Am Donnerstagabend begann eine Reihe öffentlicher Anhörungen des Sonderausschusses des Repräsentantenhauses zum Staatsstreich vom 6. Januar 2021.
In seiner Eröffnungsrede zu den Anhörungen erklärte der Abgeordnete Bennie Thompson (Demokrat aus Mississippi) unverblümt: „Der 6. Januar war der Höhepunkt eines versuchten Staatsstreichs, eines dreisten Versuchs ... die Regierung zu stürzen.“ Die „Verschwörung gegen den Willen des Volkes“, so Thompson weiter, „ist noch nicht vorbei... zweieinhalb Jahrhunderte verfassungsmäßiger Demokratie sind in Gefahr.“
Dass eine solche Aussage in einer Kongressanhörung gemacht wird, ist ein Beweis dafür, dass die amerikanische bürgerliche Demokratie dem Tode geweiht ist.
In ihrer Eröffnungsrede gab die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, die Republikanerin Liz Cheney, einen Überblick über die Ereignisse, die zum 6. Januar führten. Dazu gehörten Trumps wiederholte und unbegründete Behauptungen, die Wahl sei gestohlen worden; seine Bemühungen, Druck auf die Wahlbeamten auszuüben, um falsche Listen zu erstellen; und seine Forderung, Vizepräsident Mike Pence solle die Bescheinigung der Wahlmänner an die Staaten zurückgeben, in denen sie die Wahl für Trump entscheiden würden.
In den kommenden Wochen werden mit der Fortsetzung der Anhörungen zweifellos weitere Informationen bekannt werden. Allerdings müssen einige Punkte gemacht werden.
Erstens hat die Anhörung zwar zu den erdrückenden Beweisen beigetragen, dass Trump versucht hat, einen Staatsstreich durchzuführen, sich selbst als Diktator zu installieren und die Verfassung zu stürzen – aber die Hauptelemente der am Donnerstagabend vorgestellten Geschichte waren bereits am 6. Januar und sogar davor schon bekannt.
Daraus ergeben sich unweigerlich die folgenden Fragen: Warum hat es 18 Monate gedauert, bis die Anhörung stattgefunden hat? Und warum wurde Trump nicht verhaftet, wenn er einen „Putschversuch“ unternommen hat?
Zweitens sind die Anhörungen so angelegt, dass fast die gesamte Verantwortung auf Trump selbst abgewälzt wird, zusammen mit niederen faschistischen Fußsoldaten der Proud Boys und Oath Keepers. Das vertuscht die Unterstützung für den Putsch innerhalb des Staatsapparats und der dominanten Teile der Republikanischen Partei. Besonders deutlich wurde dies in den Äußerungen von Cheney, der Tochter des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney, der bei den Anhörungen die Hauptrolle zukam. Cheney stellte den Staatsstreich als ein Produkt von Trumps Ehrgeiz dar, an der Macht zu bleiben, der angeblich gegen den Rat fast aller seiner Berater durchgeführt wurde.
In dem Bericht über die Ereignisse vor und am 6. Januar wurde nicht erwähnt, dass die Polizei im Kapitol praktisch nicht eingegriffen hat, dass Teile des Militärs und des Geheimdienstes involviert waren, dass die gesamte Führung der Republikanischen Partei Trumps Lügen legitimierte und dass zwei Drittel der Republikaner im Repräsentantenhaus dafür stimmten, die Ergebnisse des Wahlmännerkollegiums nicht zu bestätigen, selbst nachdem das Kapitol geräumt und die gemeinsame Sitzung des Kongresses wieder aufgenommen worden war.
Drittens gingen der Sitzung am Donnerstag zwei Handlungen von Bidens Justizministerium voraus, die den Ton für die Anhörungen vorgeben sollten: die Anklage von Mitgliedern der Proud Boys wegen „aufrührerischer Verschwörung“ und die Entscheidung, Mark Meadows und Dan Scavino, die wichtigsten Trump-Berater, nicht anzuklagen.
Ein Großteil des ersten Tages der Anhörungen konzentrierte sich auf die Rolle der „Proud Boys“ und der „Oath Keepers“, auch wenn beide Gruppen nicht mehr sind als kleine Akteure in einer viel größeren Verschwörung. Damit soll von der Rolle der dominierenden Fraktionen der Republikanischen Partei abgelenkt werden, von denen Biden und die Führung der Demokraten im Kongress nicht müde werden, sie als ihre „Kollegen“ zu bezeichnen.
Die Entscheidung, Meadows und Scavino, die eindeutig eine zentrale Rolle bei dem Staatsstreich spielten, nicht anzuklagen, ist Teil der Bemühungen der Regierung Biden, eine umfassendere Untersuchung der Rolle der Republikanischen Partei bei der Beihilfe zum Staatsstreich zu verhindern.
Viertens fällt bei der Betrachtung der Anhörungen auf, dass die Demokratische Partei auf den Umsturzversuch offenbar völlig unvorbereitet war. Das Kapitol war dem Ansturm der Proud Boys, der Oath Keepers und anderer von Trump mobilisierter Kräfte fast schutzlos ausgeliefert.
Die Ereignisse vom 6. Januar waren jedoch nicht nur vorhersehbar, sondern sie wurden vorausgesehen. Mehr als einen Monat vor den Wahlen schrieb die WSWS in einer Perspektive, dass „das Weiße Haus das politische Nervenzentrum einer weit fortgeschrittenen Verschwörung ist, die darauf abzielt, eine Präsidialdiktatur zu errichten und verfassungsmäßig garantierte demokratische Rechte zu unterdrücken.“
Am 25. September 2020 schrieb die WSWS: „Donald Trump steuert mit seinem Wahlkampf auf einen Staatsstreich zu. Der US-Präsident hat angekündigt, dass er eine Wahlniederlage nicht hinnehmen wird.“ Und weiter hieß es: „Trump führt keinen Wahlkampf. Er betreibt ein Komplott zur Errichtung einer Präsidialdiktatur.“
Die WSWS setzte diese Warnungen bis zum Vorabend der Wahl fort. Zwölf Stunden vor dem Aufstand vom 6. Januar warnte die WSWS vor den „laufenden Bemühungen von Präsident Donald Trump, einen Staatsstreich zu inszenieren, das Wahlergebnis zu annullieren und eine Präsidialdiktatur zu errichten.“
Die Reaktion der Demokratischen Partei vor, während und nach dem Staatsstreich war von der Tatsache bestimmt, dass sie weitaus mehr Angst davor hat, die Verschwörungen zum Umsturz der Verfassung aufzudecken, als vor den Verschwörungen selbst. Ihre ständige Angst ist, dass jede Aufdeckung der Fäulnis der amerikanischen Demokratie die Opposition von unten ermutigen wird.
Der ständige Refrain von Biden, Pelosi und anderen führenden Demokraten nach dem Putschversuch vom 6. Januar war die Erklärung: „Wir brauchen eine starke republikanische Partei.“ Biden und die Demokraten brauchten tatsächlich eine „starke“ republikanische Partei, um die Politik des Weißen Hauses durchzusetzen: die systematische Demontage aller verbleibenden Maßnahmen, um die Ausbreitung von COVID zu stoppen, sowie für die Vorbereitung eines „Großmachtkonflikts“, der nun im Krieg der USA mit Russland um die Ukraine ausgebrochen ist.
Trotz der überwältigenden Beweise dafür, dass Trump versucht hat, die Verfassung außer Kraft zu setzen, hat Biden nie eine Anklage gegen ihn gefordert. Vielmehr hat er erklärt, dass er „sehr glücklich“ wäre, wenn er 2024 gegen Trump antreten könnte. Unterdessen erklärte Trump diese Woche, dass der 6. Januar „die größte Bewegung in der Geschichte unseres Landes ist, um Amerika wieder groß zu machen“, und dass die Republikaner in der Lage sind, bei den Wahlen 2022 die Kontrolle über den Kongress zu übernehmen.
Schließlich wird in allem, was im politischen Establishment und in den Medien geschrieben und gesagt wird, bewusst versucht, jede Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen sozialen, politischen und historischen Kontext des Staatsstreichs und der faschistischen Umgestaltung der Republikanischen Partei zu vermeiden.
Der 6. Januar wird als „Fehltritt“ dargestellt und Trump als eine Art schrecklicher Eindringling in den Garten Eden der amerikanischen Demokratie. Tatsächlich ist der Staatsstreich vom 6. Januar der Höhepunkt einer langwierigen Krise der demokratischen Herrschaftsformen in den Vereinigten Staaten, die ihre Wurzeln im nicht enden wollenden Krieg und der extremen Zunahme der sozialen Ungleichheit hat.
Die Verteidigung der demokratischen Rechte in den Vereinigten Staaten kann nicht den Demokraten und dem sklerotischen politischen Establishment der USA überlassen werden. Sie erfordert die Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage des Widerstands gegen das kapitalistische System, das die Wurzel der sozialen Ungleichheit und der Diktatur ist.