150.000 Corona-Tote in Deutschland

Am vergangenen Wochenende meldete das Robert Koch-Institut (RKI) offiziell den 150.000. Corona-Toten in Deutschland. Dieser erschreckende Meilenstein ist das Ergebnis der Profite-vor-Leben-Politik, die alle Bundes- und Landesregierungen seit Beginn der Pandemie verfolgt haben.

Dieser katastrophale Verlust von Menschenleben ist in Friedenszeiten beispiellos. Innerhalb von zweieinhalb Jahren sind so viele Menschen gestorben, wie eine mittelgroße Stadt Einwohner hat. Die Lebenserwartung für geborene Mädchen sank im Vergleich zu 2019 um 0,4 Jahre und für Jungen sogar um 0,6 Jahre.

Kühlcontainer für Corona-Tote auf dem Hauptfriedhof in Hanau im Dezember 2020 (AP Photo/Michael Probst)

Hinter der Zahl der 150.000 Toten stehen Millionen von Menschen, die Freunde, Verwandte, Kinder oder Eltern verloren haben. Weitere Millionen leiden unter den Langzeitfolgen einer Infektion mit dem Virus.

Das tatsächliche Ausmaß der Todesfälle ist dabei noch weitaus höher, als die offiziellen Zahlen hergeben. Eine Studie der WHO, die die Übersterblichkeit in Folge der Pandemie untersucht, kam zu dem Ergebnis, dass bereits in den Jahren 2020 und 2021 195.000 Menschen gestorben sind – das sind 42 Prozent mehr, als die offiziell erfassten Toten im gleichen Zeitraum. Hochgerechnet auf die jetzt offiziell erreichten 150.000 Toten wären das 213.000 tatsächliche Todesfälle.

Man sollte meinen, diese schockierenden Zahlen müssten Anlass geben, den Toten zu gedenken und ernsthaft über die politischen Entscheidungen zu diskutieren, die zu dieser Katastrophe geführt haben. Das ist jedoch nicht einmal ansatzweise der Fall. Ganz im Gegenteil reagiert die Politik vor allem mit Schweigen. Das Sterben am Virus soll als etwas Natürliches hingenommen werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich offiziell mit keinem Wort zu der Tragödie. Und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verfasste lediglich einen Tweet: „Jetzt sind es 150.000 Corona Tote. Zu viele, aber ohne die Solidarität und Vernunft der Bevölkerung wären es noch viel mehr. Die Zahl der Toten niedrig zu halten muss weiter eines unserer Ziele bleiben.“

Das ist so zynisch wie verlogen. Die Zahl von 150.000 ist alles andere als „niedrig“, sondern entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Regensburg. Und tatsächlich war es nie das Ziel der Bundesregierung – weder der Großen Koalition noch der Ampel – die Todeszahlen „niedrig zu halten“. Von Anfang an stellte sie den Schutz der Profite über die Rettung von Leben. Die 150.000 Toten sind das direkte Ergebnis dieser Politik.

Bereits kurz nach Beginn der Pandemie im März 2020 erklärte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sie und ihre Regierung gingen davon aus, dass sich 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus infizieren werden. Erst in Folge von Protesten und wilden Streiks der Arbeiterklasse, die sich innerhalb weniger Tage über Italien und andere südeuropäische Länder auf die USA und Nordamerika ausweiteten, sah sich die Regierung gezwungen, einen begrenzten Lockdown zu verhängen.

Diesen Lockdown nutzte die herrschende Klasse, um in Form sogenannter „Rettungspakete“ Milliarden auf die Konten der Reichen und großen Konzerne zu transferieren. Dabei arbeiteten alle Bundestagsparteien, von der Linkspartei bis zur rechtsextremen AfD, eng zusammen. Als Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) Ende April 2020 erklärte, das Recht auf Leben sei nicht „absolut“ vom Grundgesetz geschützt, verstanden das alle Parteien als Signal, die beschränkten Lockdowns und anderen Schutzmaßnahmen aufzuheben.

Der darauffolgende Winter 2020/2021 sollte der tödlichste Winter der Pandemie werden, zu dessen Höhepunkt täglich fast 900 Menschen starben. Gleichzeitig schossen die Aktienkurse in die Höhe und an der Spitze der Gesellschaft fand eine sagenhafte Bereicherungsorgie statt. Laut dem US-Wirtschaftsmagazins Forbes stieg die Zahl der deutschen Milliardäre allein im ersten Pandemiejahr um 29 auf 136. Seitdem wird diese Klassenpolitik ständig verschärft.

Als die Ampel aus SPD, FDP und Grünen nach der Bundestagswahl im September 2021 die Regierung übernahm, trieb sie die Durchseuchung im Interesse der kapitalistischen Profitinteressen auf die Spitze. Am 25. November, noch bevor die Ampel-Regierung offiziell im Amt war, beendeten die Koalitionäre die „epidemische Notlage“ und nahmen damit Lockdowns, Schul- und Betriebsschließungen sowie anderen lebensrettenden Maßnahmen die rechtliche Grundlage.

In Folge der kriminellen Politik der Ampel-Regierung entwickelte sich Omikron auch in Deutschland zur dominierenden Variante und die Infektionszahlen stiegen auf Rekordwerte. Auf dem Höhepunkt der Welle infizierten sich Hunderttausende täglich. Die Regierung reagierte darauf, indem sie den Vorwand, sie wolle die Pandemie eindämmen, vollständig fallen ließ.

Im Januar 2022 verkürzte die Regierung die Quarantänedauer auf sieben Tage. Im März verabschiedete sie ein sogenanntes „Infektionsschutzgesetz“, mit dem sie die Corona-Maßnahmen auf einen „Basisschutz“ reduzierte. Im April lehnte sie die Impfpflicht ab. Im Mai verkürzte sie die Quarantänezeit auf fünf Tage und im Juni schaffte sie die kostenlosen Bürgertests ab.

Mit dem am 1. Oktober in Kraft getretenen neuen Infektionsschutzgesetz beseitigt die Ampel-Regierung auch die letzten Schutzmaßnahmen und legt damit die Grundlagen für ein weiteres Massensterben in diesem Herbst und Winter. Bereits jetzt fallen in einer Woche wieder mehr als 500 Menschen dem Virus zum Opfer und neue immunresistentere Varianten wie die Omikron-Sublinie BA 2.75.2 breiten sich aus.

Gleichzeitig ordnet die Bundesregierung alle Bereiche der Kriegspolitik unter. Während sie über ein „Sondervermögen Bundeswehr“ 100 Milliarden Euro ins Militär steckt und zig weitere Milliarden in Waffenlieferungen für die Ukraine, wird der Gesundheitshaushalt um dutzende Milliarden Euro gekürzt.

Lauterbach selbst brachte die Priorität der herrschenden Klasse auf den Punkt, als er am Samstag auf Twitter schrieb: „Wir sind im Krieg mit Putin und nicht seine Psychotherapeuten. Es muss weiter konsequent der Sieg in Form der Befreiung der Ukraine verfolgt werden.“ Das ist unmissverständlich. Nach mehr als 150.000 Toten in der Pandemie ist die herrschende Klasse bereit, noch größere Menschenmassen im Krieg gegen Russland zu opfern.

Das darf nicht zugelassen werden. Der Meilenstein von 150.000 Corona-Toten muss wie die gefährliche Eskalation des Nato-Stellvertreterkriegs in der Ukraine als Weckruf verstanden werden, eine politische Perspektive zu diskutieren, die das Massensterben in Pandemie und Krieg beenden kann.

Wie das Entstehen immer neuer gefährlicher Virusmutationen zeigt, ist die einzige Strategie, um die Pandemie zu beenden, die Eliminierung des Virus. Da dies aber den Profitinteressen der herrschenden Klasse widerspricht, kann diese Strategie nur von der Arbeiterklasse durchgesetzt werden und erfordert ein sozialistisches Programm. Die enormen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Ressourcen, die der Pandemiebekämpfung zur Verfügung stehen, müssen eingesetzt und global koordiniert werden. Der Kampf gegen die Pandemie ist wie der Kampf gegen Krieg im Kern ein Kampf gegen den Kapitalismus.

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