Seit Ford die Einstellung der Produktion im Werk Saarlouis offiziell bekannt gegeben hat, ist fast ein Monat vergangen. Der Betriebsrat und die IG Metall haben in diesen knapp vier Wochen alles darangesetzt, einen Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu sabotieren. Wer dagegen aufbegehrt, wird als Spalter beschimpft und für ein kommendes schlechtes Verhandlungsergebnis verantwortlich gemacht.
Damit eines von Beginn an klar ist: Für die katastrophale Situation, in der sich die über 6000 Arbeiterinnen und Arbeiter bei Ford und im angrenzenden Zulieferer-Park jetzt befinden, trägt der IG-Metall-Betriebsrat unter Markus Thal die Hauptverantwortung – niemand anderes.
Seit 2019 hat der Betriebsrat jedem Personalabbau zugestimmt und von Ford im Gegenzug die Sicherung des Standortes verlangt. Obwohl Ford niemals eine entsprechende Zusage machte, sind in den vergangenen drei Jahren 2600 Arbeitsplätze abgebaut worden.
Als Ford dann im letzten Jahr einen Bieterwettbewerb zwischen den Werken in Saarlouis und dem spanischen Almussafes (Valencia) entfachte, spalteten der Betriebsrat um Thal und der spanische Betriebsrat um José Luís Parra die beiden Belegschaften. Sie spielten beim Bieterwettbewerb bereitwillig mit und versuchten, sich gegenseitig zu unterbieten.
Monatelang arbeitete eine kleine Runde um Thal und den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Benjamin Gruschka gemeinsam mit der Geschäftsleitung in Köln Pläne aus, die Produktionskosten zu Lasten der Beschäftigten drastisch zu senken. Die Forderung des Ford-Aktionskomitees nach einem sofortigen Stopp der Verhandlungen wurde zurückgewiesen.
Seitdem das Aus der Produktion in Saarlouis spätestens im Jahr 2025 feststeht, unternimmt der Betriebsrat alles, um einen wirklichen Arbeitskampf zu unterbinden. Am Tag der Hiobsbotschaft – der Betriebsrat kannte sie schon lange vorher – organisierte er eine harmlose Demonstration fernab vom Werk, um eine spontane Besetzung der Tore und einen Streik zu verhindern.
Seit nunmehr über einem Monat hält der Betriebsrat die Belegschaft im Ungewissen über die Zukunft des Werks, sorgt dafür, dass niemand per Abfindung frühzeitig das Werk verlassen kann, und sieht dem Anstieg der Produktionszahlen zu. Diese feige Unterordnung unter die Profitinteressen des Konzerns hat die Misere geschaffen, in der sich die Belegschaft heute befindet.
Nun kündigt der Betriebsrat in seinen letzten beiden Info-Flugblättern an, er wolle genauso weitermachen. Die Infos sind eine Bankrotterklärung des Betriebsrats und sollten von der Belegschaft als Aufforderung verstanden werden, dagegen aufzustehen und sich nicht weiter verkaufen zu lassen.
In der Betriebsrats-Info vom 12. Juli (23/2022) zählen Thal und seine Betriebsräte auf, was sie angeblich alles nicht wissen: Ob es einen potenziellen Investor für das Werk gebe, wie ein möglicher Verkauf ausgestaltet werde, was Ford vorhabe, was die saarländische SPD-Landesregierung plane, „ab wann und in welchem Umfang ein Sozialplan notwendig ist“ und „vieles, vieles, mehr“.
Im Klartext: Der Betriebsrat hält die Schließung des Werks für unumgänglich und beschäftigt sich nur noch mit der Frage, wie sie aussehen und erfolgen soll. Denn für die Organisation des Ausverkaufs fühlt er sich zuständig.
Beide Infos der letzten Woche betonen, das Ford Management stehe „in der absoluten Pflicht, belastbare Ford-eigene Zukunftsperspektiven aufzuzeigen und nicht die Verantwortung auf Dritte abzuschieben“. Im Info vom 15. Juli (24/2022) behauptet der Betriebsrat sogar allen Ernstes, das Ford-Management, das soeben die Einstellung der Produktion beschlossen hat, mache sich Sorgen um die Belegschaft.
Es habe sich „in Saarlouis ein Bild verschafft, was die Belegschaft bewegt und wie die Stimmung ist“, heißt es in der Betriebsrats-Info. Vertreter des Europäischen Ford Managements sowie der Vorsitzende der deutschen Geschäftsführung, Martin Sander, seien in Saarlouis gewesen und hätten „mit Teilen der Führungskräfte (Management, AT-, Meister-, HR-Ebene) Informationsveranstaltungen und Besprechungen durchgeführt“. Künftig würden der Betriebsrat und drei Manager als Task Force „Zukunft Saarlouis“ „wöchentliche, feste Besprechungstermine“ durchführen.
Der Betriebsrat hat mittlerweile unter Hinweis auf die „teils explosive Stimmung im Werk“ verlauten lassen, dass er sich nicht an dieser Task Force beteilgen werde. Doch das ändert nichts daran, dass er weiterhin auf die Zusammenarbeit mit dem Management setzt.
Diese völlige Unterordnung unter das Ford-Management wird zur Abwicklung des Werks führen. Der Betriebsrat und die IG Metall können die Absichten des Europa Managements in so rosigen Farben malen, wie sie wollen, im Kapitalismus ist das Management den Eigentümern – den Aktionären – und nicht den Belegschaften verpflichtet.
Neben Ford sind auch alle anderen internationalen Autokonzerne dabei, die hart erkämpften Errungenschaften der Vergangenheit wieder abzuschaffen. Die Uhr soll um hundert Jahre zurückgedreht werden. Achtstundentag, auskömmliche Löhne, bezahlter Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitssicherheit und vieles anderes stehen unter Beschuss. In den USA haben die Autokonzerne und die Gewerkschaft UAW (United Auto Workers) viele dieser Errungenschaften bereits abgeschafft.
In der Corona-Pandemie haben viele Arbeiter die „Profite vor Leben“-Politik der Konzerne mit ihrem Leben, ihrer Gesundheit und empfindlichen Lohneinbußen bezahlt. Nun kommen mit der steigenden Inflation weitere dramatische Belastungen auf sie zu. Die Inflation ist die Form, in der die Billionengeschenke an die Finanzmärkte, die Kosten der militärischen Aufrüstung und die Folgen der Nato-Offensive gegen Russland auf die arbeitende Bevölkerung abgewälzt werden.
Während Arbeiter ihre Existenz verlieren, wachsen die Vermögen der Aktionäre und die Millionengehälter der Manager unaufhörlich. Das gilt auch für Ford. Seitdem dort Jim Farley im Oktober 2020 den weltweiten Vorsitz übernommen hat, wird der gesamte Produktionsprozess neu organisiert und das letzte Quäntchen Profit aus den Arbeitern herausgepresst. Die Gewinne steigen, ab 2026 – also nach dem Aus in Saarlouis – will Farley eine operative Rendite von zehn Prozent erzielen.
Die IG Metall und ihr Betriebsrat in Saarlouis und Köln haben Ford bei der Durchsetzung seiner Ziele in Deutschland stets unterstützt. Als 1973 20.000 Arbeiter im Ford-Werk Köln die Arbeit niederlegten und auf dem Werkgelände demonstrierten, um 300 fristlos entlassene Kollegen zu verteidigen und bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen, fielen ihnen die IG Metall und der Betriebsrat in den Rücken.
Seither konnte sich der Konzern stets auf die IG Metall und ihre Betriebsräte verlassen, wenn er neue Angriffe auf die Belegschaft plante. Geht es nach ihrem Willen, soll das auch so bleiben. Das ist die wirkliche Bedeutung ihres Gejammers, das Management gebe keine Antworten auf ihre Fragen. Sie wollen weiter mit dem Management an einem Tisch sitzen und mit ihm zusammenarbeiten. Sie können sich überhaupt nichts anderes vorstellen als diese Klassenzusammenarbeit.
Die Rechte und sozialen Errungenschaften der Arbeiter wurden aber nicht in Hinterzimmergesprächen am grünen Tisch, sondern im gemeinsamen, solidarischen Kampf gegen die Kapitalisten erkämpft. Weil sich dies tief ins Bewusstsein der Belegschaft eingegraben hat, diffamiert der Betriebsrat in Saarlouis nun jede Opposition gegen ihn als „unsolidarisch“ und „spaltend“.
In seinem Flugblatt vom letzten Dienstag heißt es, die Belegschaft dürfe sich nicht „auseinanderdividieren“ lassen. Es sei wichtiger denn je, „dass wir zusammenhalten und wir uns nicht von irgendwelchen äußeren oder inneren Einflüssen spalten lassen und vernünftig und anständig miteinander umgehen“. Bei „einem Zerfall der inneren Solidarität“ werde das Ergebnis der kommenden Wochen und Monate „ein schlechteres für alle sein“. „Das sollten wir alle wissen!“ warnt der Betriebsrat. „Der Gegner sitzt in Köln und heißt: FORD EUROPA MANAGEMENT.“
Was heißt das übersetzt? Der Betriebsrat verlangt, dass die Belegschaft sein Kriechen vor dem Konzern unterstützt. Sie soll auf die gemeinsamen Gespräche zwischen Betriebsrat und Ford Europa Management vertrauen. Diejenigen, die anderer Meinung sind, spalten die Belegschaft und sollen Schweigen. Andernfalls ergeht es ihnen schlecht.
Doch es ist der Betriebsrat, der die Belegschaft spaltet. Denn es ist offensichtlich, dass nur eine internationale Zusammenarbeit der Belegschaften aller Werke Arbeitsplätze, Löhne und soziale Errungenschaften gegen einen global operierenden Konzern verteidigen kann. Das aber lehnen IG Metall und Betriebsrat ausdrücklich ab. Ihre Beteiligung am Bieterwettbewerb ist dafür nur der letzte und schäbigste Beweis.
Die Beschäftigten bei Ford in Saarlouis wissen aus langjähriger Erfahrung, mit welch subtilen und weniger subtilen Methoden der Einschüchterung und Bestrafung der Betriebsrat die Belegschaft dem Konzern untergeordnet hat. Sicherheit und Schutz vor den Machenschaften des Betriebsrates sind daher das erste, was die Mitglieder des Ford-Aktionskomitees anfragenden Kolleginnen und Kollegen zusichern müssen.
Für die Belegschaft von Ford-Saarlouis gibt es keine andere Alternative, als sich unabhängig von IG Metall und Betriebsrat zu organisieren. Ihre Verbündeten sind nicht das Ford Management, sondern die Kolleginnen und Kollegen in Spanien, Indien, der Türkei, Rumänien, den USA und in vielen anderen Ländern.
Mit ihnen muss Kontakt aufgenommen werden, um Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen zu verteidigen.
Wir appellieren daher an alle Ford-Beschäftigten in Saarlouis, die bereit sind, für ihr Werk zu kämpfen: Entzieht auf der kommenden Betriebsversammlung am 28. Juli dem Betriebsrat das Mandat, in eurem Namen zu sprechen. Er spricht für sich selbst, die Gewerkschaft und den Konzern, nicht für euch. Wählt eine eigene unabhängige Vertretung, die nicht das Gespräch mit dem Management, sondern den Zusammenschluss mit den internationalen Kollegen sucht, um gemeinsame Aktionen und Kampfmaßnahmen vorzubereiten.
Meldet euch dazu beim Ford-Aktionskomitee über Whatsapp unter +491633378340.
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