Ford Saarlouis: Betriebsrat will die Werksschließung gegen die Beschäftigten durchsetzen

Sobald die Trauer und Wut über das Aus des Traditionswerks von Ford in Saarlouis sich ein wenig gelegt hat, müssen Schlussfolgerungen aus den letzten Jahren, aber insbesondere aus den letzten sechs Monaten gezogen werden. Das Werk ist nicht verloren, es muss aber darum gekämpft werden. Genau das wollen Management, Betriebsrat, IG Metall und die SPD-Landesregierung verhindern.

Arbeiterinnen nach der Betriebsversammlung bei Ford-Saarlouis vom 23. Juni 2022

Als am Mittwoch Ford bekanntgegeben hatte, die zukünftigen Elektro-Modelle in Valencia und nicht in Saarlouis zu produzieren, reagierten die 4.600 Arbeiterinnen und Arbeiter mit großer Wut und Empörung. Der Betriebsrat sieht unterdessen seine Hauptaufgabe darin, die Produktion bis 2025 zu gewährleisten und bis dahin die ordentliche Abwicklung des Werks zu garantieren.

Das ist die Quintessenz sowohl aus der Betriebsversammlung, die am Donnerstag von 7:30 Uhr bis fast 14 Uhr weitergeführt wurde, als auch aus den zahlreichen Interviews, die der Betriebsratsvorsitzende Markus Thal seit Mittwoch scheinbar ununterbrochen gibt.

Am Donnerstagmorgen ließ die Geschäftsleitung noch vor der Betriebsversammlung die Nachricht des Ford-Europa-Chefs verteilen, in der er den „Kolleginnen und Kollegen“ allerlei leere Versprechungen macht. Ford arbeite an „konkreten Alternativen“, darunter die Teileproduktion für Ford oder das Recycling von Batterien oder Elektrofahrzeugen, den Verkauf des Werks an andere Unternehmen inklusive anderer Autohersteller sowie „Geschäftstätigkeiten in Partnerschaft mit der Regierung des Saarlandes“. All das ist heiße Luft, hat das Management doch gerade erst ohne jede Rücksicht auf die Arbeiter die Schließung des Werks verkündet. Ein Arbeiter des Ford-Aktionskomitees kommentierte sofort, alle gemachten Vorschläge liefen auf „Biliglohnarbeit“ hinaus.

Für den letzten Punkt schaltete der Betriebsrat die Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) auf der Betriebsversammlung zu, als diese im Landtag ihre Regierungserklärung verlas. Rowley hatte schon angekündigt, dass Ford „eine Taskforce auf[baue], die die oben genannten Optionen gemeinsam mit der saarländischen Landesregierung konkretisieren wird“.

Rehlinger selbst bemängelte zwar die von Ford vorgelegten Szenarien als zu unkonkret. Doch viel konkreter wurde auch sie nicht. Von Ford verlangte sie „eigene Ideen und Vorschläge“, wie „eine größtmögliche Zahl von Arbeitsplätzen über 2025 hinaus am Standort gesichert werden“ könne. Für die Beschäftigten will das Land „eine zentrale Anlaufstelle mit allen wichtigen Informationen“ bei der landeseigenen Transformationsgesellschaft einrichten.

Die Auto-Arbeiter sollen durch „Qualifizierung und Weiterbildungen“ gestärkt werden. Die Landesregierung überlege zudem die Flächen, die derzeit Ford gehören, zu kaufen. Damit „auch die Möglichkeit besteht, dass auf dem heutigen Ford-Gelände zeitnah neue, zukunftsfeste Arbeitsplätze entstehen können', so Rehlinger.

In ihrer Rede nahm auch sie das von Betriebsrat und IG Metall entwickelte Narrativ auf, sie seien vom Konzern betrogen worden. Rehlinger bezeichnete den Bieterwettbewerb als unfair und schäbig. Das ist er fraglos gewesen, nur wurde er nicht nur vom Unternehmen, sondern auch vom Betriebsrat geführt.

Sechs Monate lang haben sie zweimal wöchentlich mit der Konzernspitze in Köln zusammengesessen und überlegt, wie man die Lohnkosten soweit drücken kann, dass sie noch unter denen in Spanien liegen könnten. Sie haben die Belegschaften aller anderen deutschen Standorte, vor allem die fast 19.000 Beschäftigten am Stammsitz in Köln mit in diese Kürzungen einbezogen. Und der Betriebsrat in Valencia hat genauso gehandelt. Auch die dortigen Kollegen müssen nun mit Arbeitsplätzen, Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen zahlen.

Auf der Betriebsversammlung hatte Thal gesagt, das Angebot von Saarlouis sei um 1,4 Milliarden Euro besser als das spanische. Arbeiter des Ford-Aktionskomitees haben gegenüber der WSWS erklärt, dass sie gerne wüssten, durch welche gewaltigen Opfer seitens des Betriebsrates diese Summe zusammengekommen sei. Denn die Geldsumme, die Ford in Saarlouis angeboten wurde, muss ja diese 1,4 Milliarden Euro plus die Milliarden des spanischen Angebotes beinhalten.

Ansonsten haben auch er und andere BR- und IGM-Vertreter auf der Betriebsversammlung die Arbeiter mit vagen Versprechungen und einem noch auszuarbeitenden Sozialtarifvertag vertröstet. In einem Interview mit sol.de sagte Thal, er sei „der festen Überzeugung“, dass es in Saarlouis nach 2025 „irgendwie weitergeht“. Irgendwie! Während die Zukunft der Belegschaft ungewiss ist, ist eines gewiss: Kein Betriebsrat der IG Metall wird ins Bergfreie fallen, sie landen weich.

Die Beschwichtigungen und hohlen Versprechen sollen die Beschäftigten zum Stillhalten bewegen. Während der Konzern angeblich mit unfairen und schäbigen Methoden skrupellos seine Interessen durchsetzt, sollen die Arbeiter sich ruhig und gesittet dem von Konzern und Betriebsrat bestimmten Schicksal ergeben.

Beschäftigte waren nach der Betriebsversammlung sichtlich getroffen. Am Mittwoch hörten sie das Aus ihres Werks und machten sich die größten Sorgen um ihre und die Zukunft ihrer Familien. Am Donnerstag wurden sie vom Betriebsrat in ihren Sorgen bestärkt. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter waren nicht oder nur schwer in der Lage, von der Versammlung zu berichten oder Statements abzugeben. Insbesondere ältere Arbeiter, mit denen die WSWS unmittelbar nach der Betriebsversammlung sprach, waren sehr berührt und teilweise den Tränen nahe. Ein Arbeiter, der seit 35 Jahren bei Ford arbeitet, sagte: „Mir blutet das Herz!“

Die erste Enttäuschung und Niedergeschlagenheit ist verständlich. Aber jetzt ist die Zeit für Gegenwehr, sonst wird das Werk geschlossen, die Beschäftigten mit Transfergesellschaften und wenn überhaupt mit schlechter bezahlten Ersatzarbeitsplätzen abgespeist.

Es ist möglich, das Werk und die Arbeitsplätze zu verteidigen, aber das erfordert einen Bruch mit Gewerkschaften, Betriebsrat und Regierung, die alle nur daran interessiert sind, die Arbeiter ruhig zu halten und die Abwicklung zu organisieren. Die Verbündeten sind Arbeiter auf der ganzen Welt, die sich überall gegen die Angriffe der Unternehmen und Regierungen zur Wehr setzen.

In der Nähe von Chennai, der Hauptstadt des südindischen Bundesstaates Tamil Nadu, befinden sich mehr als 1.500 Ford-Arbeiter seit über vier Wochen im Streik. Ford hatte im September letzten Jahres angekündigt, seine Aktivitäten in Indien einzustellen und das Werk in Chennai mit 4.000 Arbeitsplätzen sowie ein weiteres im Bundesstaat Gujarat zu schließen.

Auch die indischen Arbeiter sind mit der Unternehmensleitung und den Gewerkschaften konfrontiert. Weil noch 1.400 Autos auf ihre Fertigstellung warten hat Ford versucht, Streikbrecher einzusetzen, die Abfindungen aufgestockt und das Ultimatum zur Annahme einer Abfindung schon zweimal verschoben.

Die Gewerkschaften haben den Streik, der von jungen Arbeitern ausging, erst nachträglich unterstützt. Und das nur, um ihn in Verhandlungen möglichst schnell abwürgen zu können. Sie treten lediglich für höhere Abfindungen ein, akzeptieren also die Werksschließung und lehnen eine Ausweitung des Streiks auf das andere Ford-Werk oder andere Betriebe der Region kategorisch ab.

Die indischen Ford-Kollegen haben ein großes Interesse an unabhängiger Organisation und internationaler Kooperation. Sie haben online bereits mit Kollegen in den USA diskutiert und sind daran interessiert, sich mit deutschen Ford-Arbeiterinnen und -Arbeitern auszutauschen.

Um Werk und Arbeitsplätze zu verteidigen ist auch in Deutschland die Initiative der Belegschaft gefordert. Betriebsrat und Gewerkschaft sind hier genauso wie ihre indischen Gegenstücke bereit, die Schließung des Werks durchzusetzen. Ford-Arbeiter müssen sich unabhängig und international zusammenschließen. Nehmt dazu Kontakt zum Ford-Aktionskomitee auf: Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340

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