Der öffentliche Protest der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) gegen die Ausstellung „Russian War Crimes“ im Foyer der Humboldt-Universität Berlin hat in den Medien und auf Social Media ein großes Echo erzeugt. Am Montag berichtete die Online-Ausgabe der Berliner Zeitung, eines der auflagenstärksten Medien der Hauptstadt, prominent über den studentischen Protest und die von den IYSSE geübte „scharfe Kritik an Präsidentin und Professoren der Berliner Humboldt-Universität“ anlässlich der „Ausstellung von Gräuelfotos in der HU“.
Der Text von Carola Tunk verlinkt auf einen Artikel der World Socialist Web Site, in dem IYSSE-Sprecher Gregor Link von wachsender Empörung unter Studierenden und Uni-Mitarbeitern über die Ausstellung berichtet hat: „Die IYSSE erklärt auf Flugblättern, dass ‚der deutsche Militarismus nach seinen Verbrechen in zwei Weltkriegen‘ erneut Anstalten mache, ‚die Ukraine unter seine Kontrolle zu bringen, um Russland eine strategische Niederlage zuzufügen‘. Um diese Ziele zu erreichen, nähmen deutsche Eliten auch die Gefahr eines Atomkrieges ‚willentlich‘ in Kauf, so Gregor Link.“
Das Flugblatt, das IYSSE-Mitglieder in den letzten Tagen an der Universität verteilt haben, mache „auf das Ziel der Ausstellung aufmerksam, die der ‚abnehmenden Unterstützung für Waffenlieferungen‘ entgegenwirken solle, um ‚mehr und viel schneller Waffen‘ an das ukrainische Militär zu liefern“. Dies hätten „laut IYSSE-Mitglied Link HU-Präsidentin Julia von Blumenthal, eine ehemalige Professorin der Bundeswehr, und der ukrainische Multimilliardär Viktor Pintschuk, der die Ausstellung finanziert, bei der Eröffnung erklärt“.
Anschließend führt der BZ-Artikel ein virales Video an, in dem Link die Hintergründe der Ausstellung erläutert und Studierende und Arbeiter dazu aufruft, den Kampf der IYSSE gegen Geschichtsfälschung und Kriegspropaganda zu unterstützen. Der Artikel zitiert aus dem Video: „Die Ausstellung hat keinen wissenschaftlichen Wert, sondern dient dazu, die russische Seite zu dämonisieren und den grauenhaften Stellvertreterkrieg in der Ukraine mit weiteren Waffenlieferungen zu befeuern.“
Auf Social Media und in Zuschriften an die World Socialist Web Site zeigten viele Leserinnen und Leser ihre Anerkennung für die öffentliche Stellungnahme der IYSSE. Der BZ-Artikel und das Statement der IYSSE wurden allein auf X/Twitter dutzende Male geteilt und kommentiert. „Mutiger Studenten-Protest gegen Ausstellung von Gräuelfotos in der HU Berlin“, schreibt etwa X-Userin Doris. Ein weiterer User schreibt: „Hut ab vor den Studenten, die dagegen protestieren. Hoffentlich überlegen sich Studenten, ob sie an so einer rassistischen Uni studieren wollen. Kommt bestimmt super gut im Ausland an.“ „Seid stark und macht weiter! Das ist verdammt wichtig“, schreibt ein dritter.
Eine Zuschrift an die WSWS äußert „großen Dank für Ihr Engagement gegen die Kriegshetze an der HU“ und stellt fest: „Es gehört schon eine gehörige Portion Mut dazu in der heutigen Zeit.“ Wolfgang W. schreibt: „Es ist eine Propagandamaschine angelaufen, die uns alle in die Irre führt. Ein Höhepunkt der Propaganda ist wohl auch die ukrainische Fahne vor dem Deutsch-Russischen Museum in Berlin Karlshorst.“
Am Dienstag veröffentlichte die BZ einen weiteren Artikel, der die Humboldt-Universität mit dem studentischen Protest gegen die von ihr gezeigte Pro-Kriegs-Ausstellung konfrontiert. Ohne auf die fundierte Kritik einzugehen, lässt die Universitätsleitung mitteilen, man habe die Videos und Flugblätter der IYSSE „zur Kenntnis genommen“, „negative Reaktionen“ jedoch von Anfang an „mit einkalkuliert“. Die Positionen der IYSSE seien „nicht repräsentativ“.
Tatsächlich sprechen die IYSSE für einen bedeutenden Teil der Studierendenschaft. Die Hochschulgruppe wurde an der HU im Juli zum neunten Mal in Folge ins Studierendenparlament (StuPa) gewählt. Dort erhielten ihre Anträge gegen die militaristischen und rechten Positionen von Professoren und gegen Bundeswehrwerbung an der Universität regelmäßig überwältigende Mehrheiten.
Schon im Jahr 2014 hatten die IYSSE dagegen protestiert, dass die HU Professoren Herfried Münkler und Jörg Baberowski für neue Kriege trommelten und versuchten, den deutschen Imperialismus von seinen historischen Verbrechen reinzuwaschen. Während Münkler Fritz Fischers Forschung zu den imperialistischen Zielen Deutschlands im Ersten Weltkrieg für „im Prinzip hanebüchen“ erklärte, bescheinigte Baberowski dem Nazi-Apologeten Ernst Nolte, er habe „historisch recht“ gehabt, weil Hitler „nicht grausam“ gewesen sei. Seither stehen die IYSSE an der Spitze des Kampfs gegen die Militarisierung der Hochschule.
Die Universitätsleitung reagierte darauf, indem sie wütende Stellungnahmen gegen die IYSSE veröffentlichte, „mediale Angriffe“ auf Baberowski für „inakzeptabel“ erklärte und den rechtsradikalen Professor sogar dann noch verteidigte, als er einen StuPa-Abgeordneten der IYSSE bedrohte und tätlich angriff. Bei den letzten StuPa-Wahlen unterstütze die Universitätsleitung zudem rechte Gruppierungen, die den Wahlkampf der IYSSE systematisch sabotierten.
Die Kriegspropaganda-Ausstellung liegt auf dieser Linie und stellt die Universität direkt in den Dienst des deutschen Militarismus. Fern davon, Kritik daran zu akzeptieren, bleibt die Universitätsleitung bei ihrer Unterstützung von Angriffen auf die IYSSE und damit die demokratischen Grundrechte aller Studierender sowie deren körperliche Unversehrtheit.
Es ist bezeichnend, dass die gleichen Gruppierungen, die schon während des Wahlkampfs in ihren Anfeindungen gegen die IYSSE von der Universitätsleitung gedeckt wurden, erneut eine regelrechte Hetzkampagne gegen die Proteste der IYSSE organisierten. Neben vulgärsten Beleidigungen und handfesten Gewaltandrohungen erklärten sie die trotzkistische Hochschulgruppe in dutzenden Posts in den sozialen Medien zu Anhängern Putins oder Agenten Moskaus.
„Wir lehnen Putins reaktionären Überfall auf die Ukraine vollständig ab“, entgegnete IYSSE-Sprecher Gregor Link am Dienstag auf Anfrage der WSWS. „Der Vorwurf der Feindpropaganda ist so alt, wie der deutsche Militarismus. Schon Karl Liebknecht wurde vorgeworfen, er würde die Sache des russischen Zaren vertreten, weil er sich gegen das Massenschlachten des Ersten Weltkriegs wandte. Wie Liebknecht stehen wir für die sofortige Beendigung des schrecklichen Kriegs in der Ukraine durch die Verbrüderung der russischen und ukrainischen Arbeiter und eine internationale Bewegung gegen den Krieg und seine Wurzel: den Kapitalismus.“
Dafür sei der Kampf gegen die ideologische Kriegsführung an den Universitäten ein wesentlicher Teil, so Link. „Deshalb lassen wir uns weder von ukrainischen Nationalisten noch von deutschen Militaristen einschüchtern. Sie reagieren auch deshalb so aggressiv, weil sie wissen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung Militarismus und Krieg ablehnt. Gemeinsam mit unseren Genossinnen und Genossen auf der ganzen Welt werden wir in den kommenden Wochen und Monaten umso entschlossener für den Aufbau einer Massenbewegung gegen Krieg kämpfen.“