Perspektive

Biden verschärft tödliche Gewalt und Unterdrückung an der Grenze zu Mexiko

Am Freitag um 12:01 Uhr hob die Biden-Regierung die Regelungen nach dem sogenannten „Title 42“ auf und verhängte neue Beschränkungen für Flüchtlinge, die an der Südgrenze der USA Asyl beantragen wollen. Mit Verweis auf die Corona-Pandemie berief sich der damalige Präsident Donald Trump im März 2020 auf Titel 42 – eine obskure Notstandsregelung für die öffentliche Gesundheit. Dies war lediglich ein Vorwand, um Migranten, die vor Armut, Unterdrückung und staatlich sanktionierter Gewalt in mittel- und lateinamerikanischen Ländern fliehen, die seit mehr als einem Jahrhundert vom US-Imperialismus unterwandert und ausgebeutet werden, kurzerhand auszuweisen.

Joe Biden setzte die Durchführung der entsprechenden Bestimmungen fort und verschärfte die Ausweisung von Millionen von Asylbewerbern sowie die Politik seines Vorgängers zur Masseninhaftierung von Flüchtlingen. Er sah sich gezwungen, die Anwendung der Bestimmung einzustellen, als er in krimineller Weise den Corona-Notstand für beendet erklärte, um jegliche finanzielle Unterstützung für Corona-Tests und Behandlungen einzustellen, die Sozialausgaben zu kürzen und die Unternehmensgewinne weiter anzukurbeln, obwohl Covid-19 nach wie vor vermeidbare Todesfälle verursacht und in Form von Langzeitschäden die Gesellschaft verwüstet.

Stattdessen fordern Biden und der Chef des Heimatschutzministeriums (Department of Homeland Security, DHS), Alejandro Mayorkas, dass Asylbewerber ihre Anträge in ihren Heimatländern oder „örtlichen Bearbeitungszentren“ stellen, die in Kolumbien, Guatemala und anderen lateinamerikanischen Ländern eingerichtet werden sollen. Dadurch sind sie der Gefahr ausgesetzt, von eben jenen Drogenkartellen, Banden und Mördern der Regierung angegriffen oder ermordet zu werden, denen sie zu entkommen versuchen. Diejenigen, die versuchen, an der US-Grenze einen Antrag zu stellen, werden in ihre Heimatländer zurückgeschickt. Migranten aus Venezuela, Kuba, Haiti und Nicaragua – Länder, in die die USA entweder nicht direkt abschieben können oder wollen – werden im Rahmen eines Abkommens mit der mexikanischen Regierung nach Mexiko zurückgeschickt.

Die brutale und antidemokratische Politik der beiden kapitalistischen Parteien – Republikaner und Demokraten – hat unter Missachtung internationaler Gesetze, in denen das Asylrecht verbrieft ist, an der Südgrenze der USA zu einer Situation geführt, die einem Albtraum gleicht. Bei sengender Hitze und ohne Lebensmittel, Wasser, Unterkunft oder medizinische Versorgung harren etwa 65.000 verzweifelte Migranten entlang der Grenze aus. Sie kommen aus Ländern, die Washington als seinen „Hinterhof“ bezeichnet. Ihnen stehen auf amerikanischer Seite 24.000 bewaffnete Beamte der Einwanderungs- und Zollbehörde (Customs and Border Protection, CBP) und 1.500 US-Soldaten im aktiven Dienst gegenüber, die durch 2.500 Soldaten der texanischen Nationalgarde verstärkt werden. Letztere wurden von dem faschistischen republikanischen Gouverneur des Bundesstaates, Greg Abbott, auf eigene Faust eingesetzt.

Flüchtlinge zwischen Stacheldraht und dem Grenzzaun, der die USA und Mexiko trennt, am Dienstag, 9. Mai 2023. (AP Photo/Christian Chavez) [AP Photo/Christian Chavez]

Auf mexikanischer Seite hat Washingtons Komplize im Krieg gegen Flüchtlinge, Präsident Andrés Manuel López Obrador (AMLO), 25.000 mexikanische Soldaten stationiert, um Migranten zu terrorisieren und zu unterdrücken. Sie kommen nicht nur aus Lateinamerika, sondern auch aus Asien, Afrika und Teilen des Nahen Ostens und Europas, die von Kriegen verwüstet werden und wurden.

Bereits in den ersten Stunden der Grenzkrise nach der Aufhebung von Title 42 bestätigte die US-Regierung den Tod eines unbegleiteten Kindes in US-Gewahrsam. Das US-Gesundheitsministerium bestätigte einen Bericht der honduranischen Behörden, laut dem der 17-jährige Ángel Eduardo Maradiaga Espinoza, der ohne Eltern oder Erziehungsberechtigte in die USA gekommen war, im Gewahrsam der Regierung in einem Heim westlich von Tampa (Florida) gestorben ist.

Am Mittwoch befanden sich nach Angaben der US-Regierung 8.681 unbegleitete Kinder in den Hafteinrichtungen des Gesundheitsministeriums. Vertreter des Grenzschutzes erklärten, dass sie im Haushaltsjahr 2022 mehr als 152.000 unbegleitete Minderjährige angetroffen haben. Seit dem 1. Oktober 2022 waren es mehr als 70.000. Verzweifelte Eltern, die selbst kein Asyl an der Grenze beantragen können, lassen in einigen Fällen ihr Kind die Grenze überqueren, weil diese nach dem Gesetz nicht nach Mexiko zurückgeschickt werden können. Sie hoffen, dass das Kind in den USA einen Paten finden kann, der dann beim Nachzug der Familie hilft.

Viele, viele mehr sind als Folge der brutalen Anti-Einwanderungspolitik der amerikanischen herrschenden Klasse und ihrer beiden Parteien sowie der herrschenden Klassen Europas gestorben. Diese Zahlen werden ohne das massenhafte, vereinte und internationale Eingreifen der Arbeiterklasse nur noch steigen. Vor weniger als zwei Monaten, am 27. März, kamen mindestens 40 Flüchtlinge bei einem Brand ums Leben, das in einem überfüllten Auffanglager in der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juarez ausbrach. Die Opfer waren in einer Zelle eingesperrt und AMLOs Wächter weigerten sich, sie herauszulassen.

Der US-Grenzschutz hat in seinen Einrichtungen laut eigenen Angaben lediglich Platz für 10.000 Migranten, hält dort aber bereits über 28.000 fest. Die Regierung Biden erklärte, dass diese Zahl bis Ende dieses Monats auf 45.000 ansteigen könnte. Als Überbrückungsmaßnahme zur Entlastung kündigte das Heimatschutzministerium diese Woche einen Plan an, wonach ein geringer Teil der festgehaltenen Personen in die USA entlassen werden soll, bevor sie einen Anhörungstermin erhalten. Ein von Trump ernannter Richter blockierte umgehend die Umsetzung dieser Anordnung.

Die Republikaner und die Leitmedien, die von Biden und den Demokraten unterstützt werden, schüren eine Pogromstimmung. Nur wenige Tage, nachdem ein Neonazi in einem Einkaufszentrum in Allen (Texas) acht Menschen erschossen hat und ein Mann bei einem Angriff sein Auto in eine Gruppe von Einwanderern in der Grenzstadt Brownsville steuerte, wobei acht Menschen getötet wurden, erhielt Trump von CNN eine landesweite Plattform. In einer von dem Sender übertragenen Bürgerversammlung (town hall meeting) verbreitete Trump seinen ausländerfeindlichen Schmutz.

In Texas hat Gouverneur Abbott nicht nur seine Nationalgarde im Rahmen der von ihm so genannten „Operation Lone Star“ an die Grenze entsandt, sondern auch Bidens Entscheidung, 1.500 Soldaten im aktiven Dienst an die Grenze zu beordern, als Alibi-Maßnahme bezeichnet und stattdessen 15.000 bis 150.000 Soldaten gefordert. Er unterstützt einen Gesetzesentwurf des Bundesstaates über die Aufstellung einer „Grenzschutzeinheit“, die die Bürger dazu ermächtigen würde, „Personen, die die Grenze illegal überqueren, festzunehmen, zu inhaftieren und abzuschrecken, auch unter Anwendung nicht-tödlicher Gewalt“.

Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, ein weiterer republikanischer Faschist, unterzeichnete am Mittwoch ein weitreichendes staatliches Gesetz zur Einwanderungspolitik. Dessen Bestimmungen umfassen:

  • Örtlichen Behörden wird verboten, dass sie Ausweisdokumente für Personen ausstellen, die ihre Staatsangehörigkeit nicht nachweisen können.
  • Krankenhäuser, die Medicaid akzeptieren, sollen verpflichtet werden, auf den Aufnahmeformularen eine Frage nach dem Status der Staatsangehörigkeit des Patienten zu stellen.
  • Jura-Absolventen ohne Papiere soll die Aufnahme in die Anwaltskammer von Florida verwehrt bleiben. Die Mitgliedschaft ist in diesem Staat Voraussetzung für die Ausübung des Berufs.
  • Verschärfung des Strafmaßes für Straftaten im Zusammenhang mit Menschenhandel.

Am Donnerstag verabschiedeten die Republikaner im Repräsentantenhaus den Gesetzentwurf unter dem Titel „Secure the Border“ (Sichert die Grenze), mit dem Millionen von Dollar für die Einstellung Tausender zusätzlicher Grenzschutzbeamter und den Ausbau der von Trump geplanten südlichen Grenzmauer bereitgestellt werden sollen.

Die Antwort von Biden und den Demokraten besteht darin, sich der faschistischen Agitation der Republikaner anzupassen und ihren eigenen barbarischen Angriff auf die Rechte der Einwanderer durchzuführen. Im Oktober 2020 prangerte Biden – damals noch Präsidentschaftskandidat – in seiner letzten öffentlichen Debatte mit Trump vor den Wahlen den damals amtierenden Präsidenten noch dafür an, dass Trump das Recht auf Asyl ausgehöhlt habe. „Dies ist der erste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, der jeden Menschen, der Asyl sucht, dazu zwingt, dies in einem anderen Land zu tun“, erklärte Biden. Er lieferte damit eine exakte Beschreibung eben jener Politik, die er nun selbst umsetzt.

Andere Demokraten versuchen, die Republikaner von rechts anzugreifen. Am Donnerstag prangerte der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, eine Vorlage zur Haushaltskürzung an, die vom Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, eingebracht wurde. Newsom kritisierte, dass die Pläne Kürzungen von 4 Milliarden Dollar beim Zoll- und Grenzschutz vorsehen und dadurch „die Stellen von mehr als 2.400 Beamten gestrichen würden“.

Auch die Democratic Socialists of America und andere pseudolinke Organisationen der oberen Mittelschicht spielen ihre reaktionäre Rolle. Sie versuchen, der Demokratischen Partei in den USA und der Partei von AMLO in Mexiko einen „progressiven“ Anstrich zu geben.

Die brutalen Angriffe auf Asylsuchende, bei denen es sich überwiegend um verarmte und unterdrückte Arbeiter handelt, fällt mit der Eskalation des Krieges der USA gegen Russland in der Ukraine und der Intensivierung der Kriegsvorbereitungen gegen China zusammen. Dies ist kein Zufall. Die schrecklichen Szenen massenhaften Leids, die sich an der US-Grenze abspielen, zeigen, dass die Behauptungen der US-Regierung, dass es ihr im Ukrainekrieg um die Verteidigung der Demokratie gehe, nichts als heiße Luft sind. Die Kriegsvorbereitungen des Imperialismus gingen schon immer mit solchen Angriffen auf die Rechte von Einwanderern und der Förderung chauvinistischer und rassistischer Stimmungen einher. Sie waren immer Teil eines umfassenderen Angriffs auf die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse in allen kapitalistischen Nationen, die an dem Kampf um Märkte, natürliche Ressourcen und billige Arbeitskräfte beteiligt sind.

Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg ging mit der Verabschiedung des Spionagegesetzes (Espionage Act) einher, das kriegsfeindliche Äußerungen unter Strafe stellte und zur Inhaftierung des Sozialisten Eugene V. Debs führte. Darauf folgte die Deportation sozialistischer Einwanderer in den Palmer Raids in den Jahren 1919 und 1920. Dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg ging die Verabschiedung des Smith Act voraus, den Roosevelt 1944 dazu nutzte, 18 Trotzkisten zu inhaftieren. Auf die Kriegserklärung der USA an Japan folgte die Masseninhaftierung japanischer Amerikaner.

Der so genannte „Krieg gegen den Terror“ nach dem 11. September 2001 ging mit der Eröffnung des amerikanischen Gulags Guantanamo Bay und der Einrichtung des Ministeriums für Heimatschutz sowie des Northern Command der US-Streitkräfte einher.

Die Durchsetzung dessen, was die imperialistischen Führer heute als „Kriegswirtschaft“ bezeichnen, und die Führung eines „totalen Krieges“ um die Kontrolle der eurasischen Landmasse erfordern die Unterdrückung des Klassenkampfs in den Vereinigten Staaten wie auch in ganz Lateinamerika. Gleichzeitig wächst die Opposition der Arbeiterklasse, die zunehmend gegen die Gewerkschaften rebellieren, die den Krieg und die Konzerne unterstützten.

Leo Trotzkis Analyse der Lage im Mai 1940, etwa 10 Monate nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, kann man – mit nur geringfügigen Änderungen – auch zur Beschreibung der gegenwärtigen Bedingungen verwenden:

Die Welt des verfallenden Kapitalismus ist überfüllt. Die Frage der Zulassung von hundert zusätzlichen Flüchtlingen wird ein großes Problem für eine Weltmacht vom Range der Vereinigten Staaten. [...] Inmitten der ungeheuren Landflächen und der Wunder der Technik, die dem Menschen Himmel und Erde erschließen, hat es die Bourgeoisie fertiggebracht, unseren Planeten in ein widerwärtiges Gefängnis zu verwandeln. (Leo Trotzki: „Der imperialistische Krieg und die proletarische Weltrevolution“ (1940), in: Das Übergangsprogramm. Essen 1997, S. 212-213)

Die Brutalisierung der Einwanderer bringt den Bankrott des Nationalstaatensystems, an das der Kapitalismus gebunden ist, auf vernichtende Weise zum Ausdruck. Die Globalisierung des Wirtschaftslebens und die technologische Integration der Weltbevölkerung sind weit über das Niveau hinausgewachsen, wie es zu Trotzkis Zeiten existierte.

Doch im Kapitalismus schüren die Regierungen überall auf der Welt den Hass auf Einwanderer, um die Arbeiterklasse zu spalten und von der wahren Ursache für das Leid der Arbeiter – dem kapitalistischen System – abzulenken.

Die Sozialistische Gleichheitspartei und das Internationale Komitee der Vierten Internationale lehnen den gesamten Rahmen der offiziellen Diskussion über Einwanderung ab. Wir treten für eine sozialistische und internationalistische Lösung der Krise ein, mit der die eingewanderten Arbeiter konfrontiert sind, und für den Aufbau der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Amerika. Diese Lösung basiert auf der strategischen Perspektive der internationalen Einheit der Arbeiterklasse und der sozialistischen Weltrevolution.

Wir stehen für das Recht von Arbeitern aus allen Teilen der Welt, mit vollen Staatsbürgerrechten im Land ihrer Wahl zu leben, und ebenso für das Recht darauf, ohne Furcht vor Abschiebung oder Repressionen zu arbeiten und zu reisen.

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