Brief an das Aktionskomitee der Eisenbahner in den Vereinigten Staaten

Solidarität mit dem Kampf der Eisenbahner in den USA

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

aufmerksam verfolgen wir die Berichte der World Socialist Website über euren Kampf gegen die Verschwörung aus Gewerkschaftsbürokratie, Unternehmensmanagement und Bidens Zwangsschlichtungsstelle – dem Presidential Emergency Board (PEB). Diese Verschwörung will euer Recht auf Streik außer Kraft setzen und euch einen unannehmbaren Tarifvertrag aufzwingen.

Andy Niklaus (rechts) mit Kollegen während des Streiks der Berliner Busfahrer im April 2019

Die Verlängerung der „Bedenkzeit“ über den von euch abgelehnten Vertrag verschafft nicht nur Euren Feinden Zeit, nach Mitteln und Wegen zu suchen, euch in die Knie zu zwingen. Auch ihr nutzt die Zeit, weitere Kollegen für den notwendigen Kampf zu mobilisieren und eure Forderungen zu konkretisieren.

Auf eurer Versammlung am vergangenen Mittwoch habt Ihr Beschlüsse gefasst, die wir sehr wichtig finden und voll unterstützen. Sie stehen nicht nur im Zentrum eures Widerstands gegen den Ausverkauf, sondern sind auch für uns wichtig. Denn wir haben sehr ähnliche Probleme

  • Verteidigung des demokratischen Rechts auf Streik und des Rechts der Belegschaft, demokratisch über geplante Tarifverträge abzustimmen;
  • ein Tarifvertrag, der die miserablen Arbeitsbedingungen wesentlich verbessert und die Löhne so weit erhöht, dass wir trotz der rasant steigenden Inflation unseren Lebensunterhalt bestreiten können;
  • Mehrheitsbeschluss der gesamten Belegschaft über den Tarifvertrag; Gewerkschaftsbürokraten sind nicht autorisiert, ihn zu unterzeichnen.

Uns mögen ein Ozean und tausende Flugkilometer trennen, unsere Gewerkschaften, unsere Unternehmen und unsere Regierungen mögen anders heißen, doch wir teilen mit euch und den Kollegen auf der ganzen Welt die gleichen Sorgen:

  • Wie sollen wir bei der jetzigen Arbeitshetze vernünftig arbeiten, ohne uns oder andere zu gefährden? Wie sollen wir gesund bleiben, um nicht am Ende unsere Arbeit und damit unseren Lohn zu verlieren?
  • Wie sollen wir mit diesen Löhnen uns und unsere Familien Woche um Woche durchbringen, wenn die Kosten für Lebensmittel, Miete, Energie und Benzin rasant steigen?

Auch wir stehen einer geschlossenen Front aus Gewerkschaft, Management und Regierung gegenüber, die jede unserer Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz und Löhnen ablehnt.

Dieser geschlossenen Front müssen wir die vereinte Kraft der Arbeiterklasse entgegensetzen. Unsere Organisationsform sind die von uns selbst geschaffenen Aktionskomitees, die ausschließlich basisdemokratisch arbeiten.

Die Erfahrung hat gezeigt: die Gewerkschaften lassen sich nicht reformieren. Gewerkschaftsbürokraten werden uns wieder und wieder verraten und verkaufen. Nirgends auf der Welt ist es Arbeitern gelungen, mittels der Gewerkschaften die sozialen Errungenschaften zu verteidigen, die unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern unter schwersten Opfern erkämpft hatten.

Für die Gewerkschaftsbürokraten sind wir Arbeiter eine Ware, die an das jeweilige Betriebsmanagement spottbillig verkauft wird. Je billiger sie uns verkaufen, desto höher ist ihre fürstliche Belohnung!

In den Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs in Berlin, wo wir für niedrige Löhne 24 Stunden am Tag die Bevölkerung zur Arbeit, zur Schule und nach Hause bringen, bekommen die verantwortlichen Gewerkschaftssekretäre rund 8000 Euro im Monat.

Allein die Gewerkschaft Verdi hat im vergangenen Jahr einen bundesweiten Umsatz von 488 Millionen Euro gemacht. Die Streikkassen sind prall gefüllt, weil jeder Streik separiert, abgewürgt und ausverkauft wird.

Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass uns die Gewerkschaftsbürokraten gegen unsere Kollegen in anderen Betrieben, aber auch gegen unseren Kollegen im gleichen Konzern, die an anderen Standorten oder in anderen Ländern arbeiten, ausspielen. Sie versuchen uns zu spalten, damit wir unseren gemeinsamen Feinden kraftlos ausgeliefert sind.

Unsere Aktionskomitees überwinden diese künstliche Trennung. Sie sind Organisationen von Arbeitern für Arbeiter. Und das Internet ist unser technisches Hilfsmittel, um Raum, Zeit und Informationsbarrieren zu überwinden.

Machen wir es uns bewusst: Unser Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne ist zugleich ein politischer Kampf.

Ihr leistet nicht nur eurem Management und euren Gewerkschaftsfunktionären Widerstand, ihr tretet mutig der politischen Verschwörung aus Regierung, Gewerkschaft und Unternehmen entgegen.

Wir stehen fest an eurer Seite und machen euren Kampf und eure Erfahrungen hier unter den Kollegen bekannt. Wir informieren unsere Kollegen darüber, warum euer Kampf so wichtig ist und zugleich unser Kampf ist. Wir mobilisieren unsere Kollegen für eine Zusammenarbeit in der internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees IWA-RFC.

  • Nein zum Ausverkauf durch die Gewerkschaften!
  • Den Arbeitern alle Macht und Kontrolle in den Betrieben!

Mit solidarischen und kämpferischen Grüßen

Nihat Pak und Andy Niklaus

Aktionskomitee der Berliner Verkehrsarbeiter

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