Am Sonntag stellte die Ampelkoalition ihr sogenanntes „Entlastungspaket“ vor. Es beinhaltet die klare Aussage, dass die Regierung die Konfrontation mit Russland unter allen Umständen fortsetzen und die Last des Kriegs auf die Bevölkerung abwälzen wird. Während die großen Konzerne trotz Milliardengewinnen immer neue Finanzhilfen erhalten, sind Arbeiter, Rentner und Studierende mit drastischen Einkommensverlusten konfrontiert.
Bei der Vorstellung des Pakets blieben die Vorsitzenden von SPD, FDP und Grünen extrem schwammig und weigerten sich, konkrete Zahlen zu nennen. Der angebliche Gesamtumfang von 65 Milliarden Euro wird nicht auf die verschiedenen Maßnahmen aufgeschlüsselt und basiert auf bloßen Schätzungen. Laut Finanzminister Christian Lindner wird der Bundeshaushalt 2022 und 2023 durch die Maßnahmen lediglich mit 32 Milliarden Euro belastet.
Ein großer Teil dieser Summe dürfte an die Unternehmen und Konzerne gehen. Sämtliche Hilfen für Unternehmen würden bis zum 31. Dezember verlängert, heißt es in dem gemeinsamen Papier der Koalitionäre. Zusätzlich würden „energieintensive Unternehmen“ unterstützt, „zukunftsfähige Unternehmen“ stabilisiert und private Wohnungsunternehmen, die in den letzten Jahren zu Lasten der Mieter Rekordgewinne eingestrichen haben, mit Förderkrediten beschenkt. Zudem soll es finanzielle Unterstützung für „Effizienz- und Substitutionsmaßnahmen“ von Konzernen geben, um unabhängiger von Gasimporten zu werden.
Während die Unternehmen so weitere Milliardengeschenke erhalten, bleiben die sagenhaften Gewinne zahlreicher Großkonzerne unangetastet. Allein die Dax-Konzerne haben ihre Gewinne im ersten Quartal des Jahres um 21 Prozent erhöht. Die Abschöpfung der „Zufallsgewinne“ der Energieproduzenten, die die Ampelkoalition im „Entlastungspaket“ angekündigt hat, wird daran nicht das Geringste ändern.
Bei dieser Maßnahme handelt es sich lediglich um die Reduzierung der Milliardengeschenke, die den Energiekonzernen auf dem Rücken der Verbraucher seit Monaten gemacht werden. Die Strompreise werden in der EU nämlich nicht vom Markt geregelt, sondern orientieren sich immer an den Kraftwerken, die den Strom am teuersten produzieren. Da Gasverstromung sehr teuer geworden ist, steigen die Stromkosten überproportional. Alle anderen Stromproduzenten, die Windkraft, Atomenergie, Kohle etc. nutzen, können ihren Strom zu diesen horrenden Preisen verkaufen, obwohl sie keinen entsprechenden Anstieg der Produktionskosten zu verzeichnen haben.
Die Bundesregierung hat nun angekündigt, zumindest einen Teil dieser Geschenke einzubehalten und für die Reduzierung der Strompreise einzusetzen, die zuvor durch die gleichen Geschenke in die Höhe getrieben wurden. Dabei ließ sie den Umfang der Abschöpfung und die Höhe des Strompreisdeckels völlig offen und verwies nur darauf, dass dies auf europäischer Ebene beschlossen werden solle. Doch selbst wenn der gesamte „Zufallsgewinn“ abgeschöpft und an die Verbraucher weitergegeben würde – was sehr unwahrscheinlich ist –, wären die Haushalte weiterhin mit der marktmäßigen Erhöhung der Strompreise konfrontiert.
Ein ähnlicher als Entlastung verkappter sozialer Angriff verbirgt sich hinter der Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf sieben Prozent. Diese Maßnahme war schon längst beschlossen und tritt ab dem 1. Oktober in Kraft, wurde jetzt aber nochmal ins Paket hineingerechnet, um dessen Volumen künstlich zu erhöhen. Denn Ökonomen erwarten, dass die Reduzierung den Bundeshaushalt allein schon 14 Milliarden Euro, also fast die Hälfte des Paketvolumens, kosten wird.
Bei den Verbrauchern kommt dieses Geld allerdings nicht an. Denn die Reduzierung fängt nicht einmal die Kosten der Gasumlage auf, die die Ampelkoalition im August beschlossen hat und die die Haushalte verpflichtet, 2,4 Cent pro Kilowattstunde zu zahlen, die direkt auf die Konten der milliardenschweren Energieunternehmen fließen. Von der zusätzlichen enormen Erhöhung der Gaspreise ganz zu schweigen. Allein seit Freitag sind diese erneut um bis zu 30 Prozent gestiegen.
Dabei wird das Einkommen von Arbeitern, Rentnern oder Studenten nicht nur durch die explodierenden Energiepreise, sondern auch durch rasant steigende Mieten und eine Hyperinflation bei Lebensmitteln dezimiert. Selbst laut offizieller Statistik stiegen die Preise für Nahrungsmittel im Juli um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Die minimalen Entlastungen, die das Paket der Bundesregierung für diese Gruppen beschlossen hat, gleichen das in keiner Weise aus, sondern sind nur Beiwerk zu der extremen Umverteilung von unten nach oben, die Regierung und Unternehmen gerade organisieren.
So führt die Regierung die Umwandlung des Arbeitslosengelds II (Hartz4) in ein sogenanntes Bürgergeld ab dem 1. Januar 2023 an, das allerdings ebenfalls längst beschlossen war und nur dem Hochrechnen des Pakets dienen soll. Bestandteil dieser Umstellung ist die Erhöhung des Regelsatzes von bisher 449 auf „etwa 500 Euro“.
Diese „etwa elf-prozentige“ Erhöhung ist „allenfalls ein schlechter Witz“, wie es der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Ulrich Schneider ausdrückte. Rechnet man die letzte Erhöhung von 2022 von gerade einmal 0,6 Prozent mit ein, ergibt sich nur eine jährliche Steigerung von 5,8 Prozent, die damit weit unter den gestiegenen Lebenshaltungskosten liegt.
Noch übler sieht es bei der Erhöhung des Kindergeldes aus. Dieses wird zum nächsten Jahr lediglich um 18 Euro oder 8,8 Prozent auf 222 Euro erhöht. Dies ist allerdings die erste Erhöhung seit 2019, was aufs Jahr gerechnet lediglich eine 2,9-prozentige Steigerung ergibt. Da der Betrag nur für die ersten beiden Kindern erhöht wird, erhält eine sechsköpfige Familie damit eine jährliche Erhöhung von lediglich 1,4 Prozent!
Auch Einmalzahlungen für Studenten und Rentner von 200 und 300 Euro sowie die längst beschlossene Wohngeldreform werden an den verheerenden Zuständen, die die Ampelkoalition selbst geschaffen hat, nicht das Geringste ändern. Das Neun-Euro-Ticket, das ärmeren Schichten zumindest etwas Mobilität ermöglichte, wird abgeschafft und – vorbehaltlich der Zustimmung der Länder – durch ein 49- bis 69-Euro-Ticket ersetzt, das Umfragen zufolge nur noch von fünf statt 67 Prozent der Bevölkerung genutzt würde.
Ein bedeutendes Element des „Entlastungspakets“ ist die unter Punkt 10 angeführte „Konzertierte Aktion“. Damit bezeichnet die Regierung die enge Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Großkonzernen, um die Reallohnkürzungen gegen die Arbeiter durchzusetzen. Insbesondere soll verhindert werden, dass sich Arbeiter in den zahlreichen Tarifauseinandersetzungen dieses Jahres tabellenwirksame Lohnerhöhungen erkämpfen, um die Inflation auszugleichen.
Stattdessen haben sich die Gewerkschaften verpflichtet, die Arbeiter mit Einmalzahlungen ruhig zu stellen, die nicht auf die Lohntabelle angerechnet werden. Auf diese Weise werden die Reallöhne empfindlich reduziert und die Gewinne weiter in die Höhe getrieben, während die Arbeiter nur in diesem Jahr einen kleinen Ausgleich dafür erhalten. Das will die Bundesregierung nun noch dadurch unterstützen, dass sie solche Einmalzahlungen von bis zu 3000 Euro von Steuern und Abgaben befreit – sie subventioniert also die Reallohnkürzungen.
Die 32 Milliarden Euro, die Lindner als Kosten für die Maßnahmen veranschlagt, blieben innerhalb „der bisherigen Haushaltsplanungen der Bundesregierung“, so der Finanzminister. Die Summen, die zum größten Teil den großen Konzernen zugutekommen, werden also an anderer Stelle eingespart. Welche Bereiche das sind, ließ die Bundesregierung offen, aber die massive Steigerung der Rüstungsausgaben bei gleichzeitiger Kürzung von Gesundheit und Bildung sind schon längst beschlossen.
Das „Entlastungspaket“ ist ein weiterer Schritt der Ampelkoalition, die ganze Gesellschaft zu militarisieren und ihrer Kriegspolitik unterzuordnen. Sie hat Putins reaktionären Überfall auf die Ukraine systematisch provoziert und will ihn jetzt nutzen, um Russland eine militärische Niederlage beizubringen und das Land mit seinen riesigen Bodenschätzen unter eigene Kontrolle zu bringen.
Die Regierung will „unabhängig von russischem Gas“ werden, wie es Scholz bei der Ankündigung des Pakets erklärte, um diese Konfrontation weiter vorantreiben zu können. Die Preisexplosion kommt ihr dabei gelegen, weil sie die Bevölkerung zum Gassparen zwingt und so die Versorgung der Industrie gewährleistet.
Mit welcher Rücksichtslosigkeit und Verachtung für demokratische Rechte die Regierung dabei vorgeht, hat die grüne Außenministerin Annalena Baerbock am letzten Mittwoch auf einer Konferenz in Prag deutlich gemacht. Dort erklärte sie in Hinblick auf die Preissteigerungen und den bevorstehenden Winter, dass sie die Konfrontation mit Russland fortsetzen werde, „egal was meine deutschen Wähler denken“. Schon zuvor hatte sie erklärt, dass sie die ukrainische Regierung unterstützen werde, bis auch die Krim unter ihrer Kontrolle stehe, also Russland militärisch besiegt ist.
Doch es sind nicht nur die Kosten dieses Kriegs und der wahnsinnigen Aufrüstung, die auf die Bevölkerung abgewälzt werden. Der Krieg nach außen dient der herrschenden Klasse auch für einen Krieg nach innen. Wie schon die Corona-Pandemie nutzt sie den Krieg für eine sagenhafte Bereicherungsorgie an der Spitze der Gesellschaft. Das „Entlastungspaket“ der Ampelregierung beschleunigt diesen Prozess weiter und setzt dabei auf die enge Zusammenarbeit mit Unternehmen und Gewerkschaften.
Um diese Angriffe zurückzuschlagen und ihre Löhne zu verteidigen, müssen sich Arbeiter unabhängig von Gewerkschaften und den kapitalistischen Parteien in unabhängigen Aktionskomitees organisieren, die sich in der internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) zusammenschließen. Sie müssen den Kampf gegen Lohnraub und Inflation mit dem Kampf gegen Krieg und seine Wurzel, den Kapitalismus, verbinden. Für diese Perspektive stehen die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Schwesterparteien der Vierten Internationale auf der ganzen Welt.