Nach Flug von atomwaffenfähigem B-52-Bomber nahe russischem Luftraum: Britische und deutsche Kampfflugzeuge fangen russischen Jet über der Ostsee ab

Am Dienstag haben britische und deutsche Kampfflugzeuge über der Ostsee ein russisches Tankflugzeug abgefangen, das sich auf einem Routineflug von St. Petersburg zur Exklave Kaliningrad befand. Die britische Royal Air Force begründete diese hochgradig provokative Aktion damit, das russische Flugzeug habe sich dem estnischen Luftraum genähert. Am gleichen Tag hatte Russland eine US-Drohne zum Absturz gebracht. Diese Vorfälle verdeutlichen, dass die Spannungen zwischen den imperialistischen Nato-Mächten und Russland sowohl im Baltikum als auch in der Ukraine bis zum Zerreißen gespannt sind.

Berichten zufolge flankierten die britischen und deutschen Jets das russische Flugzeug mehrere Minuten lang, bevor sie ihm erlaubten, den Flug fortzusetzen. Dies war das erste Mal, dass britische und deutsche Kampfflugzeugen im Rahmen der Luftüberwachung der Ostsee zusammenarbeiteten, für die Großbritannien in den nächsten vier Monaten zuständig sein wird.

Ein B-52-Bomber beim Abwurf einer Bombe während eines Trainingseinsatzes. (Foto: US-Verteidigungsministerium) [Photo: US Department of Defense]

Weniger als 72 Stunden vor dem Vorfall näherte sich ein atomwaffenfähiger amerikanischer B-52-Bomber dem russischen Luftraum über dem Finnischen Meerbusen bis auf wenige Kilometer. Der Vorfall war eindeutig im Voraus geplant und sollte ein Einschüchterungsversuch sein. Die B-52 flog von Polen nach Norden durch den schwedischen und finnischen Luftraum, bevor sie kurz vor Erreichen der russischen Insel Gogland im Finnischen Meerbusen umdrehte und auf dem Rückweg die baltischen Republiken überflog. Die Insel, die auf Finnisch Suursaari heißt, liegt nur 40 Kilometer vor der finnischen Küste und weniger als 200 Kilometer westlich von St. Petersburg und beherbergt eine russische Radarstation und eine Hubschrauberbasis.

Obwohl außerhalb der schwedischen und finnischen Medien kaum über den Vorfall berichtet wurde, machten Militäranalysten in der Region keinen Hehl aus seiner Bedeutung. Mika Aaltola, der Direktor des finnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten, kommentierte auf Twitter: „Der Finnische Meerbusen ist eine der strategisch wichtigsten Meerengen Europas. Russland hat hier seine Aktivitäten ausgeweitet, u. a. auf Suursaari. So passen Nationen, die de facto Verbündete sind, aufeinander auf und senden eine abschreckende Botschaft.“

Vieles deutet darauf hin, dass der Flug der B-52 eine kalkulierte Provokation war und auf höchster Ebene diskutiert wurde. Unmittelbar vor dem Flug der B-52 hielt sich der finnische Präsident Sauli Niinistö in Washington zu Gesprächen mit US-Präsident Biden über den Nato-Beitritt seines Landes auf. Während eines früheren Treffens am 9. März berichtete der finnische Staatssender YLE, Russland habe seit 2014 seine militärische Aktivität auf Gogland erheblich verstärkt.

Dass der höchst ungewöhnliche Flug von den Medien kaum erwähnt wurde, macht den Vorfall nur umso unheilvoller. Die wenigen Informationen darüber lassen kaum Zweifel, dass er gefährlich nahe daran war, eine Reaktion Russlands auszulösen. Was genau wäre passiert, wenn die B-52 in den russischen Luftraum eingedrungen oder ihm zu nahe gekommen wäre? Hätte Russland sie von seiner Basis auf Gogland aus angegriffen? Und wie hätten, angesichts der angespannten Lage in der Region, an der Land-, Luft- und Seestreitkräfte der Nato und Russlands beteiligt sind, auf einen solchen Vorfall reagiert?

Zudem hatten Schweden, Finnland und die Türkei kurz vor dem Flug die Verhandlungen über die Aufnahme der beiden nordeuropäischen Länder in die Nato wieder aufgenommen. Ankara hat zwar am Freitag grünes Licht für die Mitgliedschaft Finnlands gegeben, weigert sich aber weiterhin, auch Schwedens Antrag zu bewilligen. Als Grund nennt Ankara eine Unterstützung Stockholms für Organisationen wie die PKK, die Ankara als Terroristen einstuft. Anfang der Woche bestätigte der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson erstmals öffentlich, dass Finnland aufgrund der Ablehnung der Türkei möglicherweise früher als Schweden Nato-Mitglied werden könnte. Wenn Finnland der Nato beitritt, wird sich damit die Grenze des Militärbündnisses zu Russland deutlich verlängern, da Russland eine 1.300 Kilometer lange Grenze zu Finnland besitzt.

Niinistö hielt sich am Freitag zu Verhandlungen mit Erdogan in der Türkei auf. Dieser kündigte nach dem Treffen an, die Türkei werde Finnlands Beitritt zur Nato zustimmen.

Die imperialistischen Großmächte in der Nato unterstützen die Nato-Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens uneingeschränkt, um eine Nordfront im Krieg gegen Russland zu eröffnen. Der US-Imperialismus ist bereits dabei, seine Präsenz in Nordeuropa stark auszuweiten, was ihm sowohl den Zugang zur Ostsee als auch zu Russlands Grenzen mit Norwegen und Finnland erleichtern wird. Letzten Juni trat ein aktualisiertes Abkommen über Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen zwischen den USA und Norwegen in Kraft, das den amerikanischen Truppen ungehinderten Zugang zu „agreed areas“ (dt. etwa „vereinbarte Sondergebiete“) gewährt und die Soldaten dem amerikanischen statt dem norwegischen Recht unterstellt. Ähnliche Abkommen sind mit Finnland und Schweden in Vorbereitung. Strategische Orte wie die Ostseeinsel Gotland und ein Luftwaffenstützpunkt in der finnischen Arktis könnten in Abkommen mit Stockholm und Helsinki zu „agreed areas“ werden.

Während sich die Spannungen im Baltikum und Nordeuropa in gefährlichem Maße verschärfen, bereiten Washington und seine europäischen Verbündeten eine weitere Ausweitung ihrer Beteiligung am Ukrainekrieg vor. Nach dem Abschuss der amerikanischen Drohne durch Russland am Dienstag kündigte der polnische Präsident Andrzej Duda an, Warschau werde der Ukraine bis zu zwölf Kampfflugzeuge des Typs MiG-29 liefern, vier davon sofort. Am Freitag kündigte auch die Slowakei die Lieferung einer kleinen Anzahl von MiG-29 an den Nachbarstaat Ukraine an. Auch wenn diese Ankündigungen nicht bedeuten, dass moderne Nato-Kampfflugzeuge nach Kiew geschickt werden, so ist damit doch ein Präzedenzfall für die Lieferung weiterer Kampfjets geschaffen worden.

Die zunehmend verzweifelte militärische Situation der Ukraine, die laut einem aktuellen Bericht von Politico seit Beginn des Kriegs mehr als 100.000 Soldaten verloren hat, erhöht die Wahrscheinlichkeit einer katastrophalen Eskalation, die in einem direkten Zusammenstoß zwischen Atommächten enden könnte. Wenn die USA und ihre europäischen imperialistischen Verbündeten ihre Glaubwürdigkeit wahren wollen, die sie an die Bedingung einer verheerenden militärischen Niederlage Russlands geknüpft haben, wird ihnen bald nichts anderes übrigbleiben, als eigene Truppen am Boden einzusetzen und Kiew moderne Nato-Kampfflugzeuge zu liefern.

Die Nato führt momentan in ganz Europa zahlreiche Militärübungen durch, an denen viele Tausend Soldaten beteiligt sind. In einer Pressemitteilung vom 13. März hieß es: „Im März beteiligen sich 20.000 Soldaten der Nato-Staaten, Finnlands und Schwedens an den Übungen ,Joint Viking‘ und ,Joint Warrior‘, den bisher größten Militärübungen im Norden Europas in diesem Jahr, bei denen die Verteidigung Norwegens trainiert wird. Im Mittelmeer haben Schiffe, U-Boote und Flugzeuge aus neun Nato-Staaten während der Übung ,Dynamic Manta‘ die Bekämpfung von U-Booten trainiert. Frankreich führt im Rahmen von ,Orion 23‘ seine größte Militärübung seit Jahrzehnten durch, an der sich im Verlauf von drei Monaten 19.000 alliierte Soldaten beteiligen. Etwa 600 deutsche Soldaten üben während des Manövers ,Griffin Lightning‘ die Verteidigung Litauens. Amerikanische B-52-Bomber absolvieren von Spanien aus gemeinsame Übungen mit verbündeten Luftstreitkräften in ganz Europa.“

Im Juni wird die deutsche Luftwaffe die Übung Air Defender 2023 ausrichten, die größte Operation von Luftstreitkräften seit der Gründung der Nato. Vom 12. bis zum 23. Juni werden sich mehr als 10.000 Soldaten aus 18 Staaten sowie 210 Kampfflugzeuge von Basen in Deutschland, den Niederlanden und Tschechien aus an Militärübungen im europäischen Luftraum beteiligen.

Diese koordinierte europaweite Mobilisierung als voneinander getrennte „Übungen“ zu bezeichnen, ist eine Verzerrung der Realität. Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass sich das von den USA geführte aggressive Militärbündnis auf einen direkten Krieg mit Russland vorbereitet, der aufgrund der sich verschärfenden Krise des ultrarechten ukrainischen Regimes immer näher rückt.

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