Bei den spanischen Parlamentswahlen am Sonntag hat die rechtsextreme Partei Vox starke Stimmeneinbußen erlitten, so dass die rechte Volkspartei (PP) keine Regierung bilden kann.
Trotz vier Jahren Kriegs- und Austeritätspolitik stieg die Zahl der Stimmen für die regierende Koalition aus Sozialistischer Partei (PSOE) und Sumar (einschließlich Podemos) leicht an. Das Ergebnis ist Ausdruck eines starken Widerstands gegen die Pläne der PP, die faschistisch-franquistische Vox als Koalitionspartner in die Regierung einzubinden.
Die PP stieg von 5 Millionen Stimmen und 89 Sitzen im Jahr 2019 auf 8 Millionen und 136 Sitze im Jahr 2023, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass sie Stimmen von der inzwischen aufgelösten Partei Ciudadanos, aber auch auf Kosten von Vox, hinzugewann.
Vox verlor gegenüber dem Jahr 2019 rund 650.000 Stimmen. Ihre Gesamtstimmenzahl sank von 3,65 Millionen und 52 Sitzen (2019) auf 3 Millionen und nur 33 Sitze. Das ist ein Rückgang von mehr als 22 Prozent.
Im ganzen Land, sowohl in städtischen als auch ländlichen Gebieten, hat Vox Stimmen verloren. In Madrid zum Beispiel erhielt Vox 498.537 Stimmen (14,01 Prozent) und fünf Sitze, verglichen mit 653.476 Stimmen und sieben Sitzen im Jahr 2019.
Durch diesen drastischen Stimmenverlust der Vox-Partei fehlen der PP nun sieben Sitze, um eine Koalitionsregierung bilden zu können.
Der Widerstand gegen eine PP–Vox–Regierung drückte sich vor allem in dem 4-prozentigen Anstieg der Wahlbeteiligung aus. Mit 70 Prozent war dies die höchste Wahlbeteiligung seit 15 Jahren. Davon hat vor allem die Sozialistische Partei (PSOE) profitiert. Die schweren Verluste, die die PSOE bei den jüngsten Kommunal- und Regionalwahlen einstecken musste, als sie die Quittung für ihren rigorosen Spar- und Kriegskurs der letzten vier Jahre bekam, hatten den amtierenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez veranlasst, die Neuwahlen vom vergangenen Sonntag auszurufen.
Die PSOE konnte ihr Ergebnis von 6,8 Millionen Stimmen und 120 Sitzen im Jahr 2019 auf 7,7 Millionen und 122 Sitze steigern. Dies war vor allem ein Ergebnis ihrer Entscheidung, den Wahlkampf zum Schluss ausschließlich auf Appelle gegen Vox zu konzentrieren.
Der designierte Koalitionspartner der PSOE, Sumar, richtete denselben Appell an die Wähler, verlor jedoch rund 600.000 Stimmen, hauptsächlich an die PSOE. Sumar, eine Wahlplattform von 15 Parteien einschließlich der pseudolinken Podemos, kam mit 3 Millionen Stimmen auf 31 Sitze, verglichen mit den 3,6 Millionen Stimmen und 38 Sitzen, die dieselben Parteien als Unidas Podemos im Jahr 2019 gewonnen hatten.
Der Stimmenzuwachs für die PSOE trotz ihrer verheerenden Bilanz kann nur als partielle und stark verzerrte Klassenreaktion auf die Bedrohung durch eine PP-Vox-Regierung verstanden werden. Gegen eine Rückkehr der unverhüllten Franco-Anhänger an die Macht erhob sich Widerstand. Es wäre das erste Mal seit dem Sturz der Diktatur und dem „Übergang zur Demokratie“ im Jahr 1978 gewesen.
Die PSOE hat im Vergleich zu 2019 in fast allen Regionen Stimmen eingebüßt, nur nicht in den verarmten städtischen Gebieten. In Madrid konnte die PSOE in den Armenvierteln mit hohem Migrantenanteil 40 Prozent der Stimmen gewinnen. Dort stieg auch die Wahlbeteiligung um 4 bis 5 Prozent.
Die bei weitem dramatischsten Veränderungen gab es jedoch in den katalanischen und baskischen Regionen, die während der Franco-Diktatur ein besonderes Ziel der Repression gewesen waren.
In ganz Katalonien stieg die Zahl der PSOE-Stimmen von 794.000 im Jahr 2019 auf 1,2 Millionen. Davon stammen 553.889, also 45 Prozent, aus den 36 Städten, die den historischen „roten Gürtel“ der Arbeiterklasse um die katalanische Hauptstadt Barcelona bilden. Jeder achte PSOE-Wähler (15,6 Prozent) stammt aus der Region Barcelona, was den höchstem Wert seit 1996 markiert. Dagegen sank der gesamte Stimmenanteil, der für die drei Unabhängigkeitsparteien abgegeben wurde, von 40,4 Prozent im Jahr 2019 auf nur noch 23,2 Prozent. Die PP konnte nur noch das wohlhabendste Viertel Sarrià-Sant Gervasi für sich gewinnen.
Im Baskenland ist die PSOE nun die führende Partei, da sie 289.826 Stimmen (25,2 Prozent) und somit 62.430 mehr als 2019 gewonnen hat.
Der drastische Stimmenrückgang für Vox kam trotz einer medialen Propaganda und intensiver Bemühungen der herrschenden Klasse zustande. Er vereitelte den Versuch der Eliten Spaniens, Europas und der ganzen Welt, rechtsextreme Gruppierungen zu rehabilitieren und an die Regierung zu bringen. Dies steht im Gegensatz zur jüngsten Entwicklung in Italien, Finnland, Schweden, Polen und der Tschechischen Republik, wo bereits rechtsextreme Parteien an der Regierung sind, sowie zu den Wahlerfolgen von Marine Le Pens Rassemblément National in Frankreich und der Alternative für Deutschland (AfD).
Ein Drittel der spanischen Bevölkerung hat die Franco-Ära noch in lebhafter Erinnerung. An die Brutalität und soziale Unterdrückung erinnern sie sich nur allzu gut. Über das ganze Land verstreut gibt es noch immer mehr als 2.200 Massengräber mit schätzungsweise 114.000 Franco-Opfern – eine schreckliche Erinnerung an die Folgen der Niederlage der spanischen Revolution von 1936–1939. Weit verbreitet ist auch die Einsicht, dass die Spitzen der Gesellschaft und die großen Unternehmen ihre heutige Position nicht nur dem Reichtum verdanken, der unter General Franco angehäuft werden konnte, sondern auch ihrer aktiven Beteiligung an seinem brutalen Regime.
Es wäre jedoch falsch, diese Reaktion als eine Besonderheit Spaniens zu betrachten. Sie ist Ausdruck dessen, dass Arbeiterinnen und Arbeiter auf der ganzen Welt sich der Gefahr von rechts bewusst sind und den Kampf dagegen aufnehmen wollen.
Das Votum gegen die extreme Rechte kann nicht von einer neuen Linksbewegung der Arbeiterklasse getrennt werden, die danach strebt, den Kampf gegen die gesellschaftliche Offensive der herrschenden Klasse aufzunehmen, sie zu besiegen und den Drang zum Krieg zu beenden. Außerdem unterstreicht die Abwendung von Schichten der Mittelklasse von Vox, dass deren Aufstieg in erster Linie ein Produkt der Unterstützung ist, die sie und andere rechtsextreme Parteien von Seiten des Staats und der herrschenden Klasse erhalten.
Die Behauptungen von Sumar und der PSOE, dass die rechtsextreme Gefahr gebannt sei, sind jedoch gefährliche Lügen. Diese Politiker versuchen, die Arbeiterklasse angesichts einer ungebrochenen faschistischen Bedrohung zu entwaffnen. In der PP-Führung sitzen Figuren wie die Madrider Ministerpräsidentin Isabel Díaz Ayuso, die mit Vox keine großen Differenzen haben.
In Spanien ist eine lange Zeit der politischen Ungewissheit angebrochen, und es ist keineswegs sicher, dass überhaupt jemand eine Regierung bilden kann. Mit oder ohne Regierungsbildung werden PSOE und Sumar jedoch weiterhin eine arbeiterfeindliche, wirtschaftsfreundliche und kriegslüsterne Politik betreiben. Dies wird letztlich der extremen Rechten zugutekommen. Unterdessen werden PSOE und Sumar den Aufruf zur „Einheit gegen rechts“ zynisch als politische Waffe einsetzen, um die wachsende soziale und politische Unzufriedenheit in Schach zu halten.
Das Wachstum der extremen Rechten lässt sich nicht darauf zurückführen, dass sie eine gesellschaftliche Massenbasis hätte, wie es in den 1930er Jahren der Fall war. Sie wird vielmehr aktiv durch die herrschende Klasse aufgebaut, wobei das Fehlen einer wirklichen Alternative ihr Wachstum begünstigt. Seit Jahren setzen Regierungen der offiziellen Rechten und der offiziellen Linken im Inland einen brutalen Sparkurs durch und betreiben im Ausland Militarismus und Krieg.
Arbeiterinnen und Arbeiter, die auf der Suche nach einer politischen Alternative sind, werden mit immer neuen „breiten linken Formationen“ wie SYRIZA in Griechenland abgespeist. Und sobald ihre Hoffnungen verraten werden, fällt die politische Initiative wieder an die Rechten zurück.
In Spanien hat Podemos diese Rolle übernommen. Die Partei wurde 2014 auf Initiative der pablistischen Anticapitalistas und einer Gruppe stalinistischer Professoren gegründet, zu denen auch der damalige Parteivorsitzende Pablo Iglesias gehörte. Später schlossen sich ihnen eine Reihe weiterer pseudolinker Gruppen an. Dies war Teil einer internationalen Umgruppierung mit dem Ziel, einen Aufstand der Arbeiterklasse gegen die sozialdemokratischen Parteien und die Gewerkschaftsbürokratie zu verhindern. So sollte die Unzufriedenheit in vermeintlich radikale, aber prokapitalistische Formationen umgeleitet werden.
Bezeichnenderweise ist der Stimmenrückgang für Vox nicht etwa der von Podemos geführten Bewegung zugutegekommen, obwohl diese ihren Namen in Sumar geändert hat. Nach den Parlamentswahlen vom November 2019 war Podemos einer Koalitionsregierung mit der PSOE beigetreten. In den darauf folgenden drei Jahren marschierte Podemos an der Seite der PSOE, und ihre Regierung führte Spanien in den De-facto-Krieg der Nato gegen Russland in der Ukraine, sie schlug einen brutalen und mörderischen Kurs gegen Einwanderer ein und griff mehrere Arbeitskämpfe brutal an. Unter ihrer Herrschaft wurde der größte Rückgang des Lebensstandards seit der Weltwirtschaftskrise 2008 verzeichnet.
Die Hinwendung der herrschenden Eliten zu Faschismus und Diktatur ist im Wesentlichen auf die extreme Zunahme der sozialen Ungleichheit und die Eskalation des imperialistischen Kriegs zurückzuführen. Keine Wahlmanöver kapitalistischer Parteien können sie stoppen. Dies kann nur geschehen, wenn der Klassenkampf, der sich weltweit ausbreitet, in eine bewusste politische Bewegung für Sozialismus mündet.
Arbeiter und Jugendliche, die im Kampf gegen Austerität, Diktatur und Krieg einen echten Weg vorwärts suchen, müssen sich jetzt mit der Geschichte und dem Programm des Internationalen Komitees der Vierten Internationale vertraut machen. Sie müssen Sektionen des IKVI in Spanien und auf der ganzen Welt aufbauen.