Britisches Postarbeiter-Aktionskomitee diskutiert Vertrag zwischen der Royal Mail und der Gewerkschaft CWU

An dem Online-Treffen des britischen Aktionskomitees der Postarbeiter (PWRFC) nahmen am Sonntag Brief- und Paket-Zusteller, Beschäftigte der Postfilialen und des Kurierdienstes Parcelforce aus ganz Großbritannien teil. Derzeit läuft die Urabstimmung über den wirtschaftsfreundlichen Tarifvertrag, den die Gewerkschaft CWU (Communication Workers Union) mit der Royal Mail abgeschlossen hat.

Tony Robson, Autor der World Socialist Web Site (WSWS), hielt den Eröffnungsbericht und rief dazu auf, „mit einem überwältigenden Nein zu stimmen, um diese miserable Tarifvereinbarung abzulehnen“.

Die Präsentation des Unternehmens zum Abkommen zwischen CWU und Royal Mail ist praktisch identisch mit der CWU-Propaganda für das Abkommen [Photo: International Distribution Services]

„Der Tarifkampf befindet sich an einem kritischen Wendepunkt“, sagte Robson. „Vor weniger als einem Jahr haben sich 115.000 Postarbeiter am Streik beteiligt, um die Angriffe von Royal Mail abzuwehren. Doch trotz des enormen Widerstands der Belegschaft besteht die reale Möglichkeit, dass die Pläne von Royal Mail, die in der ‚Vereinbarung über Konjunkturbelebung, Transformation und Wachstum‘ enthalten sind, angenommen werden.

Die Verantwortung dafür liegt allein bei der CWU-Bürokratie. Ward, Furey und der Postvorstand arbeiten ununterbrochen zusammen, um das Diktat des Unternehmens durchzusetzen und den Massenwiderstand der Postarbeiter zu isolieren und zu unterdrücken.“

Robson wies darauf hin, dass die Urabstimmung der dritte Versuch der CWU-Führer Dave Ward und Andy Furey sei, ihre Vereinbarung durchzusetzen. Frühere Abstimmungen seien einfach „verschoben“ worden, um ein offenes Nein zu verhindern. Die „Massenbeteiligung“ der Mitglieder an den Vereinbarungen, die die Führung in Aussicht gestellt hatte, war ein Betrug.

Wie Robson betonte, war die CWU-Live-Veranstaltung am vergangenen Donnerstag, die als Fragestunde zum nationalen Abkommen angekündigt war, eine reine Farce. Während der eineinhalbstündigen Veranstaltung beschimpften Ward, Furey und der CWU-Sprecher Chris Webb die Mitglieder, und Furey bezeichnete die tausenden Postangestellten, die das Abkommen ablehnten, als Verrückte.

Robson erklärte: „Die Arbeiter haben 18 Tage lang gestreikt, um die Angriffe von Royal Mail abzuwehren. Doch die CWU-Bürokratie stellte sich dem Unternehmen nur in einem Punkt entgegen: Royal Mails ‚Aufzwingen‘ von Veränderungen. Ihr gesamter Streit konzentrierte sich auf den Schutz der Partnerschaft der CWU mit dem Unternehmen. In den Hinterzimmergesprächen von Ward und Furey mit Royal Mail ging es vor allem darum, zu beweisen, dass die CWU Verständnis für die Geschäftsinteressen habe, und dass es keine Grenze gebe, die sie nicht zu überschreiten bereit sei.

Robson sagte: „Das Ergebnis war die im April veröffentlichte Verhandlungsvereinbarung. Das war der ‚Sieg‘, auf den sie hingearbeitet hatten. Sobald sie ihr Ziel erreicht hatten – nämlich ihre Teilnahme an einer Verschwörung gegen die Mitglieder – taten sie, was sie konnten, um jede Art von Diskussion auszuschalten. Sie ließen jeden Anschein von Rechenschaftspflicht oder demokratischen Methoden in der Gewerkschaft fallen.“

Die CWU hatte behauptet, ihre gemeinsame Erklärung mit der Royal Mail vom 16. Juni sei ein „Fortschritt“, weil es ihr gelungen sei, die Grundversorgung (USO) zu verteidigen und eine Ausdünnung zu verhindern. Diese Behauptung wies Robson zurück. Die CWU habe sich auf weitgehende Angriffe eingelassen und beispielsweise zugestimmt, dass Beschäftigte zwangsweise versetzt würden. Was die Grundversorgung betrifft, habe Ward selbst eingeräumt, dass die CWU mit einer Verkürzung der Postzustellung von sechs auf fünf Tage einverstanden sei.

Eine zusätzliche Pauschale von 900 Pfund sei außerdem ein zynischer Versuch, die Vereinbarung durchzusetzen. Nicht nur werde der Bonus durch einen Angriff auf das Rentensystem finanziert. Auch sei er für die CWU-Mitglieder an die Zustimmung zu den neuen Arbeitsbedingungen gebunden, während Manager die 900 Pfund ohne weiteres erhalten würden.

In der Diskussion auf dem Online-Treffen des Aktionskomitees äußerten sich mehrere Postarbeiter sehr kritisch über die CWU-Bürokratie, weil sie ihren Kampf sabotiert hatte. Ein Londoner Zusteller wies Wards Behauptungen über einen Rückzug des Postvorstands zurück: „Royal Mail wird die Revisionen nicht ändern, Kosteneinsparungen sind für sie wichtiger als die Verbesserung der USO.“ Ein Zusteller von Südengland fügte hinzu: „Wir haben in meinem Zustellbezirk 10 fest zugeordnete Routen. Um dies zu erreichen, haben sie 10 Posttouren zusammengelegt. Ich habe 250 zusätzliche Adressen, keine zusätzliche Zeit und bekomme keinen zusätzlichen Lohn.“

Andere schilderten, dass sie von der Gewerkschaft genötigt worden seien, mit Ja zu stimmen: „Die Betriebsräte sagten uns, dass es keine andere Möglichkeit gebe, und dass es nicht gern gesehen werde, wenn jemand mit Nein stimmt.“ Ein Zusteller aus dem Nordwesten erklärte: „Wir müssen auch daran denken, dass nicht nur Ward und Furey den Ausverkauf organisieren. Es sind Walsh, Bouch, Joyce, Elgar, Baulch. Es ist unmöglich zu sagen, wo der Arbeitgeber aufhört und die Gewerkschaft beginnt.“

Ein Zusteller berichtete von offener Schikane und sagte, er sei von der CWU „ins Abseits gedrängt“ worden. Jemand berichtete, dass die CWU und die Royal Mail die Leute bei der Arbeit versammelten, um ein Ja bei der Abstimmung durchzusetzen. Der Zusteller fragte: „Was ist mit den Leuten, die derzeit suspendiert sind? Wer spricht mit uns? Die einzigen Informationen, die ich bekommen habe, stammen aus den Nachrichten oder von euch.“

Ein Vertrauensmann, der ebenfalls gemobbt wird, schilderte das nationale Online-Treffen zwischen CWU-Vertretern und Managern am 20. Juni als „ein brillantes Royal-Mail-Verkaufsgespräch von Dave Ward, bei dem McPherson [ein hoher Vertreter bei Royal Mail] ständig zustimmend nickte ... Von dem Treffen habe ich mitgenommen, dass die Büroleiter mit der Aktion ‚Rettet-Royal-Mail-durch-Revisionen‘ weitermachen sollen, und dass die Vertrauensleute und Mitglieder vergessen sollen, was in den letzten 18 Monaten passiert ist, und den Managern helfen sollen.“

Ein Zusteller aus Schottland sagte, dass an seinem Arbeitsplatz immer noch sehr viele mit Nein stimmten wollten, aber nach dem Treffen am Donnerstag sei „Wut in Resignation umgeschlagen“. Die schlechteren Bedingungen seien bereits eingeführt worden, was schon mehrere Mitarbeiter zur Kündigung veranlasst habe: „Ward und Furey wissen das. Sie bieten keine Unterstützung an und rechnen fest damit, dass viele die Branche verlassen.“

Robson betonte, dass es nicht ausreiche, mit Nein zu stimmen. Das Problem der Überwindung der Gewerkschaftsbürokratie müsse direkt angegangen werden. Dies sei die Bedeutung des Kampfes, den das Aktionskomitee führe. In den Betrieben müssten überall Aktionskomitees aufgebaut werden. Die Zwangsjacke des bürokratischen Apparats müsse gesprengt und die kollektive Stärke der Postarbeiter organisiert werden, um sie gegen die Finanzdiktatur der Hedgefonds und anderer Großaktionäre einzusetzen.

Das britische Aktionskomitee der Postarbeiter (PWRFC) ist der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) angeschlossen. Dietmar Gaisenkersting von den Aktionskomitees Post und Öffentlicher Dienst in Deutschland richtete Grußworte an die Versammlung. Sein Bericht zeigte, wie der Kampf bei Royal Mail Teil eines breiteren Kampfs der Arbeiter in ganz Europa und weltweit ist.

Gaisenkersting ist Mitglied der Sozialistischen Gleichheitspartei in Deutschland und schreibt für die WSWS. Er erklärte: „Arbeiter in Europa haben ähnliche Probleme. Sie wollen kämpfen, werden aber von ihren Gewerkschaftsapparaten daran gehindert und den Konzernen und der Regierung untergeordnet.“

In Deutschland seien in diesem Jahr „mächtige Warnstreiks“ ausgebrochen, darunter ein 24-stündiger Streik von 150.000 Eisenbahnern und des öffentlichen Dienstes im März, der „das ganze Land lahmgelegt“ habe. In Deutschland hatten die Postarbeiter mehrmals ganztätig gestreikt und nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und dem Postvorstand unbefristete Streikmaßnahmen gefordert.

„Die Postangestellten stimmten zu 86 Prozent für einen Streik. Doch die Gewerkschaft setzte sich über diese Entscheidung hinweg und nahm die Verhandlungen sofort wieder auf. Innerhalb von 48 Stunden legten sie ein neu verpacktes Angebot vor, das sich praktisch nicht von dem ersten unterschied, und setzten es durch. Es bedeutet gravierende Einschnitte bei den Reallöhnen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter verlieren in den Jahren 2020 bis 2025 rund 30 bis 40 Prozent, manche sogar 50 Prozent ihrer Kaufkraft.“

In Deutschland ist die enge Zusammenarbeit der Gewerkschaften mit den Unternehmen und der Regierung stark ausgeprägt. Gaisenkersting erklärte: „Diese Zusammenarbeit ist der Hauptbestandteil des deutschen Systems der Arbeitsbeziehungen. Sie ist gesetzlich geregelt und wird als ‚Mitbestimmung‘ bezeichnet. Offiziell bedeutet Mitbestimmung die gleichberechtigte Beteiligung der Arbeiter oder ihrer Vertreter, also der Gewerkschaften. Tatsächlich aber ist sie der Mechanismus, mit dem derzeit alle Angriffe gegen die Arbeiter durchgesetzt werden.“

Die Gewerkschaftsbürokraten werden für die Durchsetzung von Lohnkürzungen bei ihren Mitgliedern reichlich belohnt. Die Verdi-Verhandlungsführerin bei der Deutschen Post kassiert im Jahr 250.000 Euro von der Gewerkschaft und weitere 250.000 Euro durch ihren Sitz im Aufsichtsrat. Insgesamt haben 10 Verdi-Funktionäre mehr als 1 Million Euro aus ihrer Tätigkeit im Aufsichtsrat erhalten.

Abschließend erklärte Gaisenkersting: „Unsere Interessen können nur im Konflikt mit der Gewerkschaftsbürokratie durchgesetzt werden. Aus der Diskussion und den Kommentaren heute Abend geht hervor, dass die Gewerkschaft auf der Seite der Regierung und von Royal Mail steht. In diesem Sinne begrüßen wir es, dass die Postarbeiter in Großbritannien und in Deutschland vorwärts gehen und Aktionskomitees aufbauen, und ich denke, wir müssen uns weiterhin gegenseitig informieren und unsere Diskussionen weiterentwickeln.“

Weitere Informationen über das Post Aktionskomitee sind hier zu finden. Informiere Dich und nutze das untenstehende Formular, um Dich am Aufbau von Aktionskomitees zu beteiligen.

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