Zunahme gewalttätiger Angriffe auf Moscheen und Muslime in Deutschland

Zwischen Januar 2014 und Juni 2021 kam es zu insgesamt 768 gewalttätigen Angriffen auf Moscheen und Muslime in Deutschland. Besonders die Jahre 2020 und 2021 stechen mit über 140 Angriffen hervor, wobei die Dunkelziffer derartiger Feindseligkeiten – darunter Vandalismus, Volksverhetzung, Brandanschläge und Körperverletzung – deutlich höher liegen dürfte.

Auch in diesem Jahr gab es bereits zahlreiche Angriffe auf Moscheen. Im Januar berichtete die WSWS, das mit einer Luftdruckwaffe aus einer Wohnung heraus auf das Islamische Kulturcenter Halle Saale e.V. geschossen wurde.

Veröffentlicht wurden die Zahlen von Brandeilig.org, der ersten bundesweiten Meldestelle für antimuslimischen Rassismus. Der unabhängige Antidiskriminierungsverband Federation against Injustice and Racism e. V. (FAIR) mit Sitz in Köln hatte Initiative ins Leben gerufen, um die Gesellschaft für antimuslimischen Rassismus zu sensibilisieren.

Laut Angaben des Innenministeriums leben in Deutschland zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslime, was etwas mehr als 5 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Die meisten davon stammen aus der Türkei, wobei jeder zweite Muslim inzwischen aus einem anderen Land kommt. Bundesweit werden zudem ca. 2.350 Moscheen gezählt. Deutschland hat damit in Westeuropa den zweitgrößten muslimischen Bevölkerungsanteil nach Frankreich.

Durch Jahresberichte will Brandeilig.org nun vorhandene Informationslücken in Bezug auf Moscheeanschläge und Gewalt gegen Muslime schließen. Den ersten #Brandeilig-Report hat die Initiative vergangenen Mai für 2018 veröffentlicht, da für dieses Jahr erstmalig eine belastbare Informationsdichte vorlag; weitere Berichte sollen folgen.

Erfasst wurden Informationen über das zahlenmäßige Ausmaß der Angriffe, in welchen Bundesländern diese stattgefunden haben, zur Tatmotivation sowie zu den Tathergängen bzw. Angriffsarten.

Für 2018 registrierte Brandeilig.org insgesamt 120 gewalttätige Angriffe mit erschreckendem Ausmaß. Insgesamt wurde in 84 Prozent der Fälle Gewalt unterschiedlichen Grades angewendet, hinzukommen außerdem erhebliche Sach- und Personenschäden. In vier Prozent der Fälle hinterließen die Täter Gliedmaßen von Schweinen auf dem Bereich der Moscheen – ein besonders abstoßendes Vorgehen, da viele Muslime aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch zu sich nehmen.

In Bayern kam es mit 25 Angriffen, was 21 Prozent entspricht, am häufigsten zu Gewaltanwendung gegen Muslime oder Moscheen. Knapp dahinter folgt Nordrhein-Westfalen mit 23 Angriffen (19 Prozent). In Niedersachsen gab es 14 und in Baden-Württemberg 12 Angriffe, was jeweils etwa einem Zehntel der Gesamtzahl entspricht.

Auch in zehn weiteren Bundesländern kam es zu Gewalt gegen Muslime und Menschen mussten um ihr Leben fürchten. Nur in Brandenburg und im Saarland kam es im Jahr 2018 zu keinem von Brandeilig.org erfassten Angriff gegen Muslime oder Moscheen.

Insgesamt 54 Angriffe und damit fast die Hälfte aller Vorfälle können dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden. Die Tat war dabei in sieben Fällen von rassistischem Vokabular bzw. einer rassistischen Symbolik geprägt (z. B. das Beschmieren von Fassaden mit Hakenkreuzen).

Auf eine ausländische Ideologie (definiert als „sämtliche ausländische nichtreligiöse Ideologien“) lassen sich 15 Fälle zurückführen. Als Hinweise hierfür dienen laut dem Bericht beispielsweise Schriftzüge mit Bezug auf die kurdisch-nationalistische Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK) oder eindeutige Bekennerschreiben.

Einen konflikthaften Sachverhalt im Ausland weisen 16 Fälle auf (ohne ausreichende Zeichen für eine zweifelsfreie Zuordnung zu einer ausländischen Ideologie). Die Zahl der Vorfälle, die keiner politischen Tatmotivation zugeordnet werden können, liegt bei 28.

Die häufigste Angriffsart ist mit 44 Prozent Vandalismus unterschiedlicher Ausprägung. Dazu zählen Schmierereien, das Hinterlassen eines Tierkadavers oder zerstörte Fensterscheiben, wobei die Tathergänge insgesamt einem breiten Spektrum unterliegen. Es ist außerdem zu neun Angriffen in Form von Brandstiftung gekommen, z. B. durch den Einsatz von selbstgebauten Molotow-Cocktails gegen Moscheen. Zwei Menschen wurden dabei verletzt.

Weitere erfasste Angriffsarten sind Volksverhetzung (21), Beleidigung (7) oder auch Bedrohung (7). Zwei Menschen wurden durch den Einsatz von Luftgewehren verletzt. Auch Räumlichkeiten, die mit einer Moschee verbunden sind – wie Bibliotheken, Veranstaltungsräume oder Wohneinheiten – wurden attackiert.

Zu einer besonders abstoßenden Tat, die laut dem Bericht keiner Kategorie zugeordnet werden kann, aber offenbar einen rechtsextremen Hintergrund hat, kam es in Bayern. Auf dem Baugelände für eine Moschee in Regensburg wurden Kreuze aufgestellt, versehen mit den Namen von Opfern der Terroranschläge 2016 in Brüssel. Zu der Tat hatte sich damals die „Identitäre Bewegung Bayern“ bekannt. Auch wenn es im Bericht nicht ausgesprochen wird, soll dadurch die Ursache für derartige Gewalttaten grundsätzlich Angehörigen der muslimischen Religionsgemeinschaft zugeschrieben und diese stigmatisiert werden.

Durch eine zusätzliche Befragung von 68 der insgesamt 120 betroffenen Gemeinden konnte die Initiative Brandeilig außerdem ein detaillierteres Bild des enormen Ausmaßes an Gewalt gegen Muslime zeichnen.

Dabei gaben 77 Prozent der Befragten an, entstandene Schäden selbst beseitigt zu haben, weil die Versicherung die Kosten dafür nicht übernehmen wollte. Dafür konnten durch Spenden ca. 211.230 Euro aufgebracht werden. Während der Bericht keine Angaben zur finanziellen Höhe der Sachschäden macht, geben die zu deren Beseitigung aufgebrachten Gelder zumindest eine vage Vorstellung über das Ausmaß der Beschädigungen. In einem Fall wurde der betroffenen Gemeinde der Vertrag seitens der Versicherung nach der Kostenübernahme gekündigt.

Alarmierend ist außerdem, dass rund die Hälfte der Befragten die Frage, ob es bereits zuvor zu Angriffen gekommen ist, mit „ja“ beantworteten. Weiterhin wurde die Polizei in einigen Fällen erst dann verständigt, als sich die Angriffe häuften. Dies unterstreicht die Annahme, dass es in Wirklichkeit zu weit mehr Feindseligkeiten gekommen ist, als den von Brandeilig.org dokumentierten.

Während der #Brandeilig-Report die Angriffe auf Moscheen und Muslime in Deutschland ausführlich darstellt und damit einen wichtigen Aufklärungsbeitrag leistet, wird die Ursache für diese Welle der Gewalt nur oberflächlich angedeutet und weitgehend verschleiert.

Die Autoren des Berichts erklären zwar, dass der „rechtspopulistische Flügel in der parteipolitischen Landschaft Deutschlands erstarkt und auch außerparlamentarische rechtsextreme und islamfeindliche Gruppen“ Anlass zur Sorge geben würden. In dem Bericht heißt es jedoch auch, dass eine „gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung für die Ernsthaftigkeit der Situation“ kaum vorhanden wäre.

Die Hauptverantwortung für die zunehmende Gewalt gegen Muslime trägt die herrschende Klasse, die in den letzten Jahren immer weiter nach rechts gerückt ist. Sie hat das ideologische Klima und die politischen Strukturen geschaffen, in denen sich nun die Gewalt gegen Muslime und andere Minderheiten vollzieht.

Führende Vertreter aller etablierten Parteien und die Medien haben sich an der Hetze gegen Muslime beteiligt. Gleichzeitig übernahmen die Regierungen in Bund und Ländern de facto die Flüchtlingspolitik der AfD. Seit ihrem Einzug in den Bundestag 2017 wird die rechtsextreme Partei von allen dort vertretenen Parteien in die parlamentarische Arbeit im Bundestag eingebunden.

Rechtsextreme Kräfte und Terrorstrukturen – oft mit engen Verbindungen zum Staatsapparat – fühlen sich dadurch regelrecht ermutigt und greifen immer öfter auch zu tödlicher Gewalt. In den letzten Jahren ereigneten sich mit dem Massaker von Hanau, dem Anschlag auf die Synagoge in Halle und dem Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke drei der schlimmsten rechtsextremen Terroranschläge in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Gestoppt werden kann die rechte Gewalt nur durch das unabhängige Eingreifen der Arbeiterklasse, die Rechtsextremismus, Militarismus und Krieg vehement ablehnt.

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