch sehr viel schlechter als der EVG-Abschluss, der schon mal lächerlich war“, schreibt einer.

„Ich bin für Streik ab nächster Woche“, stellt Sven K. fest. „Los geht’s!“ schreiben andere. „11,5% sind bei 32 Monaten Laufzeit kein Angebot, sondern eine Provokation“, schreibt Axel H., der selbst kein Lokführer, sondern Bahnkunde ist. Er hofft auf „möglichst geringe Auswirkungen der Tarifverhandlungen auf den Bahnverkehr, aber die Bahn lässt das nicht zu, will die Auseinandersetzung“. Aus leidvoller Erfahrung setzt er hinzu: „Seid froh, dass nicht Verdi für euch verhandelt, die würden euch für die 11,5% verkaufen.“

Stefan M. schreibt: „Das ist kein Entgegenkommen, sondern ein Schlag ins Gesicht für alle Mitarbeiter, die täglich kämpfen, damit überhaupt noch was läuft auf der Schiene.“ Ein anderer wundert sich: „Ist heute der 1. April? Das kann doch nur ein Witz sein, das als Angebot zu bezeichnen (…) 32 Monate Laufzeit, das ist doch mal `ne Ansage.“

Lokführer Herbert macht den Vorschlag, Arbeitgeber sollten „einfach mal über mehrere Wochen in den Diensten eines Tf [Triebfahrzeugführer] als Praktikant mitlaufen, um zu sehen welche Belastungen das für den Tf selbst sowie sein soziales Umfeld darstellt (…) Wir Tf sind keine Ressourcen, über die man einfach so verfügen kann, wie man gerade will, wir sind Menschen mit Emotionen und Befindlichkeiten wie jeder andere Arbeitnehmer auch.“

Die Eisenbahner sind bereit, für bessere Bedingungen bei der Bahn – vernünftige Gehälter, familienfreundlichere Arbeitszeiten, eine massive Aufstockung des Personals, sichere Arbeitsbedingungen etc. – den Kampf aufzunehmen. Aber dafür dürfen sie sich nicht auf die GDL-Führung und Claus Weselsky verlassen. Sie müssen in allen Betrieben Aktionskomitees bilden, die sich gemeinsam mit den anderen 190.000 Eisenbahnern und weiteren Arbeiterinnen und Arbeitern, auch in anderen Ländern, zusammenschließen und sich unabhängig von den Gewerkschaften organisieren.

Weselsky hat zwar eine rasche Urabstimmung über Streik angekündigt, doch er sucht in Wirklichkeit den Kompromiss. Vor Verhandlungsbeginn erklärte er, die GDL-Führung habe zugesagt, die von der Bahn vorgeschlagenen Termine wahrzunehmen. Kompromisse seien möglich: „Wir haben noch nie einen Abschluss gemacht, der hundert Prozent unserer Forderungen erfüllt.“

Seit Monaten ist Weselsky nicht auf den Klassenkampf, sondern auf das neue Projekt der GDL konzentriert: die Arbeitnehmerüberlassung Fair Train eG. Es ist eine Leiharbeitsfirma, die von der GDL kontrolliert wird; sie will die Lokführer an die Bahn ausleihen und stellt sie damit gegen ihre eigenen Kollegen, während sich weltweit der Klassenkampf entwickelt. Dazu hatte Weselsky in einem Interview klar gesagt: „Wir sind nicht im Klassenkampf unterwegs, sondern in der Marktwirtschaft.“

Kein Lokführer oder Bahnbeschäftigter darf von der GDL erwarten, dass sie noch bereit und fähig wäre, einen prinzipiellen Kampf zu führen. Hinter dem provokanten Angebot des Bahnvorstands steht die Bundesregierung, der die Aktiengesellschaft Bahn zu 100 Prozent gehört. Und die regierende Ampel-Koalition ist gerade dabei, mit Unterstützung sämtlicher Bundestagsparteien – von AfD und CDU/CSU bis hin zur Linken – den Bundeshaushalt auf Kriegswirtschaft umzustellen.

Die Regierung und alle Bundestagsparteien unterstützen uneingeschränkt Israels Genozid im Gaza. Schon nutzen sie die Gelegenheit, sich auf Kriege gegen den Iran und andere Staaten des Nahen Ostens vorzubereiten. Im letzten Jahr wurde in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg gegen Russland angezettelt, und jetzt wird im Nahen Osten eine zweite Front im Kampf um die Weltmacht aufgetan, die sich zu einem Dritten Weltkrieg auszuweiten droht.

Im Innern nimmt dieser Krieg mehr und mehr die Form eines globalen Klassenkriegs gegen die Arbeiter an, die den mörderischen Militarismus bezahlen sollen. Deshalb ist es notwendig, die Zwangsjacke der Gewerkschaftsapparate zu durchbrechen. Lokführer und alle Arbeiter müssen den Kampf um Löhne und Bedingungen mit dem Kampf gegen Krieg verbinden. Deshalb ist der Aufbau unabhängiger Aktionskomitees so wichtig.

Die GDL wurde vor 15 Jahren durch einen elf Wochen langen Streik bekannt, und viele Eisenbahner verließen damals die EVG, die handzahme Hausgewerkschaft der Bahn, um sich der vermeintlich militanteren GDL anzuschließen. Doch die Tarifverträge, die diese in den letzten zwei Jahren abgeschlossen hat, beweisen, dass dies ein Trugschluss war.

Im September 2021 brach die GDL einen Streik kurz vor der Bundestagswahl ab und vereinbarte einen miserablen Tarifabschluss, der die Corona-Einbußen und die grassierende Inflation in keiner Weise ausglich. Das CDU-Mitglied Weselsky verhinderte damals, dass eine breitere Radikalisierung der Arbeiterklasse die Regierungsbildung gefährdete. Der Abschluss war hinter dem Rücken der Eisenbahner unter strikter Geheimhaltung ausgehandelt worden.

Im Frühling 2023 hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) dann für ihre Mitglieder in zwei baden-württembergischen Bahngesellschaften massive Reallohnsenkungen vereinbart. Sie hat einer Entgelterhöhung von 4,8 Prozent zugestimmt, in Tarifverträgen, die 20 bzw. 22 Monate Laufzeit haben.

Lokführer müssen sich deshalb dem Aktionskomitee Bahn anschließen, das während des EVG-Streiks gegründet wurde, um der Gewerkschaft das Misstrauen auszusprechen und den Streik in die eigene Hand zu nehmen. Das Aktionskomitee vereint Arbeiter des gesamten Betriebs unabhängig davon, ob und in welcher Gewerkschaft sie Mitglied sind. Meldet euch per Whatsapp unter +49-163-337 8340 und registriert euch auch über das unten stehende Formular, wenn Ihr beim Aktionskomitee mitmachen wollt.

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