Polen erwägt Stationierung amerikanischer Atomwaffen

Immer häufiger wird davor gewarnt, dass der Krieg zwischen Russland und der Nato in der Ukraine nuklear eskalieren könnte. Der polnische Premierminister Andrzej Duda sagte am Mittwoch, dass er mit den Vereinigten Staaten über die Stationierung von Atomwaffen im Land gesprochen habe.

Polen hat eine 120 Meilen lange gemeinsame Grenze mit der russischen Enklave Kaliningrad.

„Das erste Problem ist, dass wir keine Atomwaffen haben“, sagte Duda der Zeitung Gazeta Polska. „Es besteht immer die Möglichkeit, sich dem Programm der nuklearen Teilhabe anzuschließen. Wir haben mit amerikanischen Politikern darüber gesprochen, ob die Vereinigten Staaten diese Möglichkeit in Betracht ziehen.“

Die Ankündigung erfolgt zu einem Zeitpunkt, zu dem die Behörden in Kiew damit begonnen haben, in den Evakuierungszentren der Stadt Kaliumjodtabletten zu verteilen, die vor der Strahlenbelastung durch nukleare Detonationen schützen sollen.

Am Donnerstag gab das US-amerikanische Ministerium für Gesundheit und Soziales bekannt, dass es Romiplostim (Nplate) im Wert von über 290 Millionen Dollar „für den Einsatz in radiologischen und nuklearen Notfällen“ gekauft habe.

Nach Angaben der National Institutes of Health hat Nplate „das Instrumentarium an medizinischen Gegenmaßnahmen erweitert, das zur Verfügung steht, wenn Menschen bei einem katastrophalen Ereignis hohen Strahlungsdosen ausgesetzt sind. Ein solches Ereignis kann eine nukleare Explosion, ein Unfall in einem Kernreaktor, ein Unfall in der Strahlentherapie oder das Entweichen radioaktiver Abfälle sein.“

Anfang dieser Woche berichtete die Times of London:

Präsident Putin ist geneigt, seine Bereitschaft zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen mit einem Atomtest an den Grenzen der Ukraine zu demonstrieren, wie die Nato ihre Mitglieder warnt.

Weiter heißt es in dem Bericht,

Quellen zufolge hat die Nato einen Geheimdienstbericht an ihre Mitglieder und Verbündeten geschickt, in dem sie darauf hinweist, dass Russland voraussichtlich seine nuklearfähige Torpedo-Drohne Poseidon testen wird, möglicherweise im Schwarzen Meer, das unter russischer Kontrolle steht. Während Washington mögliche Szenarien für eine Reaktion ausarbeitet, soll die Nato berichtet haben, dass das Atom-U-Boot K-329 Belgorod auf dem Weg in die Arktis ist, das im Juli in Dienst gestellt wurde.

Außerdem berichtete die Times, dass ein Zug der für Atomwaffen zuständigen Abteilung der russischen Streitkräfte gesichtet worden sei, der sich auf die Front zubewege.

Auf die Frage nach diesen Berichten während einer Pressekonferenz am Montag bestätigte ein Pentagon-Sprecher, die Berichte zu kennen. Ein Kommentar dazu wurde jedoch verweigert.

Die sich häufenden Warnungen vor einer nuklearen Eskalation werden lauter, da die Ukraine ihre Offensive entlang großer Teile der Front fortsetzt und die russischen Streitkräfte sich angesichts der ukrainischen Vorstöße weiter zurückziehen.

Zum ersten Mal räumte der russische Präsident Wladimir Putin die Destabilisierung der russischen Linie ein. Gegenüber Reportern drückte er seine Erwartung aus, dass sich die Situation „stabilisieren“ werde.

„Wir gehen davon aus, dass sich die Lage in den neuen Gebieten stabilisieren wird“, sagte Putin.

Am Mittwoch unterzeichnete Putin vier Gesetze, mit denen er die Annexion von vier ukrainischen Provinzen durch Russland bestätigte, auch wenn russische Vertreter nicht erläutern konnten, welches Gebiet exakt sie annektiert hatten.

Ukrainische Vertreter erklärten, sie hätten seit letztem Monat Tausende Quadratkilometer Territorium erobert und in den letzten Tagen Dutzende Städte und Dörfer eingenommen.

Das britische Verteidigungsministerium teilte mit: „Die Ukraine macht bei ihren Offensivoperationen sowohl an der Nordost- als auch an der Südfront weiterhin Fortschritte. Im Nordosten, in der Oblast Charkiw, hat die Ukraine inzwischen ein beträchtliches Gebiet östlich des Flusses Oskil konsolidiert.“

Die ukrainischen Streitkräfte scheinen ihre Offensive auf die Provinz Luhansk auszudehnen. „Die Räumung der Region Luhansk hat bereits offiziell begonnen“, schrieb Serhij Haidai, der Leiter der ukrainischen Regionalregierung von Luhansk, auf Telegram.

Putin kündigte außerdem an, dass er eine Reihe von „Korrekturen“ an der russischen Mobilisierungskampagne vorgenommen und eine größere Zahl von Studenten von der Einberufung befreit habe.

Die britische Premierministerin Liz Truss erklärte am Mittwoch, die Ukraine werde „gewinnen“.  Sie erklärte: „Wir werden an der Seite unserer ukrainischen Freunde stehen, egal wie lange es dauert. Die Ukraine kann gewinnen. Die Ukraine muss gewinnen. Und die Ukraine wird gewinnen.“

Die Erklärung scheint eine Bestätigung des erklärten Ziels der Ukraine zu sein, den gesamten Donbas und die Krim zurückzuerobern.

Während die russischen Streitkräfte ihren Rückzug fortsetzen, führte Russland nach Angaben ukrainischer Vertreter 80 Kilometer südlich von Kiew einen Angriff mit einem Schwarm von Kamikaze-Drohnen durch.

Angesichts des sich zuspitzenden Debakels für die russischen Streitkräfte formulieren US-Vertreter die Ziele ihrer Intervention in dem Konflikt immer deutlicher.

Ein ranghoher US-Vertreter erklärte gegenüber dem britischen Telegraph: „Die Rückeroberung der Krim durch die Ukraine ist nun eine eindeutige Möglichkeit und kann nicht mehr ausgeschlossen werden.“

Er fuhr fort: „Es ist klar, dass Russland nicht mehr die Fähigkeit oder den Willen hat, Schlüsselpositionen zu verteidigen, und wenn es den Ukrainern gelingt, Cherson zurückzuerobern, dann besteht eine sehr reale Möglichkeit, dass es letztendlich auch die Krim zurückerobern kann.“

Unterdessen hat John Bolton, ehemaliger UN-Botschafter unter George W. Bush und Nationaler Sicherheitsberater unter Donald Trump, die Vereinigten Staaten aufgefordert, ihr implizites Ziel eines Regimewechsels in Russland formell zu erklären.

„Es gibt keine langfristige Aussicht auf Frieden und Sicherheit in Europa ohne einen Regimewechsel in Russland“, schreibt Bolton in einem Artikel für eine Online-Zeitschrift und erklärt: „Das ganze Regime muss weg.“

Bolton lobt den Aufruf zum Sturz Putins, den Biden im März gemacht hatte, und verurteilt die Bemühungen des Weißen Hauses, sich von Bidens Äußerung zu distanzieren.

Bolton schreibt: „Warum die Angst? Es gibt keine langfristige Aussicht auf Frieden und Sicherheit in Europa ohne einen Regimewechsel in Russland. Die Russen diskutieren bereits darüber, im Stillen, aus offensichtlichen Gründen. Wenn die Vereinigten Staaten und andere so tun, als gäbe es das Thema nicht, schadet das mehr als es nützt.“

Und weiter: „Die vorsichtige Unterstützung russischer Dissidenten bei der Verfolgung eines Regimewechsels könnte genau die richtige Antwort sein. Russland ist natürlich eine Atommacht, aber das ist genauso wenig ein Argument gegen einen Regimewechsel wie gegen die Unterstützung der ukrainischen Selbstverteidigung.“

Bolton weiter: „Es muss um weit mehr gehen, als nur Putin zu ersetzen. In seinem inneren Kreis gäbe es mehrere potenzielle Nachfolger, die schlechter wären. Das Problem ist nicht ein einzelner Mann, sondern die kollektive Führung, die in den letzten zwei Jahrzehnten aufgebaut wurde. Es gibt keine zivile Regierungsstruktur, die einen Wandel herbeiführen könnte, nicht einmal ein Politbüro wie dasjenige, das Nikita Chruschtschow nach der Kubakrise in den Ruhestand versetzte. Das gesamte Regime muss verschwinden.“

Er schließt: „Die Obersten und Ein-Sterne-Generäle und ihre zivilen Äquivalente [in Russland] sind die wahrscheinlichsten Mitverschwörer, die die Dinge selbst in die Hand nehmen werden.“

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