Arbeiter und Jugendliche unterstützen den May-Day-Aufruf des IKVI

„‚Proletarier aller Länder vereinigt euch!‘ – das ist genau das, was wir heute brauchen“

In den letzten Tagen haben Reporter der World Socialist Web Site im ganzen Bundesgebiet mit Arbeitern, Jugendlichen und Rentnern über den eskalierenden Stellvertreterkrieg in der Ukraine und die massiven Preissteigerungen gesprochen. Sowohl die soziale Katastrophe als auch die wachsende Gefahr eines mit Atomwaffen geführten dritten Weltkriegs ist das Ergebnis der sich vertiefenden Krise des Kapitalismus.

Unter diesen Bedingungen, erklärten die Reporter, gewinne die kommende Mayday-Versammlung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) größte Bedeutung, um die Kämpfe der Arbeiter gegen den Kapitalismus weltweit zu vereinen.

Besonders in der Autoindustrie – etwa am BMW-Motorradwerk in Berlin-Spandau und am Opel-Stammwerk im hessischen Rüsselsheim – herrscht unter Arbeitern die starke Überzeugung, dass der Krieg in der Ukraine „sofort“ und „um jeden Preis“ beendet werden muss, bevor es zum Weltkrieg kommt. Manch einer wirft die Frage auf, ob der dritte Weltkrieg schon begonnen habe. Beim Schichtwechsel in Rüsselsheim sprach Osman, der aus dem Sudan kommt, uns direkt auf diese Gefahr an:

„Ich fürchte, dass es zum dritten Weltkrieg kommt. Alles ist doch mit allem global verbunden, und jede Kriegsseite hat wieder ihre eigenen Verbündeten. Russland hat selbst die Atombombe, und dahinter steht noch China. Zwar will es keiner, aber es könnte sich zu einem dritten Weltkrieg entwickeln. Daneben gehen die Preise jetzt extrem hoch. Unter den Preissteigerungen leiden jetzt arabische und afrikanische Länder.“ Osman, der als einer von hunderten Leiharbeitern neu im Werk eingestellt wurde, sagt, er sei „selbst Araber aus dem Sudan“ und wisse daher, was Krieg bedeute.

Daniel arbeitet seit fünf Jahren bei Opel in Rüsselsheim und transportiert als Kanban-Fahrer die Teile direkt in die Produktion. Er sagt uns: „Krieg ist niemals gut, da baut sich so viel Hass auf beiden Seiten auf. Die Leute werden gegeneinander aufgehetzt.“ Er berichtet, dass er selbst Russe sei: „In Deutschland gibt es jetzt viel Hass auf die Russen, die doch gar nichts mit dem Krieg zu tun haben. Hier in Deutschland arbeiten viele Russen, und auf einmal sind sie offiziell verhasst, sogar prominente Persönlichkeiten. Im Werk ist es zum Glück nicht so: Die Kollegen kommen aus allen möglichen Ländern, da gibt es wegen der Herkunft keine Probleme.“

Habib (2. v. r.)

Habib arbeitet bei Opel als Leiharbeiter in der Qualitätssicherung. Er berichtet, dass er ursprünglich aus Afghanistan stammt: „Wo sich die USA einmischen, ist Krieg. Das war schon im Irak so, in Afghanistan und in anderen Ländern. Da kommt es zu heftigen Kriegen, die sich immer weiter ausdehnen, wie jetzt in der Ukraine. Ich kenne das aus Afghanistan. Noch vor kurzem war Putin überall ein geladener Gast, sowohl in Deutschland als auch in Frankreich. Und als sich die Lage zuspitzte, hat er dem Westen ganz klar gesagt: Mischt euch in der Ukraine nicht ein. Es ist jedenfalls nicht alles Putins Fehler.“

Mehrere Autoarbeiter des Opel-Werks in Rüsselsheim sind interessiert zu hören, dass das IKVI als internationale Arbeiterpartei dafür kämpft, Arbeiter in den USA mit Arbeitern in Deutschland, in Russland und dem Nahen Osten zusammenzuschließen. Andere verurteilen die aggressive Kriegspolitik der etablierten Parteien. Einer sagt: „Am schlimmsten sind die Grünen, die jetzt in der Regierung sitzen. Sie setzen Krieg rücksichtslos durch.“ Ein Kollege fügt hinzu: „Ich glaube nicht an die Regierung, das sind alles Verbrecher.“

Raman sagt uns im Vorbeigehen, er lehne Krieg völlig ab: „Krieg ist für die Mehrheit gar nicht gut. Ich habe das alles selbst erlebt. Ich komme aus dem Kosovo, ich weiß, was Krieg bedeutet. Ich habe selbst Familienmitglieder und Freunde verloren. Wir müssen alle Kriege stoppen: Das ist keine Lösung. Nur ganz wenige profitieren davon und wollen Krieg. Das ist der Grund dafür, dass es Kriege gibt: Die da oben profitieren davon.“

Hamdi, mit dem WSWS-Reporter in München sprachen, sagt: „Die Nato-Länder verfolgen imperialistische Interessen. Die USA und Deutschland sollten aus der Ukraine draußen bleiben. Richtig schlecht sind die Waffenlieferungen, die werden alles nur schlimmer machen.“ Hamdi unterstützt weder das Vorgehen Russlands noch die Aggressionen der Nato-Mächte und möchte an der Online-Maikundgebung teilnehmen.

Auch in einer Wohngegend der Kölner Innenstadt sprach die WSWS an einem Lebensmittelladen mit Betroffenen über die Auswirkungen der sozialen Krise und über den Krieg.

Adian, der sich seit mehr als einem halben Jahr zusammen mit einem Kollegen um eine Zwei-Zimmer-Wohnung bemüht, stellt fest: „Der Wohnungsmarkt ist für die Katz. Man bekommt einfach nichts, auch wenn man arbeitet. Wir leben in einer Profitwirtschaft, in der jeder versucht, so viel Kapital zu schöpfen, wie er kann. Auf die Kleinverdiener wird keine Rücksicht genommen, man muss betteln. Täglich sehe ich, wie Leute, die ein Leben lang geschuftet haben, trotzdem noch Flaschen sammeln müssen, damit sie sich bei ihrer kleinen Rente irgendwie finanzieren können.“

„Es ist ein strukturelles Problem“, sagt Adians Kollege Andreas. „Wenn man sich die Zahlen anschaut, was Wohnungslosigkeit oder Obdachlosigkeit angeht, dann ist das schon erschreckend. Das grundlegende Problem ist der Kapitalismus. Meiner Meinung nach ist jedem bewusst, dass das ein in sich zerstörerisches System ist. Es hilft deshalb gar nicht, nur all diese kleinen Baustellen zu bearbeiten. Wir müssen ein ganz neues System einführen, das viel sozialer ist. Wir wissen auch, dass ein solches System existieren kann. Aber die Leute, die daran verdienen, haben natürlich kein Interesse daran, dass es anders läuft.“

„Die heutige Politik ist für mich eine Farce“, fügt Andreas hinzu. „Parteien sind in keiner Form an ihre Wahlversprechen gebunden, das ist lächerlich. Es gibt keinerlei Volksnähe und es geht nicht mehr darum, den Bürger zu vertreten. Es werden eigene Interessen verfolgt, auch um die Politik als Sprungbrett für die freie Wirtschaft zu nutzen. Der Krieg bewegt mich sehr. Auch dort stehen auf oberster politischer Ebene noch ganz andere Interessen dahinter, als wir vermuten können – zum Beispiel wirtschaftliche Interessen. Man weiß, dass Deutschland gut an Waffengeschäften beteiligt ist. Ich denke auch, dass der Krieg nicht mit dem Einmarsch der russischen Truppen begonnen hat.“

„Ich habe mein Leben lang gearbeitet, zuletzt bei einer Firma, die Schiffrundfahrten auf dem Rhein anbietet“, sagt Michael:

„Seit etwa eineinhalb Jahren bin ich erwerbslos und lebe von Hartz 4. Die bürokratischen Hürden, bis ich das Geld in Händen halte, sind groß und es ist eine ziemliche Quälerei. Diese Struktur zwingt die Ärmsten der Armen, die sich nicht gut wehren können, weiter nach unten. Das finde ich schlimm. Als ich noch im Betrieb war, habe ich mich mit den anderen Kollegen zusammengetan und viel gemacht, aber durch meine Situation bin ich selbst psychisch sehr betroffen und leide darunter stark. Die Preissteigerungen betreffen nicht nur den Sprit, sondern auch Grundlebensmittel wie Äpfel und Kartoffeln, die teilweise mehr als 20 Prozent teurer geworden sind.“

Die Kriegshetze, so Michael, gehe von wohlhabenden Schichten aus, die mit diesen Problemen nichts am Hut haben:

„Wer sich wie ich gegen Militarismus einsetzt, der wird jetzt gesellschaftlich gebrandmarkt und von den Journalisten in Berlin als Verrückter angesehen. Diese Leute in der Hauptstadt mit ihren hochdotierten Jobs wollen die Beziehung nicht sehen, die zwischen schlechten Löhnen und schlechtem Leben und den großen Geldausgaben für Waffen besteht. Von den Privatsendern über das ZDF bis hin zur ARD hat diese Bagage eindeutig ein eigenes Interesse daran: Man hört richtig, dass diese Leute es genießen, besser zu leben als unsereins. [Der ukrainische Botschafter Andrij] Melnyk zum Beispiel ist ein Nazi, und so tritt er auch auf. Es ist bekannt, dass er Nazi-Strukturen in der Ukraine unterstützt hat.“

Im Berliner Arbeiterviertel Wedding sprachen Reporter der World Socialist Web Site mit Passanten vor einem Supermarkt über die Auswirkungen der Inflation. Oana, die als Verwaltungsangestellte an einem Schulamt arbeitet, berichtet:

„Mein Vermieter hat den Betrag der Nebenkostenrechnung zuletzt um 50 Prozent erhöht. Es heißt, dass die Strompreise im Juni erneut um 20 Prozent steigen werden. Es ist wirklich schwierig und ich denke, das ist eine Frechheit. Ich war früher viele Jahre prekär beschäftigt. Zwischenzeitlich musste ich mich selbstständig krankenversichern.“

Sotirios sagt: „Die Nato ist eine Terrororganisation. Früher hieß es, Gaddafi ist schuld, wenn die Preise nach oben gingen oder irgendetwas anderes in Europa schieflief. Davor war es Saddam Hussein. Heute soll Putin an allem schuld sein? So einfach ist es nicht. Ich unterstütze eure Veranstaltung.“

„Die Preissteigerungen sind enorm“, sagt Heidi (38), die in der Gesundheitsberatung arbeitet. „Wir bezahlen als Familie für eine Wohnung mit 73 Quadratmetern fast 1.200 Euro im Monat. Und das ist ein Mietvertrag, der vor drei Jahren abgeschlossen wurde – heute sind die Mieten noch weit höher. Ich finde es absolut schrecklich, dass jetzt plötzlich 100 Milliarden Euro vorhanden sind, die für Waffen ausgegeben werden sollen. Ich muss mich fast schämen, dass ich die Grünen gewählt hatte. Sie haben die Wähler regelrecht betrogen, haben alle Versprechungen ihres Wahlprogramms ins Gegenteil verkehrt.“

„Ihr habt Recht, wenn ihr die Menschen international vereinigen wollt“, fügt Heidi mit Blick auf den Online-Mayday des IKVI hinzu. „Bei mir wohnt ein junger Mann aus Sri Lanka, der vor zehn Jahren aus dem Kriegsgebiet geflohen ist und nach Deutschland kam. Er wird sich auch für die Maiveranstaltung interessieren. Ich werde sicher teilnehmen.“

Dominique studiert soziale Arbeit und ist alleinerziehend. Sie sagt: „Es ist alles teurer geworden. Als Mutter von drei kleinen Kindern, die nur BAföG bekommt, merke ich das total. In diesem Krieg geht es um viel Geld – um Geld und um Waffen. Die Kapitalisten sitzen oben und führen den Krieg auf dem Rücken der ‚Kleinen‘. Ich finde euren Aufruf gut. Wir sind zwar unten, aber wir sind nicht klein. Power to the people!“

Gökhan (18) arbeitet in einem Supermarkt im Wedding. Er berichtet: „Die Preise im Lebensmittelmarkt steigen spürbar an. Ich komme noch über die Runden, weil ich noch bei meinen Eltern wohne. Aber ich merke bei unseren Kunden, dass manche jetzt sehr auf die Preise achten.“ Gökhan unterstützt den Mayday des IKVI und die Einheit der Arbeiterklasse ebenfalls:

„Ich bin Sozialist und schon lange auf der Suche nach einer Organisation, die Arbeiter international verbindet. Karl Marx hat schon im Kommunistischen Manifest geschrieben: ‚Proletarier aller Länder vereinigt euch!‘ Und das ist genau das, was wir heute brauchen. Auch Trotzki hat dafür gekämpft. Er hat ja einige Jahre in der Türkei gelebt. Am Mayday will ich auf jeden Fall teilnehmen.“

Wir rufen alle unsere Leserinnen und Leser auf, am 1. Mai um 21 Uhr an der internationalen Mayday-Kundgebung des IKVI teilzunehmen und diese bedeutende Veranstaltung unter Kollegen, Freunden und Angehörigen bekannt zu machen.

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