Perspektive

Stewart Rhodes und Oath Keepers wegen Umsturz-Verschwörung angeklagt

Die Verhaftung des faschistischen Anführers der Oath Keepers Stewart Rhodes und zehn weiterer Oath Keepers wegen Umsturz-Verschwörung („seditious conspiracy“) entkräftet die Behauptung, der 6. Januar sei lediglich ein unruhiger Protest gewesen und keine Verschwörung Trumps, um das Wahlergebnis von 2020 zu kippen und eine Diktatur zu errichten.

Mitglieder der Oath Keepers an der Ostseite des US-Kapitols am 6. Januar 2021 in Washington (AP Photo/Manuel Balce Ceneta)

Aus den Fakten der Anklageschrift, die am Donnerstag von der Bundesstaatsanwaltschaft eingereicht wurde, geht eindeutig hervor, dass die Oath Keepers ein entscheidender Bestandteil der operativen Pläne waren, die verfassungsmäßige Feststellung des Wahlergebnisses durch das Wahlmännerkollegium mit Gewalt zu verhindern. Diese Pläne standen atemberaubend knapp vor dem Erfolg.

„Nach der Präsidentschaftswahl“, heißt es in der Anklageschrift, „konspirierte Elmer Stewart Rhodes III mit seinen Mitangeklagten..., um die rechtmäßige Übertragung der Präsidentschaft mit Gewalt zu verhindern“. Die Oath Keepers „koordinierten Reisen nach Washington D.C. aus dem ganzen Land, rüsteten sich mit einer Vielzahl von Waffen aus, legten Kampfanzüge und taktische Monturen an“ und „planten, die Schusswaffen zur Unterstützung ihres Plans gegen die rechtmäßige Übertragung der präsidialen Macht einzusetzen“.

In der Anklageschrift heißt es, Rhodes habe „Schnelle Eingreifgruppen“ („Quick Response Teams“, QRT) gebildet, die am 6. Januar in der ganzen Stadt zum Einsatz kamen. Sie richteten einen Stützpunkt und ein Waffendepot in einem Hotel in Arlington (Virginia) ein und bereiteten sich auf einen, wie Rhodes es nannte, „blutigen und verzweifelten Kampf“ vor. Die Mitglieder der QRTs bereiteten sich auf den 6. Januar vor, indem sie an einem Training über „unkonventionelle Kriegsführung“ teilnahmen und die Möglichkeit diskutierten, dass ihre Aktionen einen „bewaffneten Konflikt“ und einen „Guerillakrieg“ beinhalten würden.

Gegen 14.30 Uhr am 6. Januar rückten die Oath-Keeper-Gruppen in einer SWAT-ähnlichen 'Stack'-Formation aus und marschierten die Stufen zum Kapitol hinauf. Nach einer kurzen Konfrontation mit der Polizei drang der Mob um 2:38 Uhr in das Kapitol ein.

Im Gebäude teilte sich die Stack-Formation in zwei Gruppen: Eine Gruppe versuchte, in den Senatssaal zu gelangen, die andere machte sich auf den Weg zum Repräsentantenhaus auf der Suche nach der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Sie fanden Sprecherin Pelosi nicht auf und verließen schließlich das Gebäude. Ein weiteres QRT betrat das Capitol etwa eine halbe Stunde später von der gegenüberliegenden Seite. Andere Kräfte „blieben in QRF-Teams etwas außerhalb der Stadt stationiert. Die QRF-Teams waren darauf vorbereitet, schnell Schusswaffen und andere Waffen nach Washington D.C. zu transportieren – um Operationen zu unterstützen, die darauf abzielen, die rechtmäßige Übertragung der Macht des Präsidenten mit Gewalt zu verhindern.'

Das Ziel der Oath Keepers bestand eindeutig darin, Kongressmitglieder zu entführen, zu inhaftieren oder zu töten. In den Tagen vor dem 6. Januar kaufte Rhodes Waffen und Ausrüstung im Wert von mehr als 20.000 Dollar für die QRTs. Im Dezember kaufte er für 7.000 Dollar ein Waffenzielgerät und ein Nachtsichtgerät für den Einsatz am 6. Januar, und Anfang Januar gab er weitere 15.000 Dollar für Gewehre, Munition, Zielgeräte und ein Zweibein aus. Dies sind Gegenstände, die von Attentats- und Entführungskommandos verwendet werden.

Die Verhaftung von Rhodes und 10 weiteren Oath Keepers wegen „Umsturz-Verschwörung“ wirft die Frage auf: Von wem erhielten die QRTs ihre Befehle? Trump selbst befahl seinen faschistischen paramilitärischen Anhängern in einer Debatte mit Biden im September, „zurückzutreten“ und sich „bereitzuhalten“ – und die Anklageschrift macht deutlich, dass Rhodes und seine Mitverschwörer wiederholt in dem Wissen handelten, dass sie Trumps erklärten Zielen folgten.

So bedeutsam die Verhaftungen auch sind, die Oath Keepers bildeten nur einen Teil der Verschwörung, die sich am 6. Januar abspielte. Innerhalb des Staates trug ein Netzwerk mächtiger Akteure dazu bei, dass die QRTs und die Demonstranten die Möglichkeit hatten, den Kongress zu umzingeln und Senatoren und Abgeordnete gefangen zu nehmen. Nach der Wahl vom 3. November richtete der Trump-Berater Stephen Bannon im Willard Hotel eine „Kommandozentrale“ ein, in der Michael Flynn, Roger Stone, Rudy Giuliani, der Trump-Anwalt John Eastman und andere Verschwörer zusammenkamen, um Trumps Plan zum Machterhalt zu koordinieren.

Am 6. Januar stimmten fast 150 republikanische Mitglieder des Kongresses gegen die Bestätigung der Wahlergebnisse und lösten damit Debattenregeln aus, die dafür sorgten, dass es Stunden dauern würde, die Pflichten der Verfassung zu erfüllen. Am Tag zuvor hatten Eastman und der Trump-Anwalt Sidney Powell in letzter Minute beantragt, dass der Oberste Gerichtshof die Bestätigung der Wahlergebnisse aussetzen solle – ein Antrag, der am 6. Januar noch nicht entschieden war.

An diesem Nachmittag ermutigte Trump seinen Mob zum Marsch auf das Kapitol, während die Auszählung der Stimmen gerade stattfand. Die Kapitol-Polizei leistete keinen ernsthaften Widerstand gegen die Demonstranten, und das Militär sah 199 Minuten lang tatenlos zu, während der Angriff stattfand. Jüngste Berichte zeigen nun, dass das Heimatschutzministerium glaubwürdige Drohungen systematisch herunterspielte und das Kapitolgebäude unverteidigt ließ. Trump rechnete damit, dass die Demokratische Partei nichts unternehmen würde, um die Bevölkerung zum Widerstand gegen den Staatsstreich aufzurufen, denn die Demokraten hatten mehr Angst vor der sozialen Opposition, die sich von unten formieren würde, wenn die Bevölkerung die Gefahr des Geschehens erkennen würde.

Das Komplott scheiterte nicht an irgendwelchen Maßnahmen der staatlichen Institutionen oder der Demokraten, sondern an taktischen Problemen und Zufällen. Rhodes‘ QRTs und Gruppen wütender Demonstranten waren nur wenige Minuten oder Sekunden davon entfernt, die Kongressabgeordneten gefangen zu nehmen. Im Falle ihres Erfolgs hätten die Demokraten die Freilassung der Abgeordneten zweifellos durch eine Vereinbarung zu erwirken versucht, die es Trump ermöglicht hätte, an der Macht zu bleiben.

Aus der Anklageschrift geht hervor, dass Rhodes und seine QRTs nicht allein gehandelt haben. Rhodes verfügt über hochrangige Verbindungen und war ein zugelassener Gast auf der CPAC-Konferenz der Republikaner im vergangenen Jahr, und es ist bereits bekannt, dass zwei der anderen verhafteten Oath Keepers ehemalige Leibwächter des Trump-Vertrauten und Willard-Hotel-Verschwörers Roger Stone sind. Die in der Anklageschrift bekannt gewordenen Fakten sind nur die Spitze des Eisbergs.

Stewart Rhodes, Gründer der rechtsextremen Oath Keepers, spricht während einer Kundgebung vor dem Weißen Haus in Washington, 25. Juni 2017 (AP Photo/Susan Walsh) [AP Photo/Susan Walsh]

Die Biden-Regierung hat noch immer keine ernsthaften Maßnahmen gegen die zentralen Verschwörer ergriffen, die sich auf freiem Fuß befinden und aktiv ihre nächsten Versuche der Machtergreifung planen.

Zu ihnen gehört vor allen anderen Donald Trump, der am Samstag bei einer Kundgebung in Florence (Arizona) den einjährigen Jahrestag des 6. Januar feierte. In seiner Rede behauptete Trump erneut, die Wahlen seien gestohlen worden und der 6. Januar sei ein patriotischer Protest gegen Wahlbetrug gewesen. Trumps Beratern zufolge markiert die Kundgebung in Florence den Beginn von Trumps Midterm-Wahlkampf. Er werde von nun an bis November im ganzen Land Kundgebungen abhalten.

Viele derjenigen, die an dem Coup beteiligt waren, waren auch bei der Kundgebung am Samstag anwesend. Der Vorstandsvorsitzende von My Pillow, Mike Lindell, der Trump letztes Jahr zur Verhängung des Kriegsrechts aufforderte, war ebenso zu Gast wie die Kongressabgeordneten Paul Gosar und Andy Biggs, die beide an der faschistischen Kampagne „Stop the Steal“ beteiligt sind – sowie der Abgeordnete des Bundesstaates Arizona Mark Finchem, der Mitglied der Oath Keepers ist. Die Vorsitzende der Republikanischen Partei von Arizona, Kelli Ward, die den Putschversuch unterstützte und zuvor die republikanischen Wähler aufforderte, für Trump „bis zum Tod zu kämpfen“, wird ebenfalls sprechen.

Mit diesem Line-Up sendet Trump eine klare Botschaft: Die Verschwörung zur Machtergreifung wurde mit dem Scheitern des 6. Januar nicht beendet. Die Verschwörer hoffen vielmehr, den 6. Januar als einen Neuanfang mythologisieren zu können. In der Zwischenzeit bemühen sich die Republikanische Partei und Trumps Berater Steven Miller systematisch darum, das Wahlrecht einzuschränken, um künftige Wahldiebstähle besser vorbereiten zu können.

Eine Umfrage von Quinnipiac vom 12. Januar hat ergeben, dass eine große Mehrheit der US-Bevölkerung es für wahrscheinlich hält, dass derzeit ein weiterer 6. Januar geplant wird. Die Gefahr einer Diktatur besteht nach wie vor. Es ist dringend notwendig, dass die Arbeiterklasse über die Geschehnisse am 6. Januar informiert wird, damit sie ihre enorme soziale Kraft mobilisieren kann, um Trumps Machenschaften zu stoppen.

Unter diesen Bedingungen appellieren die Demokraten an „überparteiliche Zusammenarbeit“ mit ihren republikanischen „Kollegen“, während Bhaskar Sunkara, Jacobin-Herausgeber und prominentes Mitglied der Democratic Socialists of America, den 6. Januar „nicht als Putsch“ bezeichnet und die Aufregung darüber als „übertrieben“ darstellt. Er bietet damit den Demokraten in ihrem Bestreben, Arbeitern die Sinne zu vernebeln, seine Dienste an.

In einem kürzlich erschienenen Artikel im Guardian schreibt Sunkara, der 6. Januar zeige, dass die herrschende Klasse „noch lange nicht bereit ist, liberale demokratische Normen offen aufzugeben“, und greift linke Kritik an den Demokraten an, die angeblich „reaktionäre Kräfte [ermutigt], noch aggressiver zu werden“.

Von der extremen Rechten bis zur Pseudolinken belügt das gesamte politische Establishment die Arbeiter, um die Gefahr einer Diktatur klein zu reden, und erleichtert Trump damit seine Machenschaften. Doch in der Arbeiterklasse findet ein anderer Prozess statt. Überall auf der Welt entwickeln sich Streiks und soziale Proteste gegen die tödliche „Zurück-an-die-Arbeit“-Politik der herrschenden Eliten sowie gegen niedrige Löhne und die Auswirkungen der Inflation. Diese wichtigen ersten Kämpfe müssen mit dem Kampf für die Verteidigung der demokratischen Rechte und mit dem Kampf gegen das gesamte kapitalistische System verbunden werden. Dazu muss sich die Arbeiterklasse sowohl der wahren Gefahr einer Diktatur bewusst werden als auch ihrer revolutionären Kraft, diese Diktatur zu stoppen.

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