Georgia Meloni von den Fratelli d’Italia (FdI, Brüder Italiens) hat am Sonntagabend die italienischen Parlamentswahlen gewonnen. Die Fratelli d’Italia sind die politische Nachfolgepartei der Faschisten von Diktator Benito Mussolini aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und bis zu seinem Ende.
Mit 26 Prozent der Stimmen wird sie versuchen, eine Regierung zusammen mit Silvio Berlusconis rechter Forza Italia (8 Prozent) und Matteo Salvinis rechtsextremer Lega (9 Prozent) zu bilden. Aufgrund der zusätzlichen Sitze, die das italienische Wahlsystem der Partei mit den meisten Stimmen zugesteht, werden die Fratelli und ihre Verbündeten voraussichtlich eine absolute Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments haben. Damit würden sie etwa 235 der 400 Sitze in der Abgeordnetenkammer und 115 der 200 Sitze im Senat erhalten.
Was die Parteien betrifft, die die bürgerlichen Medien zu Unrecht als „links“ bezeichnen, so haben die Wahlen ihren Zerfall offenbart. Die Demokraten (PD), Italiens wichtigste sozialdemokratische Partei, fiel auf weniger als 19 Prozent, während die populistische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) 15,5 Prozent erhielt. Unione Popolare, das Bündnis, dem unter anderen die Restpartei von Rifondazione Comunista angehört, erhielt nur 1,35 Prozent; Unione Popolare hatte die Unterstützung der pseudolinken Podemos-Regierung in Spanien und Jean-Luc Mélenchons in Frankreich.
Die Tatsache, dass Mussolinis Erben erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor 77 Jahren an die Spitze Italiens gelangen, muss allen Arbeitern weltweit eine Warnung sein. Aus der imperialistischen Kriegsgefahr und dem sozialen Niedergang gibt es nur einen Ausweg: den Bruch mit dem bankrotten politischen Establishment und die Mobilisierung der Arbeiterklasse. Dies kann nur unabhängig von den bestehenden Parteien und nationalen Gewerkschaftsbürokratien im Kampf für den Sozialismus geschehen.
Seitdem die Stalinisten im Jahr 1991 die Sowjetunion aufgelöst haben, setzen europäische Regierungen aller Couleurs Sparmaßnahmen durch; sie retten die Banken und die Reichen und führen imperialistische Kriege. In Italien haben auch Rifondazione Comunista und die PD, als sie an der Regierung waren, diese arbeiterfeindliche Politik durchgesetzt. Mit der Corona-Pandemie und dem Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine ist die Bourgeoisie weiter nach rechts gerückt. Inmitten der wachsenden Wut der Arbeiterklasse über den weltweiten Anstieg der Inflation nutzt die herrschende Klasse nun Melonis populistische Demagogie für ihr Bestreben, einen Polizeistaat nach dem Vorbild des Faschismus im 20. Jahrhundert aufzubauen.
Am Sonntagabend begann Meloni ihre Siegesrede mit dem Hinweis, dass sie die Wahl als einen Triumph der faschistischen Tradition betrachte. Obwohl die europäischen Medien Meloni euphemistisch als „postfaschistisch“ bezeichnen, sagte sie: „Ich widme diesen Sieg all jenen, die nicht mehr hier sind und die es verdient hätten, heute Abend am Leben zu sein.“
Sie betonte, dass sie eine „verantwortungsvolle“ Regierung führen werde, und versuchte, die Frauenfrage auszuspielen, um sich einen progressiven Anstrich zu geben. Von den anderen politischen Organisationen in Italien forderte sie „gegenseitigen Respekt“ und versprach: „Ich werde mich auf das konzentrieren, was uns eint, und nicht auf das, was uns trennt. Es ist an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen.“
Meloni erklärte der Presse, dass ihre Wahl zur ersten Ministerpräsidentin Italiens „ein Schritt vorwärts“ sei. „Ich habe das als ‚Durchbrechen der gläsernen Decke' definiert, die es in vielen westlichen Ländern, nicht nur in Italien, immer noch gibt, und die die Frauen daran hindert, wichtige öffentliche Rollen in der Gesellschaft zu übernehmen.“
Meloni versuchte auch, Bedenken in Regierungskreisen zu zerstreuen, dass sie nationalistische Kritik am Nato-Krieg gegen Russland oder an den milliardenschweren Bankenbailouts der EU für die Superreichen üben könnte. Sie betonte, sie unterstütze Italiens Position in der EU und seine Haltung zum Nato-Bündnis, wie auch den Krieg gegen Russland in der Ukraine.
„Wir werden die Positionierung Italiens und unsere uneingeschränkte Unterstützung für den heldenhaften Kampf des ukrainischen Volkes unmissverständlich zum Ausdruck bringen“, sagte sie. Sie sprach sich auch für die Erhöhung der EU-Militärausgaben und den Stopp der EU-Käufe von russischem Erdgas aus und sagte: „Hätten wir eine EU, die eher der entspricht, die wir uns vorstellen, dann hätten wir eine effektivere Verteidigungspolitik entwickelt, wir hätten in Energiesicherheit investiert und kurze Wertschöpfungsketten aufrechterhalten. So hätten wir die Abhängigkeit von anderen – oft unzuverlässigen – Ländern bei Gas, Rohstoffen, Waren, Chips und anderen Gütern vermieden.“
PD-Chef Enrico Letta gab gestern eine Pressekonferenz, auf der er seine Niederlage eingestand. Er betonte, die PD werde „nicht zulassen, dass sich Italien nicht länger im Herzen Europas befindet“. Die PD werde die „europäischen Werte“ verteidigen, die in Italiens Nachkriegsverfassung von 1946 verankert sind. Er versprach, eine „harte und anspruchsvolle Position“ einzunehmen, um eine Mehrheit für „fortschrittliche und demokratische Werte“ aufzubauen, was seiner Partei bei dieser Wahl leider nicht gelungen sei.
Melonis Wahlsieg ist das Ergebnis des Bankrotts der PD und ihrer pseudolinken Satelliten. Sie sprechen nicht für die Demokratie oder den historischen Fortschritt, sondern für Schichten der Bourgeoisie und der pro-imperialistischen, wohlhabenden Mittelschicht die den Krieg mit Russland, die EU-Bankenrettung, die Untätigkeit bei Covid-19 und die kleinbürgerliche Genderpolitik unterstützen. Während des Wahlkampfs haben sie Meloni vor allem von rechts angegriffen: Erstens haben sie behauptet, sie sei EU-feindlich und pro-russisch, oder in Lettas Worten: „an der Pro-Putin-Front orientiert“, und zweitens warfen sie ihr vor, sie sei frauenfeindlich.
Die Vorwürfe erwiesen sich jedoch als unwirksam gegen Meloni, die sich wiederholt in kriegerischer Manier gegen Russland wandte und ihre Reden gebetsmühlenartig mit dem Satz begann: „Mein Name ist Giorgia. Ich bin Frau, ich bin Mutter, ich bin Italienerin, ich bin Christin, und das kann mir keiner nehmen.“
Die herrschende Klasse und das politische Establishment Italiens haben Meloni unterstützt und sich sorgfältig auf ihren Sieg vorbereitet. Anfang des Monats wurde sie eingeladen, auf dem einflussreichen Ambrosetti-Wirtschaftsforum zu sprechen, das am Comer See stattfindet. Nach einer kollegialen Debatte zwischen Meloni und Letta am 12. September, schrieb die Süddeutsche Zeitung: „Niemand verteufelt Giorgia Meloni in Italien, auch die Presse nicht. Sie segelt zu ihrem Wahlsieg, so jedenfalls sieht es aus.“
Melonis Sieg liegt wesentlich an Letta, ihrem Gegenkandidaten. Dessen Partei war neben Salvinis rechtsextremer Lega und der M5S ein wichtiger Bestandteil der scheidenden italienischen Koalitionsregierung unter Mario Draghi, dem ehemaligen europäischen Zentralbanker. Letta selbst hat kaum politische Differenzen mit der extremen Rechten.
Arbeiter und Jugendliche in Italien und überall in Europa lehnen die von Meloni und Letta vertretene Politik ab. Die Preise für Lebensmittel und Energie steigen explosionsartig an, während die Energiekonzerne ihre Kunden schröpfen und Profite in Milliardenhöhe einfahren. Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass in Italien allein in diesem Winter mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze aufgrund von Energiemangel wegbrechen könnten. Dies ist die Grundlage für eine massive Protestbewegung.
Diese Umstände, deren sich die herrschende Klasse sehr wohl bewusst ist, spielten im Wahlkampf eine entscheidende Rolle für den Umgang des italienischen Establishments mit Meloni. Sie versuchen, den Faschismus zu legitimieren, indem sie eine Regierung installieren, die so aggressiv wie möglich Krieg führen und die Opposition der Arbeiterklasse unterdrücken wird.
Doch keine Lügen der herrschenden Elite sind in der Lage, die Verbrechen Mussolinis und Hitlers in den Augen von Millionen Menschen zu verharmlosen.
Gestern besetzten Schüler in Mailand, Rom und Palermo mehrere Schulen, um gegen den Wahlsieg Melonis zu protestieren. Schüler des besetzten Manzoni-Gymnasiums in Mailand sagten der Tageszeitung La Repubblica, sie lehnten die „ausbeuterische und barbarische Zeitarbeit ab“, unter der ihre Generation leide. Sie sprachen sich außerdem gegen die „gefährliche und repressive politische Situation“ aus, die angesichts der jüngsten Wahlergebnisse drohe. An Meloni und den Unternehmerverband Confindustria gerichtet, sagten die Schüler: „Wir werden keine weiteren Rückschritte mehr hinnehmen oder einfach so tun, als ob nichts geschehen wäre, und darauf warten, dass ihr die Dinge ändert.“
Jetzt ist es entscheidend, die wachsende Massenopposition auf den Aufbau einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse gegen den imperialistischen Krieg und das kapitalistische System auszurichten.