Nato verschärft Kriegskurs gegen Russland

Mit einer Reihe von koordinierten Maßnahmen haben die USA, die Nato und die Europäische Union ihre Beteiligung am Krieg zwischen der Ukraine und Russland am Donnerstag massiv ausgeweitet. Das könnte zur Eskalation des Konflikts in einen neuen Weltkrieg führen.

Während die Nato zusätzliche Lieferungen von schweren Waffen für Kiew ankündigte, versprach die Europäische Union die Einstellung der russischen Energieimporte. Die USA und ihre Verbündeten schlossen Russland derweil aus dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen aus.

Ukrainische Soldaten machen sich im Rahmen einer Übung in einem Vorort von Charkiw am 7. April 2022 mit einem schultergestützten Waffensystem vom Typ Carl Gustaf M4 aus schwedischer Produktion vertraut. (AP Photo/Andrew Marienko)

Diese Maßnahmen machen deutlich, dass die Vorwürfe der USA von Anfang der Woche über russische Kriegsverbrechen in den Vororten von Kiew Propaganda waren. Sie sollten jede Aussicht auf eine Verhandlungslösung zunichte machen und die öffentliche Meinung auf eine Verstärkung des Nato-Engagements vorbereiten.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erklärte diese Woche beim Gipfeltreffen des transatlantischen Bündnisses in Brüssel: „Die Schlacht um den Donbass wird Sie an den Zweiten Weltkrieg erinnern mit seinen groß angelegten Operationen und Manövern, dem Einsatz von Tausenden von Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Flugzeugen und Artillerie. ... Und Russlands Vorbereitungen deuten darauf hin, dass es nicht nur eine lokal begrenzte Operation sein wird.“

Doch statt bei dieser Aussicht zurückzuschrecken, tun die Nato-Mitgliedsstaaten alles in ihrer Macht Stehende, um sie wahr werden zu lassen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte die Lieferung einer „großen Bandbreite“ von Waffensystemen an die Ukraine an. Auf die Frage von Al Jazeera, ob die Nato auch Offensivwaffen liefern würde, erklärte er: „Ich glaube, diese Unterscheidung zwischen Offensiv- und Defensivwaffen ist etwas seltsam. Es geht um Waffenlieferungen an ein Land, das sich verteidigt, und das Recht auf Selbstverteidigung ist in der Charta der Vereinten Nationen festgelegt.“

Die britische Außenministerin Liz Truss erklärte vor der Presse: „Mehrere Länder haben die Lieferung von neuem und schwererem Gerät an die Ukraine unterstützt, damit diese auf die neuen Drohungen aus Russland reagieren kann.“

Weiter erklärte sie: „Wir haben zugestimmt, den ukrainischen Streitkräften auf bilateraler Basis dabei zu helfen, ihre Ausrüstung aus Sowjetzeiten gegen Nato-Standardgerät auszutauschen.“

Truss verkündete eine „neue Ära“ der Beziehungen zwischen Europa und Russland und erklärte: „Das Zeitalter des Dialogs mit Russland ist vorbei.“ Stattdessen proklamierte sie eine „neue Herangehensweise an die Sicherheit in Europa auf der Grundlage von Widerstandsfähigkeit, Verteidigung und Abschreckung.“

Die Times of London berichtete am Mittwoch, Großbritannien werde der Ukraine Panzerfahrzeuge liefern und zitierte einen Regierungsvertreter mit den Worten: „Mit [diesen Fahrzeugen] können die ukrainischen Streitkräfte näher an die russischen Linien vordringen.“

US-Außenminister Antony Blinken, der an dem Nato-Gipfel teilnahm, kündigte die Lieferung von „neuen Systemen“ an die Ukraine an und fügte hinzu: „Wir lassen uns durch nichts daran hindern, den Ukrainern zu liefern, was sie brauchen. ... Wir reden hier von der ganzen Bandbreite, nicht nur davon, was wir bisher geliefert haben.“

Am Mittwoch verabschiedete der US-Senat einen Gesetzentwurf, der Waffenlieferungen an die Ukraine beschleunigen soll. Senatorin Jeanne Shaheen (New Hampshire), die wichtigste demokratische Unterstützerin des Gesetzentwurfs, erklärte: „Während sich der Krieg in der Ukraine entwickelt, ist die schnellstmögliche Lieferung von Militärhilfe von entscheidender Bedeutung für die Fähigkeit der Ukraine, sich gegen Putins nicht provozierte Angriffe zu verteidigen.“

Am Donnerstag schafften es die USA, Russland aus dem UN-Menschenrechtsrat auszuschließen. Das letzte Mal, dass ein Land aus dem Gremium entfernt wurde, war 2011, als Libyen ausgeschlossen wurde. Kurze Zeit später wurde der libysche Präsident von islamistischen Terroristen ermordet, die von den USA finanziert wurden. Die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton scherzte darüber: „Wir kamen, wir sahen, er starb.“

Ebenfalls am Donnerstag verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution, in der es ein „sofortiges vollständiges Embargo für russische Öl-, Kohle-, Kernbrennstoff- und Gasimporte“ forderte. Sie forderte außerdem den vollständigen Ausschluss Russlands aus dem Bankennetzwerk SWIFT.

Als Stoltenberg die Maßnahmen gegen Russland ankündigte, machte er deutlich, dass auch China ein primäres Ziel der Nato ist.

Er erklärte: „Wir haben gesehen, dass China nicht bereit ist, Russlands Aggression zu verurteilen. Peking hat gemeinsam mit Moskau das Recht von Staaten in Frage gestellt, ihren eigenen Weg zu wählen. ... Das ist eine ernste Herausforderung für uns alle.“

Die Eskalation erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem Russland scheinbar eine diplomatische Lösung anstrebte. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte in einem Interview mit Sky News: „Wir haben bedeutende Verluste bei den Truppen. Das ist eine riesige Tragödie für uns.“

Beispielhaft für das rücksichtslose und außer Kontrolle geratene Kriegsfieber, das Teile der herrschenden Klasse gepackt hat, war der Leitartikel des Wall Street Journal vom Donnerstag, in dem es hieß: „Die Ukraine hat die Schlacht um Kiew gewonnen, aber die Schlacht um den Donbass im Osten wird vermutlich noch brutaler werden. ... Dieser Krieg könnte noch länger dauern und die Entschlossenheit des Westens wird so stark sein müssen wie Putins Brutalität.“

Im Lauf der letzten Woche ist klar geworden, dass Teile der politischen Establishments der USA und der EU ihre Ziele im Stellvertreterkrieg mit Russland um die Ukraine geändert und ausgeweitet haben. Statt Russland nur monate- oder jahrelang auszubluten, schwebt ihnen nicht nur ein entscheidender taktischer, sondern sogar ein strategischer Sieg vor.

In diesem Zusammenhang mehren sich im politischen Establishment der USA die Forderungen nach der Vorbereitung auf einen Atomkrieg.

Der Nato-Oberbefehlshaber für Europa, Philip Breedlove, erklärte in einem Interview mit Voice of America: „Wir haben uns so große Sorgen um Atomwaffen und den Dritten Weltkrieg gemacht, dass wir uns selbst völlig abgeschreckt haben. Und [Putin] ist, ehrlich gesagt, überhaupt nicht abgeschreckt.“

Loading