Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste am Montag zu einem Kriegsgipfel mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak nach Großbritannien. Im Vorfeld einer erwarteten Frühjahrsoffensive der ukrainischen Truppen, die von der Nato hochgerüstet wurden, drängt Selenskyj auf noch mehr Waffen.
Die Lufthoheit über dem ukrainischen Schlachtfeld steht mittlerweile im Mittelpunkt der Nato-Pläne, Russland zu besiegen und einen Regimewechsel in Moskau herbeizuführen.
Vor seiner Ankunft in Großbritannien verkündete Selenskyj auf Twitter: „Heute – London. Großbritannien ist maßgeblich, um unsere Fähigkeiten am Boden und in der Luft erweitern zu können.“ Im Pressegespräch sagte er später: „Heute haben wir über die Flugzeuge gesprochen.“ Und weiter: „Wir wollen diese Kampfflugzeug-Koalition schaffen.“ Dies sei ein „sehr wichtiges Thema für uns, denn wir können den Himmel nicht kontrollieren“. Die Überwindung dieses Problems sei für die geplante Gegenoffensive Kiews von entscheidender Bedeutung, so Selenskyj gegenüber Reportern: „Wir brauchen wirklich etwas mehr Zeit – nicht allzu viel. Wir werden in einiger Zeit bereit sein.“
Selenskyj traf Sunak und den britischen Außenminister James Cleverly zu Gesprächen auf dem Landsitz des Premierministers in Chequers. Zuvor hatte Selenskyj andere europäische Hauptstädte - Rom, Berlin und Paris - besucht, um weitere Zusagen für militärische Hilfe zu erhalten.
Der gesamte europäische Kontinent ist mittlerweile ein Pulverfass. Das wurde deutlich, als Russland während Selenskyjs Besuch bei Sunak bekannt gab, einen von Großbritannien gelieferten Storm Shadow-Marschflugkörper abgeschossen zu haben. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, es habe auch HIMARS- und HARM-Raketen mit kürzerer Reichweite aus US-Produktion abgeschossen.
Die Gespräche zwischen Sunak und Selenski fanden nur 48 Stunden nach der russischen Bestätigung statt, dass von Großbritannien gelieferte Storm Shadow-Raketen zwei Industrieanlagen in der von Russland kontrollierten Stadt Luhansk in der Ostukraine getroffen hatten. Großbritannien hat in enger Abstimmung mit der amerikanischen Biden-Regierung als erstes Land Langstreckenraketen an die Ukraine geliefert. Diese sind in der Lage, die von Russland gehaltene Krim zu treffen, wo Moskaus geopolitisch wichtige Schwarzmeerflotte stationiert ist.
Russland erklärte, dass man auf Londons „feindliches“ Vorgehen militärisch reagieren werde. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte am Montag gegenüber Sky News, Russland blicke „extrem negativ“ auf die Entwicklung. „Großbritannien strebt danach, an der Spitze der Länder zu stehen, die weiterhin Waffen in die Ukraine pumpen.“ Dennoch behauptete Peskow später: „Dies wird keinen bedeutenden, grundlegenden Einfluss auf den Verlauf der militärischen Spezialoperation haben.“
Als Reaktion auf die jüngste Entwicklung berief der russische Präsident Wladimir Putin am Montag eine Sitzung des Sicherheitsrates ein, die damit um fünf Tage vorverlegt wurde.
In einer Pressemitteilung aus Downing Street hieß es vor den Gesprächen, der ukrainische Präsident werde den Premierminister über seine Treffen mit europäischen Staats- und Regierungschefs am Wochenende informieren, da sich die Ukraine auf eine Phase verstärkter militärischer Aktivitäten vorbereite.
Nach der Lieferung der Storm Shadows werde Sunak „die weitere britische Bereitstellung von Hunderten Luftabwehrraketen und weiteren unbemannten Luftfahrtsystemen bestätigen, darunter Hunderte von neuen Langstrecken-Angriffsdrohnen mit einer Reichweite von über 200 km. Diese werden alle in den kommenden Monaten geliefert.“ Der Typ der Drohne, die übergeben wird, wurde nicht genannt, aber die Reichweite, von der die Rede ist, ist fast doppelt so groß wie die des HIMARS-Raketenwerfers. In der Pressemitteilung wurde betont: „Diese Ausrüstung wird die Ukraine in den kommenden Monaten bei ihrem erwarteten militärischen Ansturm gegen die russischen Streitkräfte unterstützen.“
Sunak sagte, die Lieferung von Kampfjets durch Großbritannien an die Ukraine sei „keine einfache Sache“, aber: „Wolodymyr und ich haben darüber gesprochen“, wie man „diese Kampfflugzeugkapazitäten ausbauen“ könne. Die britische Royal Air Force setzt Typhoon-Jets und F-35 ein, während die Ukraine auf F-16-Kampfflugzeugen trainiert, fügte er hinzu.
Der Guardian merkte an: „Großbritannien setzt keine F-16 ein, die von der US-Rüstungsfirma Lockheed Martin in South Carolina hergestellt werden. Die Ukraine bemüht sich seit einiger Zeit um diese Maschinen, um ihre kleine Luftwaffe zu verstärken, da sie weit verbreitet sind; d.h. es sind etwa 3.000 in 25 Ländern im Einsatz.“
Sunak betonte: „Es geht nicht nur um die Bereitstellung von Flugzeugen, sondern auch um die Ausbildung von Piloten und die gesamte Logistik, die damit einhergeht, und Großbritannien kann dabei eine große Rolle spielen.“ Großbritannien werde in diesem Sommer „eine elementare Flugphase für Kohorten von ukrainischen Piloten beginnen, um eine Grundausbildung zu erwerben“. Die Ausbildung werde „Hand in Hand mit den britischen Bemühungen gehen, mit anderen Ländern bei der Bereitstellung von F-16-Jets zusammenzuarbeiten“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Sunaks zentrale Botschaft war allerdings, dass Großbritannien sich stark dafür einsetzen werde, die Bereitstellung von F-16-Kampfjets durch andere Länder sicherzustellen. „Wir werden eine Schlüsselrolle in der Koalition der Länder spielen, die Wolodymyr und der Ukraine diese [Kampfjets] zur Verfügung stellen.“
Downing Street betonte: „Dieser Besuch findet auch vor dem Gipfeltreffen des Europarats in Island statt, an dem der Premierminister und Präsident Selenskyj virtuell teilnehmen werden, sowie vor dem G7-Gipfel in Japan. Der Premierminister wird diese Treffen nutzen, um auf eine nachhaltige internationale Unterstützung für die Ukraine zu drängen, sowohl in Form von Militärhilfe als auch durch langfristige Sicherheitsgarantien.“
Großbritannien spielt im Namen der Nato weiterhin die Rolle des führenden Anti-Moskau-Provokateurs, u.a. durch die ununterbrochene Ausbildung ukrainischer Truppen, die bereits Jahre vor dem Einmarsch Russlands begann. Nach dem vom Westen unterstützten Putsch von 2014, durch den der prorussische ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch gestürzt wurde, startete Großbritannien die Operation Orbital. In der Pressemitteilung der Downing Street heißt es: „Seit dem vollumfänglichen Ausbruch des Krieges hat das Vereinigte Königreich außerdem 15.000 ukrainische Soldaten auf britischem Boden ausgebildet, zusätzlich zu den 22.000 Soldaten, die bereits zwischen 2014 und 2022 im Rahmen der Operation Orbital in der Ukraine ausgebildet wurden.“
Einen Tag, nachdem Deutschland angekündigt hatte, Kiew weitere 2,7 Milliarden Euro Militärhilfe zukommen zu lassen – das bisher größte Paket, mit dem sich die deutsche Militärhilfe insgesamt auf fast 6,5 Milliarden Euro erhöht – rühmte sich Downing Street, dass es mit 2,3 Milliarden Pfund an „militärischer Unterstützung für die Ukraine im Jahr 2022 – mehr als jedes andere Land außer den USA“, aufgebracht habe und dieses Niveau auch beibehalten werde.
In der Pressemitteilung hieß es: „Bislang hat das Vereinigte Königreich im Jahr 2023 unter anderem eine Staffel Challenger2-Kampfpanzer, Selbstfahrlafetten, Hunderte von gepanzerten Fahrzeugen und hochentwickelte Raketen wie Starstreak und Storm Shadow bereitgestellt. Die heutigen Ankündigungen reihen sich in diese früheren Spenden ein.“
Im gesamten politischen Spektrum und in den kriegsbefürwortenden Medien findet die Eskalation des Krieges gegen die Atommacht Russland uneingeschränkte Unterstützung, gänzlich unbelastet von etwaigen Folgen. In ihrer Berichterstattung über die Sunak-Selenskyj-Gespräche kommentierte die BBC die für die Ukraine neu beschafften Langstreckenraketen, die schon früher, im Rahmen vorausgegangener Operationen des britischen Imperialismus, Tod und Zerstörung über die Bevölkerung des Irak, Afghanistans, Syriens und anderer Länder gebracht haben:
„Die Storm Shadow-Marschflugkörper können eingesetzt werden, um Russlands Stellungen auf dem besetzten ukrainischen Gebiet zu zerstören.“ Und weiter: „Wenn die Ukraine in der Lage ist, Russlands Kommandozentralen, Logistikzentren und Munitionsdepots in den besetzten Gebieten zu zerstören, könnte es für Moskau unmöglich werden, die eigenen Truppen an der Front weiterhin zu versorgen.“