Vor einem Jahr versuchte Donald Trump, die Wahlen von 2020 rückgängig zu machen, die Verfassung zu kippen und eine Diktatur zu errichten.
Zwei Veranstaltungen finden bzw. fanden zum Jahrestag des 6. Januar statt, eine von den Demokraten im US-Kapitol, die andere von Trump bei einer Kundgebung in Arizona in der folgenden Woche.
Biden gab Trump zwar eine Mitschuld an den Ereignissen, er ging jedoch nicht darauf ein, was bei dem Putschversuch konkret geschah, wer daran beteiligt war und wie kurz er davorstand, Erfolg zu haben. Er drohte weder Trump noch anderen führenden Putschisten mit Konsequenzen. Auf den Ernst des 6. Januar und die anhaltende Bedrohung der Demokratie reagieren Biden und die Demokraten mit leeren Appellen nach Einheit mit der Republikanischen Partei – die selbst tief in den Putschversuch verwickelt ist.
Was Trump sagen wird, ist vorhersehbar. Er wird seinen dreisten Plan, die Macht zu ergreifen, eine Diktatur zu errichten und tausende Menschen dabei umkommen zu lassen, mit seinen üblichen faschistischen Lügen verschleiern. Er wird behaupten, Biden habe die Präsidentschaftswahl durch Briefwahl gestohlen und er wird vor der Gefahr des Sozialismus warnen. Um sich in Vorbereitung auf die Veranstaltung inspirieren zu lassen, werden Trump und seine Mitverschwörer wie Stephen Miller und Steven Bannon „Mein Kampf“ und die Schriften von Goebbels zurate ziehen.
Anlässlich des ersten Jahrestags des 6. Januar müssen fünf wesentliche Punkte betont werden:
1. Der 6. Januar 2021 war ein Versuch, eine Diktatur zu errichten. Der 6. Januar war ein Wendepunkt und ein einzigartiges Ereignis in der amerikanischen Geschichte. Es war der Versuch eines US-Präsidenten, die Wahl zu stürzen, um an der Macht zu bleiben und nach dem Führerprinzip eine Diktatur zu errichten.
2. Dieser Versuch wäre beinahe geglückt. Der Putschversuch war außerordentlich nahe daran, die Wahl zu kippen. Er scheiterte jedoch aufgrund von organisatorischen Fehlern, Unerfahrenheit und in einigen Fällen durch bloße Zufälle.
3. Keine Institution des politischen Establishments stellte sich aktiv gegen den Versuch, eine Diktatur zu errichten. Die Polizei war absichtlich unterbesetzt und verbrüderte sich in vielen Fällen mit dem Mob. Das Militär weigerte sich 199 Minuten lang einzugreifen, was Trump ein Zeitfenster verschaffte, in dem er freie Hand hatte. Die Demokratische Partei weigerte sich, an die Bevölkerung zu appellieren, sich dem Staatsstreich zu widersetzen, aus Angst, eine Explosion der sozialen Opposition auszulösen.
4. Die Gefahr einer Diktatur ist nach wie vor akut. Der Versuch, die Ereignisse des 6. Januar herunterzuspielen, erleichtert Trumps laufende Vorbereitungen für künftige Staatsstreiche. Es wird nun offen zugegeben, dass Trump und die Republikanische Partei ihre nächsten Versuche vorbereiten, eine Diktatur zu errichten.
5. Die einzige gesellschaftliche Kraft, die die Diktatur stoppen kann, ist die Arbeiterklasse.
Erstens: Der 6. Januar 2021 war der Versuch, eine Diktatur zu errichten
Am 6. Januar hatte Trump seine Pläne für eine Diktatur bereits seit mehr als einem Jahr öffentlich bekanntgegeben. Er versuchte, sich auf das Aufstandsgesetz zu berufen, um im Laufe des Jahres 2020 den Protesten der Bevölkerung gegen Polizeigewalt zu begegnen. Im Vorfeld der Wahl erklärte er, er werde das Ergebnis nicht akzeptieren, falls er verlieren sollte. Nach seiner Niederlage behauptete er einen Briefwahlbetrug und drängte seine Anhänger, seinen Versuch zu unterstützen, an der Macht zu bleiben.
Im vergangenen Jahr sind Informationen über die Vorbereitungen auf den 6. Januar ans Licht gekommen, die die Ziele der Verschwörer zweifelsfrei belegen.
In den Wochen vor dem 6. Januar 2021 organisierten Trump und seine Berater Stephen Bannon und Peter Navarro über 100 republikanische Kongressabgeordnete, um die Bestätigung des Wahlmännerkollegiums zu verzögern. Navarro selbst sagte kürzlich gegenüber Daily Beast: „Wir haben viel Zeit damit verbracht, über 100 Kongressabgeordnete, darunter auch einige Senatoren, zusammenzubringen. Es ging perfekt los. Um 13 Uhr taten [Abgeordneter Paul] Gosar und [Senator Ted] Cruz genau das, was von ihnen erwartet wurde. Es war ein perfekter Plan.“
Die Unverfrorenheit, mit der die Verschwörer ihre Ziele zugeben, ist selbst ein Beweis für die Schwäche des Widerstands der Demokraten. Navarro erklärte in seinen kürzlich erschienenen Memoiren „In Trump Time“, dass der Plan – der in Anlehnung an ein Footballspiel den Spitznamen Green Bay Sweep erhielt – von Bannon in Abstimmung mit Trump selbst ausgeheckt worden war. Ziel war es, die Zertifizierung des Wahlergebnisses zu verzögern und paramilitärischen Kräften sowie Trump-freundlichen Demonstranten Zeit zu verschaffen, um Trumps Anweisung zu befolgen – den Kongress zu besetzen und die Abgeordneten darin festzusetzen.
„Die politische und rechtliche Schönheit der Strategie war folgende“, schrieb Navarro. „Laut Gesetz müssen sowohl das Repräsentantenhaus als auch der Senat pro Staat bis zu zwei Stunden über jede geltend gemachte Beanstandung debattieren. Für die sechs umkämpften Bundesstaaten würde das bis zu vierundzwanzig Stunden an landesweit im Fernsehen übertragenen Anhörungen in den beiden Kammern des Kongresses bedeuten.“ Die erste Person, mit der Navarro am Morgen des 6. Januar kommunizierte, war Bannon. „Ich checke meine Nachrichten und freue mich zu sehen, dass Steve Bannon alles vorbereitet hat, damit wir unseren Green Bay Sweep auf dem Capitol Hill durchführen können. Call the play. Run the play.“ Trump, schrieb Navarro, „war zweifellos mit der Strategie einverstanden. Hören Sie sich nur seine Rede an diesem Tag an.“
Die faschistischen Organisatoren der Proteste, die an jenem Tag in Washington stattfanden, haben gegenüber Ermittlern des Kongresses erklärt, dass sie an „Dutzenden“ von Planungstreffen mit an dem Putschplan beteiligten Kongressmitgliedern teilgenommen haben.
Rolling Stone berichtete im Oktober: „Einige der Planer der Pro-Trump-Kundgebungen, die in Washington, D.C., stattfanden, haben begonnen, mit den Ermittlern des Kongresses zu kommunizieren und neue Informationen darüber preiszugeben, was geschah, als die Anhänger des ehemaligen Präsidenten das US-Kapitol stürmten“ und „im Detail brisante Behauptungen zu schildern, wonach mehrere Mitglieder des Kongresses sowohl in die Planung von Trumps Versuch, seine Wahlniederlage zu kippen, als auch in die Ereignisse vom 6. Januar verwickelt waren, die in Gewalt mündeten.“
Paramilitärische und rechtsextreme Gruppen, die Anfang 2020 zur Unterstützung der tödlichen Pandemiepolitik der herrschenden Klasse auf die politische Bühne gebracht worden waren, wurden nun in Aktion gesetzt. Einige von ihnen bildeten schnelle Eingreiftruppen mit versteckten Waffen für den Fall, dass Straßenkämpfe ausbrächen. Diese rechtsextremen Gruppen wurden im Frühjahr 2020 vom Großkapital und den Medien gefördert – als Speerspitze der Bemühungen, die vorübergehenden Lockdownmaßnahmen aufzuheben, die im März verhängt worden waren, nachdem eine Streikwelle in den USA und weltweit eine erste Unterbrechung der Produktion erzwungen hatte. Die sozialen Schichten, an die Trump und die Wall Street im April und Mai 2020 appellierten, um die Staaten von den Lockdowns in den Hauptstädten zu „befreien“, pflegten enge Beziehungen zu führenden Vertretern der Republikaner und folgten weniger als ein Jahr später Trumps Aufforderung, den Kongress zu stürmen.
Während immer mehr Details ans Licht kommen, wird nun international anerkannt, dass die Geschehnisse die USA unmittelbar an den Abgrund der Diktatur gebracht haben.
In seinem Buch „Peril“ berichtet der Journalist Bob Woodward, dass der chinesische General Li Zoucheng mit dem Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff Mark Milley sprach und „sehr besorgt darüber war, dass die Vereinigten Staaten tatsächlich zusammenbrechen würden“. Woodward berichtete, dass nach dem 6. Januar „das chinesische Militär in militärische Alarmbereitschaft versetzt wurde, ebenso wie das der Russen und das der Iraner“.
Der kanadische Akademiker Thomas Homer-Dixon veröffentlichte in Globe and Mail einen Artikel mit dem Titel „Das amerikanische Gemeinwesen hat Risse und könnte zusammenbrechen. Kanada muss sich vorbereiten.“ Der Artikel vom 31. Dezember warnt davor, dass die Vereinigten Staaten „zunehmend unregierbar werden“ und „in einen Bürgerkrieg abgleiten könnten“. Homer-Dixon warnt, dass eine zweite Trump-Präsidentschaft „national und international völlig entfesselt sein könnte“ und dass „es nicht unzutreffend ist, das F-Wort zu benutzen“ – Faschismus. Ähnliche Artikel erscheinen in führenden Publikationen weltweit.
Zweitens: Der Putschversuch vom 6. Januar stand außerordentlich kurz davor, erfolgreich zu sein
Trumps Komplott wäre beinahe gelungen. Über 120 republikanische Kongressabgeordnete und sechs Senatoren unterstützten haltlose Einwände gegen die Bestätigung des Wahlmännerkollegiums. Kurze Zeit später, nachdem Trump die Menge angewiesen hatte, vom Park Ellipse zum Kapitol zu marschieren, entkamen die Kongressmitglieder dem wütenden Mob nur um Sekunden. Vizepräsident Mike Pence wurde in Sicherheit gebracht, während die Menge seine Hinrichtung forderte. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi und der damalige Minderheitenführer im Senat Charles Schumer versteckten sich in einem Bunker unter dem Kapitol und riefen das Pentagon an, flehend, dass man das Gelände räumen und ihr Leben schützen möge.
Wäre es dem Mob gelungen, Mitglieder des Kongresses gefangen zu nehmen, hätte die Demokratische Partei über ihre Freilassung verhandelt und im Austausch dafür ein Arrangement geboten, das Trump an der Macht gehalten hätte.
Das Scheitern des Plans war ausschließlich auf taktische Fehler und die Unerfahrenheit des Mobs und seiner Organisatoren zurückzuführen. Der Plan schien zeitweise nur durch Zufall zu scheitern. Als die Menge in das Gebäude einbrach, folgte sie einem Polizeibeamten, der sie von den Kongressmitgliedern wegführte, die sich in einiger Entfernung versammelt hatten. An einer anderen Stelle ging der Mob an einer Tür vorbei, die ihn zu einer anderen Gruppe von Abgeordneten geführt hätte.
Drittens: Keine Institution des politischen Establishments stellte sich aktiv gegen den Versuch, eine Diktatur zu errichten
Das Komplott scheiterte nicht, weil es auf Widerstand innerhalb des politischen Establishments und des Staates gestoßen wäre. Keine einzige Institution der bürgerlichen Politik unternahm irgendetwas, um den Putschversuch zu vereiteln.
Die Polizei war unterbesetzt, und viele Beamte hießen die Demonstranten im Kapitol-Gebäude willkommen. Das Militär sah 199 entscheidende Minuten lang tatenlos zu, während der Mob das Kapitol besetzte und in die Büros der Kongressabgeordneten eindrang, um nach Abgeordneten und deren Mitarbeitern zu suchen.
Vor kurzem sind weitere Einzelheiten über die Rolle des Militärs am 6. Januar bekannt geworden. William Arkin von Newsweek berichtete am 2. Januar, dass Trump plante, das Militär am Tag des Putsches auf die Straßen zu schicken, und dass die Führung des Pentagon über eine mögliche Spaltung der Streitkräfte besorgt war.
Die Demokratische Partei appellierte nicht an die Bevölkerung, sich dem Putsch entgegenzustellen, obwohl 700.000 Menschen innerhalb der städtischen Grenzen von Washington D.C. leben, wo 95 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen Trump waren. Kein einziger demokratischer Kongressabgeordneter nahm sein Mobiltelefon zur Hand, um einen Videoaufruf in den sozialen Medien zu posten, der alle Gegner von Diktatur auf die Straßen der amerikanischen Städte rief. Kein einziger demokratischer Gouverneur oder Bürgermeister rief zu Massenprotesten auf.
Der designierte Präsident Joe Biden, dessen Amtsantritt Trump zu verhindern suchte, wartete stundenlang ab, bevor er sich an die Nation wandte. Als er schließlich sprach, unternahm Biden den bemerkenswerten Schritt, Trump einzuladen, inmitten seines Staatsstreichs eine im Fernsehen übertragene Ansprache an die Nation zu halten. In einer zehnminütigen Rede am Abend des 6. Januar sagte Biden: „Unsere Demokratie ist einem beispiellosen Angriff ausgesetzt“ und erklärte: „Deshalb fordere ich Präsident Trump auf, jetzt im nationalen Fernsehen seinen Eid zu erfüllen, die Verfassung zu verteidigen und ein Ende dieser Belagerung zu fordern.“
Bidens Appell an Trump gab den Ton für die Reaktion der Demokratischen Partei im darauffolgenden Jahr vor.
Die Ermittlungen des Kongresses laufen nach und nach an, weitgehend hinter dem Rücken der Bevölkerung, doch Trump wurde für seine Rolle beim Versuch, die Verfassung zu stürzen und eine Diktatur zu errichten, nicht strafrechtlich verfolgt. Er lebt derzeit auf seinem Anwesen in Mar-a-Lago. Keiner der Kongressabgeordneten, die den Putschversuch unterstützt haben, wurde aus dem Kongress entfernt oder wegen Verbrechen angeklagt. Dieselbe herrschende Klasse, die nach dem 11. September tausende verarmter Menschen aus Zentralasien wegen Terrorismusverdachts einsperrte und in den Zeiten der „Red Scare“ des 20. Jahrhunderts zahllose Kommunisten und Sozialisten inhaftierte und deportierte, ist nach dem 6. Januar lediglich gegen einige unbedeutende Teilnehmer und den niedrigsten Bodensatz vorgegangen – während sie diejenigen, die den Mob anführten, weitgehend unbehelligt ließ. Selbst die verrottende Weimarer Republik hat mehr gegen Hitler unternommen, der ein Jahr nach dem Scheitern des Bierhallenputsches 1923 im Gefängnis saß (wenn auch unter komfortablen Bedingungen).
Die Reaktion der Demokraten auf den 6. Januar ist vor allem von der Angst vor sozialem Widerstand von unten bestimmt. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Opposition einzuschläfern, das Zweiparteiensystem zu stützen, die Arbeiterklasse durch Rassen- und Genderpolitik zu spalten und die Entwicklung einer Bewegung gegen die drohende Diktatur zu blockieren. Ihre Reaktion auf den 6. Januar bestand darin, alles zu tun, um die Ereignisse zu verharmlosen und zu verhindern, dass der Bevölkerung bewusst wird, wie nah das Land an eine Diktatur herangebracht wurde.
Im Laufe von Trumps Amtszeit haben die Demokraten Trumps Angriffe auf demokratische Rechte ignoriert und ihn aus außenpolitischen Gründen bekämpft, indem sie ihm vorwarfen, er sei ein ineffizienter Verwalter der Interessen des amerikanischen Imperialismus. Die Demokraten, die auf einer Welle der Opposition gegen Trump an die Macht gekommen sind, haben die Covid-19-Politik seiner Regierung fortgesetzt und hunderttausende Menschenleben geopfert, um die spekulative Bonanza an der Wall Street anzuheizen.
Ihre endlosen Bezüge auf „Rasse“, Geschlecht und sexuelle Orientierung dienen ausschließlich der Bereicherung privilegierter Teile der reichsten 10 Prozent der Gesellschaft und haben nichts mit der Verteidigung der demokratischen Rechte der Bevölkerung zu tun. Das eklatanteste Beispiel ist, dass die Demokraten die schlimmsten Aspekte von Trumps Angriffen auf Einwanderer fortgesetzt haben und eine Rekordzahl von Menschen in Länder abschieben, die durch jahrzehntelange imperialistische Kriege und von den USA unterstützte Diktaturen verwüstet wurden. Der Kampf gegen Trump und die Diktatur wird nicht vermittels dieser Partei geführt werden.
Viertens: Die Gefahr einer Diktatur ist nach wie vor akut
Es ist allgemein bekannt, dass Trump und die Republikaner einen weiteren Versuch der Machtübernahme planen. In den Kolumnen der bürgerlichen Presse zum Jahrestag des 6. Januar wird eingeräumt, dass eine Diktatur unmittelbar bevorstehen könnte, und es wird über die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs nachgedacht.
Die Republikanische Partei hat sich in eine faschistische Partei verwandelt, die nicht bereit ist, das Ergebnis demokratischer Wahlen zu akzeptieren. Der Harvard-Politologe Steven Levitsky sagte kürzlich gegenüber Associated Press: „Es ist nicht klar, ob die Republikanische Partei noch bereit ist, eine Niederlage zu akzeptieren.“
Nach Trumps Vorbild hat die Republikanische Partei Selbstjustiz und individuelle Gewalt als Teil des politischen Prozesses legitimiert. Ihre eigenen Kongressabgeordneten drohen demokratischen Gegnern routinemäßig mit Gewalt, um ihre reaktionären politischen Ziele durchzusetzen. Gewaltandrohungen gegen demokratische Kongressabgeordnete haben im letzten Jahr um 107 Prozent zugenommen. Die Republikanische Partei unternimmt unverhohlene Anstrengungen, Millionen von Wählern durch illegale Wahlbeschränkungen zu entrechten, und installiert lokale Wahlbeamte, die künftige Wahlen für nichtig erklären werden. Die Partei bereitet ihre nächsten autoritären Schritte in aller Offenheit vor.
Vertreter des Militärs warnen nun, dass Trump versucht, seine Unterstützung im Pentagon zu konsolidieren, um seine nächsten Verschwörungen vorzubereiten. Im Dezember veröffentlichte die Washington Post eine Erklärung von Ex-Generälen mit dem Titel „Das Militär muss sich jetzt auf einen Aufstand im Jahr 2024 vorbereiten“, in der gewarnt wird:
Während wir uns dem ersten Jahrestag des tödlichen Aufstandes vor dem US-Kapitol nähern, sind wir – alle von uns sind ehemalige hochrangige Militärs – zunehmend besorgt über die Zeit nach den Präsidentschaftswahlen von 2024 und das Potenzial für ein tödliches Chaos innerhalb unseres Militärs, das alle Amerikaner in große Gefahr bringen würde. Kurz gesagt: Der Gedanke, dass ein Staatsstreich beim nächsten Mal gelingen könnte, lässt uns bis auf die Knochen erschaudern.
Die Erklärung in der Post warnt vor einem „potenziellen Zusammenbruch der Befehlskette“ im Pentagon und kommt zu dem Schluss, dass bei den Wahlen von 2024 „bei gespaltener Loyalität einige [Kommandeure] den Befehlen des rechtmäßigen Oberbefehlshabers folgen könnten, während andere dem Trumpschen Verlierer folgen könnten. Je nachdem, wer sie beaufsichtigt, könnten Waffensysteme nicht gesichert werden. In einem solchen Szenario ist es nicht abwegig zu sagen, dass ein militärischer Zusammenbruch zu einem Bürgerkrieg führen könnte.“
Selbst die Redaktion der New York Times räumte kürzlich in einem Leitartikel ein, dass die Untätigkeit der Demokraten den Weg für künftige Putschversuche ebnet. Das Januar-Statement der Times mit dem Titel „Von nun an ist jeder Tag ein 6. Januar“ kommt zu dem Schluss:
Wir sollten aufhören, die Bedrohung für unser Land zu unterschätzen. Unzählige Male haben Trump und seine Verbündeten in den letzten sechs Jahren, bis hin zu den Ereignissen des 6. Januar, offen ihre Absicht kundgetan, etwas Ungeheuerliches, Illegales oder Zerstörerisches zu tun. Jedes Mal lautete die allgemeine Antwort, dass sie es nicht ernst meinten oder dass sie niemals Erfolg haben würden. Wie oft müssen wir uns das Gegenteil beweisen lassen, bevor wir es ernst nehmen? Je eher wir das tun, desto eher können wir hoffen, die Demokratie zu retten, die in großer Gefahr ist.
Dieser Text ist das Eingeständnis, dass die gesamte bürgerliche Presse systematisch versucht hat, den Ernst der Ereignisse des 6. Januar herunterzuspielen, und dass das mediale Establishment Trumps Komplott damit objektiv unterstützt hat. Die Times selbst hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt, die Ereignisse des 6. Januar nicht nur herunterzuspielen, sondern auch die Verantwortlichen für die Durchführung des Anschlags auf ein Podest zu heben. Im Oktober 2021 veröffentlichte die Times einen Meinungsartikel von Senator Josh Hawley – einem der prominentesten Putschisten im Senat – und lobte später seine klugen Vorschläge zur Bewältigung der Lieferkettenkrise.
Die Ereignisse vom 6. Januar waren vorhersehbar. Das beweist die Berichterstattung auf der World Socialist Web Site, die über ein ganzes Jahr vor der Wahl hinweg in täglichen Abständen davor warnte, dass Trump einen Versuch vorbereitet, die Verfassung zu stürzen und eine Diktatur zu errichten.
Die Erklärung der Times-Redaktion ist eine Anklage nicht nur gegen die Zeitung selbst, sondern auch gegen die „linken“ Publikationen im Umfeld der Demokratischen Partei und gegen Vertreter libertärer Tendenzen, die die Bedeutung des 6. Januar weiterhin herunterspielen oder jetzt offen mit Trump sympathisieren.
In einem Artikel vom 26. Januar 2021 mit dem Titel „Die Bedeutung des 6. Januar“ nimmt der Historiker Bryan Palmer den hochmütigen Ton eines Akademikers an, der völlig über den Dingen steht. Palmer kommt zu dem Schluss, dass es sich bei den Ereignissen des 6. Januar nicht um einen Aufstand handelte und dass „die Linke“ die Vorstellung zurückweisen müsse, dass er eine Bedrohung für die demokratischen Rechte darstelle. In einem Abschnitt mit der Überschrift „Aufstand als Übertreibung“ fasst Palmer seine Argumentation zusammen und macht sich über diejenigen lustig, die den 6. Januar als Putschversuch bezeichnen: „Übertreibungen flossen, während sich die fallenden Tränen zu einer Flutwelle aufbauten.“
Aus Palmers Artikel spricht völlige Gleichgültigkeit gegenüber der Aussicht auf eine faschistische Diktatur. Er lobt den faschistischen Mob sogar dafür, dass er die staatlichen Institutionen „verhört und kritisch hinterfragt“ hätte – als ob Personen, die T-Shirts mit der Aufschrift „Camp Auschwitz“ tragen, das Kapitol deshalb besudelt hätten, weil sie die verbrecherische historische Bilanz des amerikanischen Imperialismus ablehnen. Wenn Palmer die bürgerliche Demokratie anprangert, so dient er nur dazu, den Versuch der Demokratischen Partei zu rechtfertigen und zu entschuldigen, die Gefahr herunterzuspielen.
Left Voice, eine der argentinischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PTS) nahestehende Publikation, schrieb kürzlich, dass der 6. Januar „kein faschistischer Putsch oder auch nur ein versuchter Putsch war“. Left Voice zufolge war der 6. Januar ein Zeichen der Stärke des politischen Establishments. Das Blatt nennt den 6. Januar „einen Moment, der dem politischen Establishment und den Medien – einschließlich der Politiker beider Parteien – die Möglichkeit bot, durch ihre Ablehnung der rechten Randalierer ihre Legitimität wiederherzustellen“.
Nach dem 6. Januar habe sich die politische Krise abgeschwächt: „In groben Zügen ist dies das politische Szenario, in dem wir uns befinden“, schlussfolgert Left Voice: Die Krise habe sich „zur Latenz zurückentwickelt“. Die Publikation gelangt zu dieser Schlussfolgerung, indem sie erklärt, dass die Arbeiterklasse passiv sei. Am 6. Januar und danach „blickten die Massen, die in den letzten vier Jahren gegen Trump mobilisiert worden waren, in Erwartung einer Reaktion auf Biden und das Regime – ihnen wurde es anvertraut, sich darum zu kümmern, und es gab keine Reaktion der Arbeiterklasse und der unterdrückten Massen.“
Um Trotzki zu paraphrasieren, „leugnen die Anwälte der Demokraten einfach die Verantwortung der Führer, um sich damit vor ihrer eigenen Verantwortung drücken zu können“. Obwohl Left Voice sich als Kritikerin der Demokraten präsentiert, liefert sie in Wirklichkeit eine Rechtfertigung für die Tatenlosigkeit der Demokraten, indem sie die Arbeiterklasse für die Weigerung der Demokraten verantwortlich macht, die Bevölkerung gegen den Putsch zu mobilisieren!
Ein dritter Teil der radikalen Mittelschicht, bestehend aus anarchistischen und libertären Elementen wie Glenn Greenwald und Jimmy Dore, war von dem Putschversuch beeindruckt und ist zu Apologeten des Putsches geworden. In ihrer tiefen Desorientierung haben sie sich von Anhängern der Demokratischen Partei zu Verteidigern des faschistischen Mörders Kyle Rittenhouse und Gegnern von Masken- und Impfpflichten gewandelt. Diese Personen verkörpern die schlimmsten Züge der radikalen amerikanischen Politik: Pragmatismus, Pessimismus, Nationalismus, Antikommunismus und extremen Individualismus. Ihre angebliche Sorge, dass gesundheitliche Einschränkungen die „individuellen Rechte“ verletzen, deckt sich vollständig mit den Interessen der Wall Street und untergräbt die sozialen Rechte von Milliarden Arbeitern auf Schutz vor Krankheit und Tod.
Fünftens: Die einzige gesellschaftliche Kraft, die die Diktatur stoppen kann, ist die Arbeiterklasse
Der 6. Januar ist kein historischer Zufall, sondern das Ergebnis des langwierigen Verfalls des amerikanischen politischen Systems. Jahrzehntelang haben die beiden Parteien zusammengearbeitet, um massive Kürzungen bei Sozialprogrammen durchzusetzen, permanente imperialistische Kriege zu führen, ungezügelte Finanzspekulationen zu ermöglichen und demokratische Rechte abzuschaffen. Die Konzernmedien und das politische Establishment haben ganz bewusst rechtsextreme Elemente als Bollwerk gegen die Arbeiterklasse kultiviert. Die Demokratische Partei hat jede frühere Verbindung zu sozialen Reformen durch Besessenheit auf „Rasse“ und Identität ersetzt, womit sie die extreme Rechte nährt und stärkt.
Im Jahr 2000, inmitten der Krise um die US-Präsidentschaftswahlen, erklärte das Internationale Komitee der Vierten Internationale, dass die bürgerliche Demokratie auf dem morschen Fundament der zunehmend oligarchischen Gesellschaft Amerikas nicht überleben könne. Im Dezember, als der Oberste Gerichtshof darüber beriet, ob die Auszählung der Stimmen in Florida gestoppt werden sollte, erklärte der Vorsitzende der Internationalen Redaktion der WSWS, David North:
Die Entscheidung dieses Gerichts wird zeigen, wie weit die amerikanische herrschende Klasse bereit ist, die traditionellen, bürgerlich demokratischen und verfassungsmäßigen Normen zu brechen. Ist sie bereit, Wahlfälschung zu sanktionieren, Stimmen zu unterdrücken und einen Kandidaten ins Weiße Haus zu bringen, der das Amt durch offensichtlich illegale und antidemokratische Methoden errungen hat? Ein beträchtlicher Teil der Bourgeoisie und vielleicht sogar die Mehrheit des Obersten Gerichtshofs ist bereit, genau das zu tun. Die Unterstützung für die traditionellen Formen bürgerlicher Demokratie in den Vereinigten Staaten hat in der herrschenden Elite einen dramatischen Erosionsprozess erlitten.
Die katastrophale Entwicklung der Coronavirus-Pandemie hat im Laufe des letzten Jahres die sozialen Gegensätze, die zu den Ereignissen des 6. Januar geführt haben, enorm verschärft. Die von Trump mobilisierten Kräfte der politischen Reaktion haben sich als entscheidend für die mörderische Politik der herrschenden Klasse erwiesen, die darauf abzielt, Geschäfte und Schulen wieder zu öffnen und so viele Menschen wie möglich mit Covid-19 zu infizieren.
Keines der wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die zu den Ereignissen des 6. Januar geführt haben, wurde angegangen. Die Demokratische Partei hat sich als völlig unfähig erwiesen, die notwendigen Maßnahmen zur Anhebung des Lebensstandards und zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen, weil sie die Interessen derselben Finanzaristokratie vertritt, die Profiten Vorrang vor Menschenleben einräumt.
Doch in den letzten Jahren haben Streiks und Massenproteste gegen die Ungleichheit weltweit einen historischen Aufschwung erlebt. Die Arbeiterklasse, die international stärker vernetzt und urbaner ist als je zuvor, ist die soziale Kraft, die die Macht hat, den Faschismus und die drohende Diktatur zu zerschlagen.
Täglich wächst der Widerstand gegen die ungezügelte Ausbreitung der Pandemie an Arbeitsplätzen und Schulen in aller Welt. Um die Gesellschaft vor Durchseuchung und dem Gespenst des Faschismus zu schützen, müssen beide Gefahren an ihrer gemeinsamen Quelle angepackt werden: dem kapitalistischen System. Die schwindelerregende Zelebrierung von Parasitismus und Spekulation, die den Dow Jones, den Nasdaq und den S&P 500 ausmacht, treibt auch die Ausbreitung der Pandemie voran, und die massive Zunahme der Ungleichheit erfordert die Anwendung von immer rücksichtsloseren und antidemokratischeren Herrschaftsmethoden. Der Reichtum der Finanzaristokratie muss enteignet und der Handel ausgesetzt werden, die großen Unternehmen müssen verstaatlicht und die Wall Street muss dichtgemacht werden.
Die Bewegung der Arbeiterklasse kann ihr immenses Potenzial nur durch den Kampf für die Demokratisierung aller Aspekte des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens verwirklichen, einschließlich der demokratischen Arbeiterkontrolle über die Produktion und die Sicherheit vor Covid-19. Das bedeutet, die Produktivkräfte der Welt von der Diktatur des kapitalistischen Profits zu befreien und die Produktion unter die demokratische, soziale Kontrolle der Arbeiterklasse zu stellen.
Mehr lesen
- Der faschistische Putsch vom 6. Januar
- Die Berichterstattung der World Socialist Web Site über Trumps Putschversuch vom 6. Januar
- Die New York Times und die Vertuschung des Putschs vom 6. Januar
- Woodward-Enthüllungen entlarven Aufrufe der Demokraten zur „Einheit“ mit republikanischen Putschisten
- Trump macht Wahl zum Staatsstreich