Lehrer in Chicago stimmen angesichts steigender Covid-Zahlen gegen Rückkehr zum Präsenzunterricht

Am Dienstagabend stimmte eine eindeutige Mehrheit der Lehrkräfte in Chicago gegen die Rückkehr zum Präsenzunterricht und für die vollständige Umstellung auf Online-Unterricht im drittgrößten Schulbezirk der USA. Die Entscheidung ist Teil einer wachsenden Bewegung von Lehrkräften im ganzen Land, die angesichts der außer Kontrolle geratenen Corona-Pandemie die Schließung der Schulen fordert.

Die Chicago Teachers Union (CTU) gab Dienstagabend bekannt, dass sich bei der Abstimmung 73 Prozent der Teilnehmer gegen die Wiederöffnung der Schulen nach den Winterferien ausgesprochen haben.

Die Delegiertenversammlung der CTU hatte zuvor am Dienstag für die Befragung aller Mitglieder gestimmt. Die Gewerkschaft wählte die Formulierungen jedoch so, dass die schnelle Wiederöffnung der Schulen erlaubt werden sollte. Die Abstimmung fand über die Frage statt, ob der Präsenzunterricht bis zum 18. Januar oder stattdessen so lange ausgesetzt werden sollte, bis die Infektionsrate unter die Schwelle sinkt, die letztes Jahr von den Chicago Public Schools (CPS) festgelegt wurde.

Angetrieben von der Ausbreitung der Omikron-Variante verzeichnet Illinois Rekordwerte bei Corona-Infektionen, darunter auch eine wachsende Zahl von Infektionen bei Kindern. Am 30. Dezember riet der Gouverneur von Illinois, J.B. Pritzker, den Krankenhäusern, nicht lebensnotwendige Operationen zu vertagen, um für einen weiteren Anstieg der Infektionen Platz zu schaffen.

Die Demokraten, die in Chicago die Politik bestimmen, haben sich aggressiv für die Wiederöffnung der Schulen engagiert. Vor der Abstimmung am Dienstag drohten und tadelten Bürgermeisterin Lori Lightfoot und Gesundheitskommissarin Dr. Allison Arwady die Lehrer in den Medien, weil sie erwägen, zum Schutz von Menschenleben aktiv zu werden. Lightfoot erklärte, Lehrer sollten nicht die Möglichkeit haben, „warum auch immer, ein ganzes Schulsystem lahmzulegen“.

Nach der Abstimmung veröffentlichte die CPS am Dienstagabend eine Erklärung, laut der der Unterricht abgesagt und es keinen Distanzunterricht geben wird. Der Vorsitzende der CPS, Pedro Martinez, kündigte an, dass Lehrer bei Nichterscheinen nicht bezahlt würden, was faktisch einer Aussperrung gleichkommt.

Lightfoot hatte im Auftrag der Biden-Regierung im Januar 2021 die Kampagne für die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts in den Schulen angeführt. Nach dem Ende der Winterferien im letzten Monat, als die jüngste Welle bereits begonnen hatte, erklärte sie, einige Unternehmen sollten ab dem 3. Januar die Impfpässe der Kunden kontrollieren. Andere Einschränkungen werden jedoch nicht eingeführt.

Mit atemberaubenden Zynismus zitierte Martinez die Weigerung der Stadtverwaltung, Einschränkungen für Unternehmen zu verhängen, als Grund für die Offenhaltung der Schulen. Gegenüber der New York Times erklärte er: „Wenn sie die Restaurants schließen, alle Veranstaltungen absagen, alle Bereiche der Stadt und des Bundesstaats schließen, dann, ja dann, werde ich meine Familien nicht in Gefahr bringen und sie zwingen, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Aber andernfalls ist es doch unlogisch, zu glauben, dass die Schließung der Schulen etwas gegen diese Pandemie bewirken wird.“

Die Lightfoot-Regierung und andere Stadtverwaltungen sowie die Bundesregierung unter Biden verbreiten die Lüge, Schulen seien keine nennenswerten Übertragungsherde. Die Daten des Gesundheitsministeriums von Illinois widerlegen dies jedoch und zeigen, dass Schulen für mehr als 44 Prozent aller Infektionen mit Covid-19 verantwortlich sind.

Genau wie im Rest des Landes war die Reaktion der Stadtverwaltung auf die Omikron-Welle auch hier katastrophal. Während der Winterferien verteilte die CPS 150.000 Covid-19-Tests an Schüler in Stadtvierteln, in denen es zu Ausbrüchen kam. Die Familien wurden angewiesen, die Tests in den nächsten FedEx-Briefkasten zu werfen. In den sozialen Netzwerken kursierten Bilder von FedEx-Briefkästen, die in Haufen von Testumschlägen verschwanden. Laut den Medien muss fast ein Drittel der Tests für ungültig erklärt werden.

Weniger als die Hälfte – nur 34 Prozent – der Chicagoer Kinder zwischen fünf und elf Jahren haben zumindest die erste Impfstoffdosis erhalten. In den Tagen vor Weihnachten bemühten sich viele Eltern erfolglos um Impftermine.

Unabhängig von ihren verlogenen Rechtfertigungen wird die Kampagne zur Wiederöffnung der Schulen nur von einer Erwägung diktiert: Die Kinder sollen in unsichere Klassenzimmer zurückgeschickt werden, damit ihre Eltern an unsicheren Arbeitsplätzen Profite für die herrschende Klasse erwirtschaften können.

Die Lehrer in Chicago haben mutig Stellung bezogen zur Verteidigung des Lebens und der Gesundheit von Schülern, Lehrkräften und der ganzen Gemeinschaft. Die Chicago Teachers Union arbeitet jedoch eng mit Lightfoot zusammen, um den Widerstand gegen den Präsenzunterricht abzuwürgen.

Die CTU und ihre Dachorganisation, die American Federation of Teachers, haben seit Beginn der Pandemie den Mythos verbreitet, trotz der grassierenden Pandemie sei ein sicherer Präsenzunterricht möglich.

Als Anfang 2021 der Widerstand gegen die Schulöffnungen größer wurde, unterdrückte die CTU eine mächtige Streikbewegung. Sie erklärte den Lehrern, es gebe keine Möglichkeit zum Kampf gegen die Öffnung der Schulen, ein Streik wäre zu schwierig, die Lehrer würden sich untereinander mit Streikbruch bekämpfen, und Lightfoots Pläne würden damit Wirklichkeit werden.

Im Sommer setzte sich die AFT aggressiv für die Öffnung der Schulen ein. AFT-Präsidentin Randi Weingarten bereiste als Teil der „Back to School for All“-Kampagne das ganze Land.

Die CTU hat Vorschläge unterbreitet, mit denen die Schulen offengehalten werden sollen, solange ein hoher Schwellenwert von positiv getestetem Schulpersonal nicht überschritten wird. Sie hat außerdem unzureichende Mitigationsmaßnahmen wie die Bereitstellung von KN95-Masken an Lehrkräfte und Personal sowie die Wiedereinführung täglicher Gesundheitsfragebögen vorgeschlagen. Alle diese Maßnahmen wären nur Palliativmittel, um die Wiederöffnung der Schulen zu rechtfertigen.

CTU-Präsident Jesse Sharkey erklärte letzten Donnerstag bei einer öffentlichen Rede mit größter Selbstzufriedenheit: „Vermutlich wird es bei Omikron eine Spitze geben, eine sehr hohe, und dann werden die Zahlen genauso schnell wieder zurückgehen. Ich glaube, wir können von einer kurzen, befristeten Pause des Präsenzunterrichts ausgehen.“

Die Entscheidung der Chicagoer Lehrer muss der Ausgangspunkt eines landesweiten und internationalen Kampfs der Lehrkräfte, Eltern, Schüler und der ganzen Arbeiterklasse werden, um den Präsenzunterricht im Rahmen einer breiteren Strategie zur Eliminierung des Virus einzustellen und zahllose Menschenleben zu retten.

Um einen Kurswechsel durchzusetzen, ruft die World Socialist Web Site die Lehrer in Chicago auf, von der CTU unabhängige Aktionskomitees aufzubauen und ihren Kampf mit denen der Lehrer in New York, Detroit und weiteren Städten im ganzen Land und auf Weltebene zu verbinden, in denen trotz der Pandemie die Schulen wieder geöffnet werden. Diese Komitees dürfen sich nicht daran orientieren, was gut für die Wirtschaft ist, sondern daran, was zur Rettung von Menschenleben und der Vermeidung von lebenslangen gesundheitlichen Schäden bei Kindern notwendig ist.

Um die Übertragungsketten zu durchbrechen, müssen die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie – umfassende Tests, Kontaktverfolgung, Isolation von infizierten Patienten, Masken und Impfungen – ebenso umgesetzt werden wie die Schließung der Schulen und nicht lebensnotwendiger Betriebe. Alle betroffenen Arbeiter müssen zudem in voller Höhe ihres Einkommens entschädigt werden.

Die Chicagoer Lehrer haben sich für die Priorisierung von Menschenleben gegenüber Profiten entschieden! Diese Entscheidung muss zu einem landesweiten und internationalen Kampf der Arbeiterklasse für die endgültige Ausrottung der Pandemie ausgeweitet werden!

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