Die Sozialistische Gleichheitspartei und die World Socialist Web Site verurteilen die Kriegsoffensive, die gestern von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im deutschen Bundestag verkündet wurde und von allen Bundestagsparteien unterstützt wird.
In einer Rede, die an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte erinnerte, bedrohte Scholz Russland und verkündete Waffenlieferungen an die Ukraine sowie die massive Aufstockung der Bundeswehrtruppen in Osteuropa. Die Rede gipfelte in der Ankündigung der größten Aufrüstungsoffensive seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Die ganze Bundestagsdebatte ließ keinen Zweifel daran, dass sich die herrschende Klasse trotz ihrer Verbrechen in zwei Weltkriegen wieder auf dem Kriegspfad befindet. Putins reaktionären Einmarsch in die Ukraine betrachtet sie als Chance, lang gehegte und längst vorbereitete Militarisierungspläne in die Tat umzusetzen.
„Bessere Ausrüstung, modernes Einsatzgerät, mehr Personal – das kostet viel Geld“, erklärte Scholz. Die Bundesregierung werde dafür ein ‚Sondervermögen Bundeswehr‘ einrichten“ und im Haushaltsjahr 2022 „einmalig mit 100 Milliarden Euro ausstatten. Die Mittel werden wir für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben nutzen.“
Es gehe um die „nächste Generation von Kampfflugzeugen und Panzern“, die „Eurodrohne“ und „die Anschaffung der bewaffneten Heron-Drohne“. Auch „für die nukleare Teilhabe“ werde man „rechtzeitig einen modernen Ersatz für die veralteten Tornado-Jets beschaffen. Der Eurofighter soll zur Electronic Warfare befähigt werden. Das Kampfflugzeug F-35 kommt als Trägerflugzeug in Betracht.“
In jedem Fall brauche Deutschland „Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen, und Soldatinnen und Soldaten, die für ihre Einsätze optimal ausgerüstet sind“, ereiferte er sich. „Darum geht es. Und das ist ja wohl erreichbar für ein Land unserer Größe und unserer Bedeutung in Europa.“ Aber man dürfe sich nichts vormachen. „Bessere Ausrüstung, modernes Einsatzgerät, mehr Personal – das kostet viel Geld.“
Zusätzlich zum „Sondervermögen“ Bundeswehr plant die Regierung die massive Aufstockung des Wehretats. „Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren“, verkündete Scholz. „Und ich richte mich hier an alle Fraktionen des Deutschen Bundestags: Lassen Sie uns das Sondervermögen im Grundgesetz absichern.“
Die von Scholz genannten Zahlen sind gigantisch. Bezogen auf das BIP von 2021 bedeuten Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent eine Steigerung um 24 Milliarden Euro auf dann über 71 Milliarden. Das ist mehr als das Doppelte des Gesundheitshaushalts (35,3 Milliarden 2021). Die zusätzlichen 100 Milliarden des „Sondervermögens“ entsprechen dem fünffachen des gesamten Bildungs- und Forschungsetats (20, 8 Milliarden 2021) und laufen zusammen mit den bisher veranschlagten 50 Milliarden auf eine Verdreifachung des Militärhaushalts in diesem Jahr hinaus.
Wer die Kosten für diesen Wahnsinn trägt und welchem Ziel er dient, ist klar. Während im Bereich Bildung und Soziales weiter gekürzt wird und für Gesundheit und Pflege nicht einmal inmitten einer tödlichen Pandemie Geld da ist, soll die massive Erhöhung des Wehretats im Grundgesetz verankert werden, um die gigantischen Rüstungsvorhaben dauerhaft zu finanzieren und Krieg gegen Russland und andere Länder vorzubereiten.
Scholz bezeichnete es als „Handlungsauftrag“, Putin „von seinem Kriegskurs abzubringen“. Der Krieg sei „eine Katastrophe für die Ukraine. Aber der Krieg wird sich auch als Katastrophe für Russland erweisen“, drohte er. An einer anderen Stelle fragte er: „Welche Fähigkeiten besitzt Putins Russland, und welche Fähigkeiten brauchen wir, um dieser Bedrohung zu begegnen, heute und in der Zukunft?“
Unter Applaus verkündete Scholz, die Bundesregierung habe gestern entschieden, „dass Deutschland der Ukraine Waffen zur Verteidigung des Landes liefern wird“. Außerdem habe die Bundeswehr „ihre Unterstützung für die östlichen Bündnispartner bereits ausgeweitet“ und werde „das weiter tun“. Scholz gab einen Überblick über Deutschlands Beitrag zum Nato-Aufmarsch gegen Russland, der immer offener die Form direkter Kriegsvorbereitungen annimmt.
„In Litauen, wo wir den Einsatzverband der NATO führen, haben wir unsere Truppe aufgestockt. Unseren Einsatz beim Air Policing in Rumänien haben wir verlängert und ausgeweitet. Wir wollen uns am Aufbau einer neuen NATO-Einheit in der Slowakei beteiligen. Unsere Marine hilft mit zusätzlichen Schiffen bei der Sicherung von Nord- und Ostsee und im Mittelmeer. Und wir sind bereit, uns mit Luftabwehrraketen auch an der Verteidigung des Luftraumes unserer Alliierten in Osteuropa zu beteiligen.“
Aus dem Munde eines deutschen Bundeskanzlers sind derartige Kriegsdrohungen gegen Russland doppelt kriminell. Deutschland hat im Zweiten Weltkrieg die Sowjetunion überfallen und einen Vernichtungskrieg geführt, in dessen Verlauf 27 Millionen Sowjetbürger ihr Leben verloren und sechs Millionen Juden industriell ermordet wurden.
Diese Verbrechen sind der herrschenden Klasse offenbar nicht genug. 80 Jahre später ist sie bereit, notfalls die gesamte Menschheit in einem dritten Weltkrieg zu opfern.
„Ohne Wenn und Aber stehen wir zu unser Beistandspflicht in der Nato“, erklärte Scholz. „Präsident Putin sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen, gemeinsam mit unseren Alliierten jeden Quadratmeter des Bündnisgebietes zu verteidigen.“ Man meine „das sehr ernst. Mit der Aufnahme eines Landes in die Nato ist unser Wille als Bündnispartner verbunden, dieses Land zu verteidigen, und zwar so wie uns selbst.“
Scholz’ Bekräftigung der „Beistandspflicht“ hat potentiell vernichtende Konsequenzen. Artikel 5 des Nato-Vertrags legt fest, „dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere“ Parteien „als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird“ und die Allianz „Beistand leistet, … einschließlich der Anwendung von Waffengewalt“.
Falls sich also der Ukraine-Krieg auf ein osteuropäisches Nato-Land ausweitet, verpflichten sich Scholz und die Bundesregierung, gemeinsam mit der gesamten Nato gegen die Atommacht Russland in den Krieg zu ziehen.
Scholz’ Behauptung, die deutsche Aufrüstung sei lediglich eine Reaktion auf Putin, der über Nacht den Krieg zurück nach Europa gebracht habe, um die „europäische Sicherheitsordnung“ zu zertrümmern, ist nichts als verlogene Propaganda. Das gleiche gilt für die Lüge, dem Westen gehe es um die Verteidigung von „Freiheit und Demokratie“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Tatsächlich führen die Nato-Mächte seit 30 Jahren nahezu ununterbrochen Krieg für imperialistische Interessen und haben dabei ganze Länder in Schutt und Asche gelegt – auch in Europa selbst. 1999 warf die Nato-Koalition unter der Führung Washingtons und mit deutscher Beteiligung 78 Tage lang Bomben auf Serbien, um die Abspaltung des Kosovo zu erzwingen.
In den letzten Jahren hat die herrschende Klasse die Rückkehr des deutschen Militarismus weiter forciert. 2013 haben führende Journalisten, Akademiker, Militärs, Wirtschaftsfunktionäre und Vertreter aller Bundestagsparteien das SWP-Papier „Neue Macht – Neue Verantwortung” ausgearbeitet, das die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außenpolitik ankündigte, um seine Interessen als „Handels- und Exportnation“ global mit militärischen Mitteln durchzusetzen.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 wurden die Pläne vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck, und seinem Nachfolger und früherem Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) dann offiziell verkündet. Gauck saß während Scholz’ Rede bezeichnenderweise auf der Bundestagstribüne und umarmte dort demonstrativ den ukrainischen Botschafter.
Und nur wenige Tage später orchestrierten Berlin und Washington in enger Zusammenarbeit mit faschistischen Kräften einen Umsturz in Kiew, um dort ein anti-russisches Regime an die Macht zu bringen. Seitdem hat die Nato ihren Aufmarsch in Osteuropa immer weiter eskaliert und Putins Überfall auf die Ukraine regelrecht provoziert. Die Intervention wird nun von der gesamten herrschenden Klasse genutzt, um die Reihen zu schließen und die Kriegskampagne auf die Spitze zu treiben.
„Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“, frohlockte Kaiser Wilhelm II., als Deutschland 1914 in den Ersten Weltkrieg eintrat und alle Parteien im Reichstag den Kriegskrediten zustimmten.
Der Kriegstaumel, mit der alle Bundestagsfraktionen gestern dem Kanzler Tribut zollten, erinnert daran. Während Scholz sprach erhoben sich Vertreter der Regierungsfraktionen und der CDU/CSU immer wieder gemeinsam von ihren Sitzen. Auch Vertreter der Linkspartei und der rechtsextremen AfD applaudierten und stellten in ihren Reden klar, dass sie voll hinter der Nato-Aggression gegen Russland stehen.
„Putin ist hier der Aggressor und muss sofort aufgehalten werden. Seine Großmachtfantasien, die dürfen nicht Realität werden“, forderte die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Amira Mohamed Ali.
Der Vorsitzende der CDU, Friedrich Merz, pries Scholz „gute Regierungserklärung“ und versicherte ihm seine Unterstützung zu – v.a. um die Aufrüstung gegen die enorme Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen: „Wenn Sie eine umfassende Ertüchtigung unserer Streitkräfte wollen – und wir wollen sie ab heute ganz offensichtlich mit Ihnen –, dann werden wir auch gegen Widerstände diesen Weg mit Ihnen gehen.“
Die Sozialistische Gleichheitspartei ist die einzige Partei, die der Kriegshysterie entgegentritt. Wir kämpfen für den Aufbau einer Antikriegsbewegung der internationalen Arbeiterklasse, die darauf abzielt, die Ursache von Krieg – das kapitalistische Profitsystem – zu beseitigen und eine globale sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Das aggressive Auftreten der deutschen herrschenden Klasse und die wachsende Gefahr eines vernichtenden dritten Weltkriegs verleihen diesem Kampf eine enorme Dringlichkeit.
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