Während das ukrainische Militär Geländeverluste verzeichnet und jeden Tag hunderte Soldaten verliert, haben die USA deutlich gemacht, dass sie ihr Engagement in dem Krieg weiter verstärken werden.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und Generalstabschef Mark Milley erklärten am Mittwoch auf einer Pressekonferenz, die USA würden der Ukraine weitere Waffen im Wert von einer Milliarde Dollar liefern, darunter zusätzliche Langstreckenraketensysteme.
Die beiden gaben bekannt, die USA würden der Ukraine nicht nur hochmoderne Waffensysteme liefern, sondern auch direkt Hunderte von ukrainischen Soldaten ausbilden.
Milley erklärte, dass das US-Militär die Besatzungen der Langstreckenraketenwerfer zügeweise in Deutschland ausbildet, und fügte hinzu: „Bis Ende des Monats werden wir HIMAR-Systeme, Munition und ausgebildete Besatzungen zum operativen Einsatz zur Verteidigung der Ukraine übergeben.“
Den beträchtlichen Umfang der US-Ausbildung für die ukrainischen Streitkräfte betreffend erklärte Milley: „Bisher haben wir 420 Ukrainer an der Haubitze M777 ausgebildet, 300 weitere an der Panzerhaubitze M109, 129 am Transportpanzer M113, 100 an unbemannten Flugsystemen, und heute erst haben 60 Ukrainer ihre Unterweisung im HIMARS [High Mobility Artillery Rocket System] abgeschlossen.“
Milley und Austin äußerten sich anlässlich eines gemeinsamen Treffens der Defense Contact Group, einem Bündnis von mehr als 50 Staaten, die sich an dem US-Krieg gegen Russland beteiligen.
Bei der Pressekonferenz nach dem Treffen erklärte Austin, die neuesten Waffenlieferungen beinhalteten „Munition für Mehrfachraketen, 18 weitere 155-mm-Schlepphaubitzen des Typs M777 und die taktischen Fahrzeuge, um sie zu ziehen, sowie 36.000 Schuss 155-mm-Munition“.
Er fügte hinzu: „Dieses Paket umfasst auch Gelder für Sicherheits-Hilfsinitiativen in Höhe von 650 Millionen Dollar, um die Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen. Es beinhaltet zwei zusätzliche Harpoon-Küstenschutzsysteme und Tausende von sicheren Funkgeräten, Nachtsichtgeräten, Wärmebildgeräten und anderen optischen Geräten.“
Austin erklärte, Deutschland werde der Ukraine drei Mehrfachraketenwerfer und Lenkmunition liefern, die Slowakei habe „eine nennenswerte Spende von Hubschraubern der Mi-Serie und dringend benötigter Raketenmunition angekündigt“.
Auf die Fragen von Reportern, ob die Waffenlieferungen ausreichen würden, um das Blatt im Krieg zu wenden, erklärte Milley stolz, die USA und ihre Verbündeten hätten fast 100.000 Panzerabwehrsysteme geliefert, „Das ist mehr, als es Panzer auf der Welt gibt.“
Er fuhr fort: „Sie haben um 200 Panzer gebeten und 237 bekommen. Sie wollten 100 Schützenpanzer, bekommen haben sie mehr als 300. Wir haben ungefähr 1.600 Luftabwehrsysteme und 60.000 Schuss Luftabwehrmunition geliefert.“
Weiter erklärte er: „Wir haben außerdem mehr als 1.500 Stinger-Raketenwerfer, mehr als 700 taktische unbemannte Fluggeräte vom Typ Switchblade, zwanzig Mi-17-Hubschrauber, tausende Handfeuerwaffen und hunderttausende Schuss Munition für letztere geliefert.“
Doch bei allem Gerede über die US-Waffenlieferungen an die Ukraine konnten die Generäle die objektiven militärischen Rückschläge in dem US-Stellvertreterkonflikt nicht leugnen. Auf die Frage eines Reporters zu Medienberichten, laut denen die Ukraine „jeden Tag 100 Tote und 100 bis 300 Verwundete verzeichnet“, antwortete Milley: „Ich würde sagen, das entspricht auch unseren Einschätzungen.“
Milley gab zu: „Im Bereich Artillerie haben sie mehr, größere Feuerkraft und größere Reichweite... Die Russen sind den Ukrainern im Bereich Artillerie überlegen. Die Schätzungen variieren von vier, fünf oder sechs zu eins, oder sogar 10, 15 oder 20 zu eins.“
Er gab weiter zu, dass der Krieg katastrophale Auswirkungen auf die ukrainische Bevölkerung hat: „Laut öffentlichen Schätzungen wurden etwa 20.000 ukrainische Zivilisten getötet“, sieben Millionen wurden zu Binnenvertriebenen, sechs Millionen sind aus dem Land geflohen.
Im Vorfeld der Ankündigung von weiteren Waffenlieferungen und militärischer Ausbildung waren mehrere Warnungen vor Rückschlägen im Krieg laut geworden.
Thomas Gibbons-Neff und Eric Schmitt schrieben in der New York Times einen Leitartikel mit dem Titel „Ein Glied zu den belagerten Ukrainern ist durchbrochen, Verbündete überdenken Strategie“, in dem es hieß: „Die Ukraine beschränkt sich mittlerweile darauf, den besser ausgerüsteten Invasoren zu bedrängen und jeden Quadratmeter Boden für ihn so blutig wie möglich zu machen. Allerdings konnten sie in den letzten Wochen keine entscheidenden Siege erzielen und verloren dabei viele Soldaten und Bürger.“
„Einige Vertreter des Westens behaupten, Selenskyj habe keine glaubwürdige Strategie, um den Krieg zu gewinnen. Die Ukrainer hatten einige Erfolge bei Kämpfen in einem relativ begrenzten Gebiet, die Russen haben daraufhin auf ihren immensen Vorteil bei Langstreckenartillerie und Raketen gesetzt und Städte erst in Trümmer geschossen, bevor sie Truppen geschickt haben.
Doch ein Abnutzungskrieg – die Ukraine verliert jeden Tag bis zu 200 Soldaten – begünstigt Russland aus dem einfachen Grund, dass es mehr Soldaten hat, die es verlieren kann... [die] bemerkenswerte anfängliche Einheit gegenüber dem russischen Überfall unter den westlichen Verbündeten, die der Ukraine Waffen geliefert und umfassende Finanzsanktionen gegen Russland verhängt haben, beginnt offenbar zu bröckeln.“
Trotz dieser Warnungen weiten die USA ihr Engagement in dem Krieg aus, ohne dass ein Ende in Sicht ist. Die amerikanische Bevölkerung muss die Kosten tragen, die ukrainische und russische Bevölkerung bezahlt mit Menschenleben.
Und die Experten in den Medien verlangen eine weitere Eskalation. Der Times-Kolumnist Bret Stephens forderte in einer Kolumne mit dem Titel „Fünf nackte Tatsachen über den Krieg in der Ukraine“, die USA sollten „kalkulierte Risiken“ eingehen, darunter „Angriffe auf die russische Seeblockade von Odessa in Form von Eskorten für ein- und ausfahrende Frachtschiffe“, auch wenn dies zu „gefährlichen Begegnungen zwischen Nato- und russischen Kriegsschiffen“ führen könnte, d.h. zu Seegefechten.
In all diesen Diskussionen unter Medien- und Außenpolitikexperten steht das US-Engagement im Ukrainekrieg im Zusammenhang eines drohenden Krieges zwischen den USA und China. Stephens kommt zu folgendem Schluss: „Wenn der Krieg damit endet, dass sich Putin an der Macht halten kann und Russland ein Fünftel der Ukraine kontrolliert, dann wird Peking daraus den Schluss ziehen, dass Aggression funktioniert. Und ein Krieg um Taiwan – mit überwältigenden menschlichen und wirtschaftlichen Folgen – wird viel schneller kommen als wir denken.“
Das Wall Street Journal äußerte in einer Kolumne genau das Gleiche: „Wenn die Ukraine letztlich besiegt wird, dann werden Amerikas Gegner – vor allem China – eine eindeutige Lehre daraus ziehen: Wenn Sie langfristig daran festhalten, werden die USA nicht die harten, kostspieligen Maßnahmen ergreifen, die für einen Sieg erforderlich sind.“
Mit anderen Worten, die USA haben in dem Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine nicht nur Geld und Waffen in massivem Ausmaß investiert, sondern auch ihre politische und militärische Glaubwürdigkeit gegenüber anderen Gegnern aufs Spiel gesetzt. Dass jede militärische Niederlage der ukrainischen Armee und der paramilitärischen Kräfte auf dem Schlachtfeld den Druck auf eine größere und direktere US-Militärintervention verschärft, macht die Lage nur umso gefährlicher.