Der zehnte globale Klimastreik von „Fridays for Future“ fand in einer Situation statt, in der die Gefahr eines Atomkriegs zwischen Russland und den Staaten des Nato-Bündnisses so groß ist wie nie zuvor, weil alle Beteiligten extrem rücksichtslos vorgehen. Jeder, der den Kampf gegen Klimawandel ernst nimmt, muss alles tun, um einen solchen Krieg zu verhindern und gegen die Aufrüstung der Bundeswehr und gegen das Anheizen des Krieges durch Waffenlieferungen und Handelssanktionen zu kämpfen.
Doch während die Teilnehmer der Demonstrationen über die Kriegsentwicklung besorgt sind und einen nuklearen Weltkrieg verhindern wollen, tun die selbsternannten Führer von „Fridays for Future“ genau das Gegenteil: Sie versuchen, die Bewegung zu einer Jubeltruppe für die Aufrüstung und die Aggressionen der Nato zu verwandeln und sie in den Dienst der Kriegspolitik zu stellen. Das muss unbedingt verhindert werden!
Die Grünen-Politikerin Luisa Neubauer, die in der Bewegung eine tonangebende Rolle einnimmt, bringt diese üble rechte Politik am schärfsten zum Ausdruck. Neubauer unterstützt nicht nur die Bewaffnung des ukrainischen Militärs – in dessen Reihen Neonazis und Legionäre aus aller Herren Länder kämpfen –, sondern auch die historisch beispiellose Aufrüstung der Bundeswehr und die Kriegssanktionen gegen Russland.
So hatte sie bereits wenige Tage nach dem reaktionären Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet unterstützt und erklärt: „Waffen allein reichen nicht.“ Im Interview mit der taz setzte sie einen Tag vor den Demonstrationen hinzu, es sei „logisch, dass auch über Militärausgaben diskutiert wird“. Man müsse jedoch „das große Ganze in den Blick nehmen“ und endlich Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, die „jetzt auch aus der Kriegslogik Sinn“ ergäben.
Gegenüber dem Sender ntv unterstützte Neubauer die deutsche Aufrüstung und erklärte, der Umstieg auf erneuerbare Energien diene denselben politischen Zielen. „Der politische Wille zu sagen, wir stecken 100 Milliarden Euro ins Militär, ist da“, stellte sie fest. Ebenso notwendig sei jedoch „der politische Wille zu sagen, wir rüsten jetzt richtig unsere Energiesysteme auf“ – schließlich sei die „Abkehr von fossilen Energien“ ebenso wie die Aufrüstung „am Ende eine sicherheitspolitische Frage“.
Dass es Neubauer in ihren Forderungen nicht um Menschenrechte oder die Sanktionierung von Kriegsverbrechern geht, hat sie mehr als deutlich gemacht. So verklärte sie die Bestrebungen von Wirtschaftsminister Robert Habeck, in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten neue strategische Energiepartnerschaften einzugehen, als notwendigen „Umweg“ auf dem Pfad zu mehr Klimaschutz. Auch den Formel-1-Piloten Sebastian Vettel, der u.a. von Saudi-Arabien finanziert wird, bewirbt Neubauer als Vorbild.
Alle drei Regime sind lupenreine Diktaturen und Hauptakteure des Angriffskriegs gegen den Jemen, der laut den Vereinten Nationen seit 2015 bereits 377.000 Menschen getötet hat und gegenwärtig 19 Millionen weitere mit dem Hungertod bedroht.
Besonders vehement fordern Neubauer und die Führung von „Fridays for Future“ ein Embargo gegen sämtliche Kohle-, Öl- und Gaslieferungen aus Russland. Ein offener Brief an die Bundesregierung – den unter anderem die Aktivistinnen Neubauer, Carla Reemtsma und Pauline Brünger unterzeichnet haben – verlangt, „der russischen Führung den Geldhahn zuzudrehen“ und so „die Wirkung der zu Recht erlassenen Sanktionen gegenüber der russischen Zentralbank“ zu stärken.
„Weiter steigende Energiepreise“ und andere zu erwartende „große Auswirkungen“, so die Unterzeichner, „sollten uns unsere Freiheit, Sicherheit und das Leben der Menschen in der Ukraine wert sein“. Auch offizielle Aufrufe von „Fridays for Future“ hatten einen sofortigen „Importstopp von Kohle, Öl und Gas aus Russland“ gefordert und „die Staats- und Regierungschefs der Welt“ aufgerufen, „über die Worte und Erklärungen der Unterstützung für die Ukraine hinauszugehen“.
Es steht außer Frage, dass ein Energieembargo inmitten von Pandemie, Inflation und Krieg für die Arbeiter in Russland, der Ukraine und der ganzen Welt verheerende Folgen hätte. Öl und Erdgas machen zwei Drittel der russischen Exporte und etwa die Hälfte der Staatseinnahmen aus. Die russische Führung, deren Wirtschaft seit 2014 im Durchschnitt pro Jahr nur noch um 0,3 Prozent gewachsen ist, würde durch eine solche milliardenschwere Handelskriegsmaßnahme vor die Alternative „Atomkrieg oder wirtschaftliche Unterwerfung“ gestellt werden.
Die Politik von Wirtschaftssanktionen und Handelskrieg entspricht nicht der Logik des Klimaschutzes – d.h. der Aufrechterhaltung einer lebensfähigen Biosphäre –, sondern der Logik eines atomar geführten Weltkriegs. Die imperialistischen Mächte des Nato-Bündnisses haben in den letzten 30 Jahren etliche Länder kaputt gebombt und dabei weit über eine Million Menschen getötet. Sie haben Russland und China systematisch und gezielt eingekreist und bereiten sich nun auf einen dritten Weltkrieg vor. Die Führung von Fridays for Future unterstützt das und schweigt zu diesen historischen Verbrechen.
Im Gegensatz zu den Behauptungen der Protestführer und der westlichen Regierungen wurde auch der jetzige mörderische Stellvertreterkrieg in der Ukraine von den Nato-Mächten geplant und über Jahre hinweg bewusst provoziert. Das Kalkül westlicher Militärstrategen bestand darin, die Bevölkerung der verarmten ehemaligen Sowjetrepublik als Schachfigur zu missbrauchen, um dem Kreml ein „russisches Afghanistan“ zu bereiten.
Der reaktionäre und kriminelle Einmarsch des Putin-Regimes in die Ukraine ist Ausdruck des historischen Bankrotts des russischen Nationalismus – nicht jedoch die Ursache des Krieges. Er spaltet die Arbeiterklasse und spielt den Nato-Mächten in die Hände, die seit Jahrzehnten danach streben, Russland zu zerschlagen und zu unterwerfen. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) hat diese historischen und politischen Hintergründe in einem aktuellen Video ausführlich erläutert.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der deutsche Militarismus betrachtet den Ukrainekrieg als langersehnten Vorwand, um eine historisch beispiellose Aufrüstung vorzunehmen und die eigenen wirtschaftlichen Interessen auf der ganzen Welt durchzusetzen. Das ist auch der Grund, weshalb die Forderung nach einem Embargo gegen Russland von bedeutenden Teilen der herrschenden Klasse begeistert aufgegriffen wurde.
Indem sich die Wortführer der Protestbewegung inmitten der Kriegsentwicklung nun auf die Seite der Regierung stellen, zeigen sie, dass sie sich nicht das Geringste aus Klimaschutz machen – es sei denn, sie wollen die Erderwärmung durch einen nuklearen Winter stoppen. Um Karriere bei den Grünen und anderen bürgerlichen Parteien und Organisationen zu machen, sind diese Leute bereit, die Ängste und Sorgen von Millionen Jugendlichen auszunutzen und üble Kriegspropaganda zu verbreiten.
Der Slogan einer „Klimabewegung“, die einer wirtschaftlichen Strangulation der zweitgrößten Atommacht das Wort redet, wäre besser mit „Fridays for Nuclear War“ beschrieben. Es ist daher höchste Zeit, Bilanz zu ziehen und eine wirkliche Bewegung gegen Klimawandel und Krieg aufzubauen, die sich nicht von den räuberischen Interessen der imperialistischen Geopolitik, sondern von den Prinzipien des internationalen Klassenkampfs leiten lässt.
Eine solche Bewegung muss zwangsläufig gegen den Kapitalismus gerichtet sein und darf sich mit keiner Nation – schon gar nicht mit einem imperialistischen Kriegsbündnis – gemeinmachen. Notwendig ist ein Kampf gegen die Nato-Mächte, die den Planeten mitsamt seiner Bevölkerung seit Jahrzehnten ausgeplündert haben und die menschliche Zivilisation in diesen Tagen geradewegs an den Rand der Vernichtung treiben.
Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) haben erklärt, dass der Kampf gegen Atomkrieg und Klimawandel – ebenso wie der Kampf gegen die Covid-19-Pandemie – untrennbar mit dem Kampf für internationalen Sozialismus verbunden ist und ohne eine demokratische und rational geplante Weltwirtschaft undenkbar ist. Die rechte Kriegspropaganda, die von den offiziellen Führern der Klimabewegung verbreitet wird, bestätigt dies nun.
Die internationale Arbeiterklasse, erklärten wir, muss auf der Grundlage eines internationalistischen und sozialistischen Programms mobilisiert werden, um die politische Macht zu übernehmen und die gewaltigen Produktivkräfte – Konzerne, Banken und Vermögen – in den Dienst ihrer sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Lebensinteressen zu stellen. Als Jugendorganisation des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) kämpfen die IYSSE für eine solche sozialistische Perspektive. Ihr Aufbau ist nun das Gebot der Stunde.