Rede zum 1. Mai 2022

Großbritannien beteiligt sich an vorderster Front am Krieg gegen Russland

Diesen Beitrag hielt Chris Marsden auf der internationalen Online-Kundgebung zum 1. Mai 2022. Marsden ist der nationale Sekretär der Socialist Equality Party (SEP) in Großbritannien.

Chris Marsden, nationaler Sekretär der Socialist Equality Party (SEP), Großbritannien

Kein Land bemüht sich so sehr wie das Vereinigte Königreich, bei der imperialistischen Kriegstreiberei gegen Russland in der ersten Reihe zu stehen.

Anfang April war Premierminister Boris Johnson der erste Nato-Staatschef, der Kiew besuchte. Dort verband er Sticheleien gegen Deutschland mit Prahlerei über das riesige Waffenarsenal, das das Vereinigte Königreich der Ukraine zur Verfügung stellt.

In einer Rede an der Seite von Präsident Selenskyj erklärte Johnson, dass Großbritannien Waffen und Ausrüstung für die Ukraine im Wert von über 1,5 Milliarden Pfund beschafft habe. Eine Woche später wurde bestätigt, dass Angehörige der Eliteeinheit SAS ukrainische Soldaten „vor Ort“ im Gebrauch von 3.600 von Großbritannien gelieferten Panzerabwehrwaffen ausbilden.

Seit dem Putsch auf dem Maidan 2014 wurden Zehntausende Angehörige der ukrainischen Armee von Großbritannien ausgebildet. Zudem hat das Vereinigte Königreich Manöver unter Beteiligung der Ukraine im Schwarzen Meer und anderswo geleitet.

Britische Politiker sind bei der jetzigen Eskalation ganz vorne dabei. Diese Woche drohte der britische Verteidigungsminister James Heappey: „Es ist völlig legitim, Ziele auf russischem Boden anzugreifen.“ Dies veranlasste die unterwürfige BBC zu dem Kommentar: „Die Grenze zwischen der Verteidigung der Ukraine und einem Angriff auf Russland verschwimmt immer mehr.“

Sie verschwimmt nicht. Sie wird beseitigt.

Russland warnte: „Wenn London das Kiewer Regime zu solchen Aktionen anstachelt (…) wird dies unsererseits unmittelbar zu proportionalen Antwort führen (…) Die russischen Streitkräfte sind rund um die Uhr in Bereitschaft, mit hochpräzisen Langstreckenwaffen Vergeltungsschläge auf die Entscheidungszentren in Kiew zu führen.“

Weiter wies Moskau darauf hin, dass sich in Kiew Vertreter des Vereinigten Königreichs befänden.

Das Vorgehen der Londoner Regierung wird durch wichtige außenpolitische Themen bestimmt. Längst ist die Sonne über dem britischen Empire untergegangen. Sein Niedergang hat es in die Arme Washingtons getrieben, weil es hofft, durch sklavische Kriegstreiberei seine internationale Position gegenüber Deutschland, Frankreich und anderen Rivalen stärken zu können.

Aus demselben Grund droht Julian Assange die Auslieferung an die USA. Innenministerin Priti Patel wird im Mai ein vorgefertigtes Urteil fällen, das den Wikileaks-Gründer zum Schweigen bringen soll, weil er die Kriegsverbrechen Washingtons und Londons aufgedeckt hat.

Aber das ist noch lange nicht alles. Die Hinwendung zum Krieg wird auch von der Angst vor einer sozialen Explosion im eigenen Land angetrieben. Das Vereinigte Königreich ist eine soziale und wirtschaftliche Jauchegrube. Eine winzige Schicht von Superreichen aus aller Welt hat in London einen Zufluchtsort für Finanzkriminalität und ein opulentes Leben gefunden, während Millionen von Arbeitern ein immer prekäreres Dasein fristen.

In diesem Monat erlebte jeder britische Haushalt einen massiven Anstieg der Energierechnungen um 54 Prozent, auf den im Oktober eine ähnlich große Anhebung folgen soll. Die Inflation liegt bei 10 Prozent. Die britischen Haushalte müssen mit einer krassen Erhöhung ihrer Rechnungen und anderer Kosten um 2.620 Pfund rechnen.

Die Menschen können so nicht leben. Der populärste Finanzberater des Vereinigten Königreichs, Martin Lewis, warnte: „Wir müssen die Menschen ernähren. Wir müssen sie warm halten. Wenn wir das jetzt falsch machen, dann geraten wir an den Punkt, an dem wir gesellschaftliche Unruhen riskieren.“

Die Sunday Times kam am 17. April zum selben Schluss: „Steuert Großbritannien auf einen Sommer der Unzufriedenheit zu?“ Die Zeitung warnte: „Man hat das Gefühl, dass sich das Kräftegleichgewicht, das jahrzehntelang das Managements begünstigte, jetzt zu verschieben beginnt.“

Es braut sich eine potenzielle Streikwelle zusammen. Urabstimmungen unter 40.000 Bahnbeschäftigten, 40.000 Telekom-Beschäftigten, sowie Universitäts- und Schulpersonal und Postangestellten stehen an.

Wie in jedem Land stehen auch die britischen Arbeiter vor der Herausforderung, im Kampf gegen die Unternehmer neue Organisationen des Klassenkampfs und eine neue politische Führung aufzubauen. Sie sind in die heutige Zwangslage geraten, weil die Gewerkschaften und die Labour Party seit Jahrzehnten an der Offensive der Herrschenden in Großbritannien mitwirken.

In den Gewerkschaften haben es die Arbeiter mit einem Feind zu tun, gegen den sie sich immer offener zur Wehr setzen, um die geheimen Absprachen mit der Unternehmensleitung in jedem Betrieb zu beenden. Sie müssen auch in der Lage sein, die Absprachen zu bekämpfen, die auf höchster Ebene mit der konservativen Regierung stattfinden, und an denen die Gewerkschaften zusammen mit ihrem politischen Partner, der Labour Party, beteiligt sind.

Während der Pandemie unterstützte der Trades Union Congress (TUC) Premierminister Johnson, der Milliarden an die Großkonzerne verteilte und dann darauf bestand, dass Arbeiter an den Arbeitsplatz zurückkehren müssten. Die Labour Party, erst unter Jeremy Corbyn und dann unter Sir Keir Starmer, verpflichtete sich im nationalen Interesse lediglich zu „konstruktiver Kritik“.

Johnsons persönliches Schicksal steht nun auf dem Spiel, weil er während der beiden Lockdowns im Vereinigten Königreich an illegalen Alkoholpartys teilgenommen hat.

Und Starmer erhebt sich schließlich zu voller Größe und fordert Johnsons Rücktritt. Er tut dies nicht etwa, um den Hass von Millionen auf den Mann auszudrücken, der für fast 200.000 Covid-Tote verantwortlich ist, der sagte, dass sie zu Tausenden sterben sollen, und der infizierte Patienten widerrechtlich nachhause schickte und Pflegeheime in Tötungsstationen verwandelte. Die Labour-Partei wünscht sich einen Tory-Chef, der Winston Churchill besser imitieren kann als jener in Eton ausgebildete Possenreißer, der heute die Downing Street Nr. 10 bewohnt.

Der Labour-Abgeordnete Chris Bryant warnte im Parlament: „Der Premierminister wird vielleicht vor dieses Haus treten und sagen müssen: ‚Möglicherweise müssen wir Offensivwaffen in Betracht ziehen. Möglicherweise müssen wir in Betracht ziehen, britische Soldaten in Gefahr zu bringen.‘

Außerdem wird er den britischen Arbeitern sagen müssen, dass sie weitere Opfer bringen müssen, weil die Wirtschaft in einer sehr schwierigen Lage ist, und die staatlichen Finanzen in einer sehr schwierigen Lage sind.“ Er fuhr fort: „In einem Moment der nationalen und internationalen Krise brauchen wir eine Führungspersönlichkeit von absolut unanfechtbarer moralischer Autorität.“

Eine solche Führungspersönlichkeit gibt es in der politischen Verbrecherbande im Parlament, Starmer eingeschlossen, aber nicht.

Die britische Arbeiterklasse muss ihre kollektive Stärke mobilisieren, um die gemeinsame Agenda von Tories und Labour zu besiegen und den Sparkurs, die Masseninfektionen und den Krieg zu beenden. Auf diese Weise wird sie den ihr gebührenden Platz im weltweiten Kampf für Sozialismus einnehmen, dem diese Maikundgebung gewidmet ist.

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