Die britische Innenministerin Priti Patel hat Julian Assanges Auslieferung an die Vereinigten Staaten genehmigt. Im Falle einer Auslieferung droht dem WikiLeaks-Gründer dort, gestützt auf den Espionage Act, eine lebenslange Haftstrafe. Der Grund ist, dass er als Journalist zahlreiche Kriegsverbrechen, Putschversuche und Menschenrechtsverletzungen der USA aufgedeckt und auch die Komplizenschaft des Vereinigten Königreichs und anderer imperialistischer Alliierter nachgewiesen hat.
Seit Assanges erster Verhaftung im Dezember 2010 in London sind mehr als elfeinhalb Jahre vergangen. Seither ist er verfolgt und willkürlich aus der ecuadorianischen Botschaft verschleppt worden, und seit über drei Jahren wird er im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert. In dieser Zeit hat sich die britische Regierung über alle Rechtsnormen hinweggesetzt. Ihre jüngste Entscheidung könnte durchaus zum Tod des WikiLeaks-Gründers führen.
Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte:
Nach dem Auslieferungsgesetz von 2003 muss der Staatssekretär einen Auslieferungsbefehl unterzeichnen, wenn es keine Gründe gibt, die einer Auslieferung entgegenstehen.
Auslieferungsanträge werden erst dann an den Innenminister weitergeleitet, wenn ein Richter nach Prüfung verschiedener Aspekte des Falles entscheidet, dass die Auslieferung erfolgen kann.
Am 17. Juni wurde die Auslieferung von Julian Assange an die USA angeordnet, nachdem sowohl das Amtsgericht als auch das Oberste Gericht den Fall geprüft hatten. Herr Assange hat jetzt das übliche 14-tägige Recht, Berufung einzulegen.
In diesem Fall haben die britischen Gerichte nicht festgestellt, dass es repressiv, ungerecht oder ein Missbrauch des Verfahrens wäre, Herrn Assange auszuliefern.
Ministerin Patels Entscheidung ist ein Hohn auf jede Vorstellung von Demokratie und einem ordentlichen Verfahren. WikiLeaks prangert die Entscheidung als einen „dunklen Tag für die Pressefreiheit und die britische Demokratie“ an. Auf Twitter kündigt WikiLeaks an, gegen die Entscheidung Berufung beim britischen High Court einzulegen.
Dort erklärt WikiLeaks:
Dies ist ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit und für die britische Demokratie. Jeder in diesem Land, dem das Recht auf freie Meinungsäußerung wichtig ist, muss sich zutiefst darüber schämen, dass die Innenministerin Julian Assanges Auslieferung an die Vereinigten Staaten – das Land, das nachweislich plant, ihn zu ermorden – unterzeichnet hat.
Julian hat nicht das Geringste falsch gemacht. Er hat kein Verbrechen begangen, er ist kein Krimineller. Er ist Journalist und Verleger, und er wird für seine Arbeit bestraft.
Es lag in Priti Patels Macht, das Richtige zu tun. Stattdessen wird man sich für immer an sie als Komplizin der Vereinigten Staaten erinnern, die den investigativen Journalismus zum kriminelles Unterfangen machen wollte.
Die Innenministerin duldet nicht nur die Verbrechen der US-Regierung an Julian, sondern auch die Verbrechen der US-Regierung, die von WikiLeaks aufgedeckt wurden.“
Die WikiLeaks-Erklärung endet mit der Verpflichtung:
Der Weg zu Julians Freiheit ist lang und beschwerlich. Der heutige Tag ist nicht das Ende des Kampfs. Es ist nur der Beginn eines neuen juristischen Kampfs. Wir werden Berufung einlegen, und die nächste Berufung wird vor dem High Court stattfinden. Wir werden auf der Straße immer lauter und lauter schreien, wir werden uns organisieren und wir werden Julians Geschichte allen bekannt machen.
Täuscht euch nicht, dies war von Anfang an ein politischer Fall. Julian hat Beweise dafür veröffentlicht, dass das Land, das ihn ausliefern will, Kriegsverbrechen begangen und diese vertuscht hat; dass dieses Land sich der Folter bedient und seine Opfer hat verschwinden lassen; dass es ausländische Beamte bestochen hat und Ermittlungen manipulierte, die US-amerikanisches Unrecht betrafen. Ihre Rache ist der Versuch, ihn für den Rest seines Lebens in der dunkelsten Gefängniszelle verschwinden zu lassen. Damit wollen sie andere davon abhalten, Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen.
Das werden wir nicht zulassen. Julians Freiheit ist mit all unseren Freiheiten verbunden. Wir kämpfen dafür, dass Julian zu seiner Familie zurückkehren kann, und dass wir alle die Meinungsfreiheit zurückbekommen.“
Sollte Assange mit seinen Rechtsmitteln keinen Erfolg haben, wird er an die Regierung Biden übergeben. Der Präsident ist derselbe, der Assange während einer weltweiten Fahndung der Imperialisten als „Hightech-Terroristen“ bezeichnete. Das war im Jahr 2010, als Joseph Biden als Barack Obamas Vizepräsident amtierte.
Die Entscheidung Priti Patels, einer politischen Sadistin, die Auslieferung zu unterzeichnen, war von vornherein beschlossene Sache und hatte die Unterstützung einer Justiz, die entschlossen war, ihn auszuliefern. Zwar hatte die Bezirksrichterin Vanessa Baraitser im Januar 2021 entschieden, Assange aus Gründen der psychischen Gesundheit nicht an die USA auszuliefern, da der WikiLeaks-Gründer stark suizidgefährdet sei. Ihre Entscheidung wurde jedoch nach einem Einspruch der US-Regierung wieder aufgehoben, und die Richter am britischen High Court akzeptierten die leeren „Zusicherungen“ der USA, dass Assanges Haftbedingungen dort nicht übermäßig bedrückend sein würden.
Nur eine Woche vor Patels Entscheidung hatten mehr als 300 Ärzte aus 35 Ländern an die Innenministerin geschrieben und sie aufgefordert, Assanges Auslieferung zu stoppen und seine Freilassung zu verfügen. Doch Patel wischte diese ernst zu nehmenden Bedenken über Assanges Gesundheitszustand einfach weg und unterschrieb die Anordnung zu seiner Auslieferung.
In dem Schreiben der Ärzte heißt es:
Im Oktober 2021 erlitt Herr Assange einen 'Mini-Schlaganfall'. Diese gefährliche Verschlechterung von Herrn Assanges Gesundheitszustand unterstreicht die ärztliche Sorge, dass der chronische Stress, verursacht durch seine harten Haftbedingungen, wie auch seine berechtigte Angst vor den Bedingungen, die ihm im Fall einer Auslieferung drohen, Herrn Assange für kardiovaskuläre Ereignisse anfällig macht.
Die Ärzte fügten hinzu:
Diese dramatische Verschlechterung seines Gesundheitszustand wurde in seinem Auslieferungsverfahren bisher nicht berücksichtigt. Die Zusicherungen der USA, die der High Court akzeptiert hat, und auf deren Grundlage er ausgeliefert werden soll, beruhen also auf veralteten medizinischen Informationen. Sie sind damit obsolet.
Premierminister Boris Johnson hatte schon im April 2019 gejubelt, als die Polizei Assange aus der ecuadorianischen Botschaft zerrte, in der er Zuflucht gesucht hatte. Seit Amtsantritt von Johnsons konservativer Regierung hat Innenministerin Patel schon eine ganze Reihe neuer Gesetze vorgelegt, eins immer drakonischer als das andere. Ihr jüngster solcher Angriff auf die demokratischen Rechte ist die National Security Bill. Das ist ein Gesetz, das jegliche Proteste an militärisch genutzten Standorten kriminalisieren soll. Ihm zufolge soll es Journalisten auch verboten sein, die Lügen der Regierung zur Vorbereitung und Rechtfertigung von Kriegen aufzudecken.
Der Entwurf wurde am 6. Juni in zweiter Lesung verabschiedet, ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gesetzgebung in etwa sechs Monaten. Am Tag der Debatte darüber prangerten mehrere Tory-Abgeordnete Assange und WikiLeaks im Parlament heftig an. Auch die Schatten-Innenministerin der Labour Party, Yvette Cooper, unterstützte die Regierung. Auf die Frage der Tory-Abgeordneten Theresa Villiers, ob sie die massenhafte Veröffentlichung von Informationen nach Art von WikiLeaks etwa nicht verurteile, antwortete Cooper: „Doch, das tue ich, denn einige Beispiele für solche Leaks, wie wir sie gesehen haben, gefährden das Leben von Agenten, gefährden wichtige Teile unserer nationalen Sicherheits- und Geheimdienstinfrastruktur. Sie sind höchst unverantwortlich.“
Wie die WSWS kommentierte, zeigte die Verabschiedung des Gesetzes, dass „der Feldzug gegen Assange den Präzedenzfall für einen beispiellosen Angriff auf die Rede-, Protest- und Medienfreiheit schafft. Und dieser Angriff steht im Einklang mit den ausufernden Plänen für einen imperialistischen Krieg im Ausland und eine soziale Konterrevolution im Inland.“
Patels Anordnung bedeutet, dass Assange seiner Auslieferung an die Vereinigten Staaten einen großen Schritt näher gekommen ist. Und angesichts der Bilanz der britischen Justiz und ihrer verachtenswerten Behandlung des mutigen Journalisten seit 2010 gibt es keinen Grund, mit einem positiven Ausgang der Berufung beim High Court zu rechnen.
Die entscheidende politische Reaktion auf diesen Schritt kann nur darin bestehen, den Kampf für Assanges Freilassung jetzt mit verdoppelter Kraft in der internationalen Arbeiterklasse zu führen.